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Ein heikler Job für das Landkomitee

Kenia: Laut der neuen Verfassung sollen illegale Bodengeschäfte rückgängig gemacht werden

Von Jan Keno Deichmann, Nairobi *

Die neue Verfassung Kenias, die in der vergangenen Woche per Referendum angenommen wurde, sieht die Bildung neuer Institutionen vor – ein problembeladenes Vorhaben. Mit dessen Umsetzung wurde am gestrigen Montag in Nairobi begonnen. In den nächsten Wochen und Monaten soll unter anderem eine Art föderales System entstehen, das auf neuzuschaffenden Verwaltungsgebieten fußt. Und: Es soll ein Landkomitee eingerichtet werden, dem eine heikle Aufgabe zugedacht ist. Es soll prüfen, welche öffentlichen Landflächen in der Vergangenheit illegal in private Hände gelangt sind.

In der alten Verfassung von 1963, die Kenia nach seiner Unabhängigkeit von Großbritannien verabschiedete, hatte der Präsident das Recht zur letzten Entscheidung – was zu Vetternwirtschaft und widerrechtlichen Besitzerwechseln führte. Nun stellen sich verschiedene Fragen. Sie betreffen vor allem die Zusammensetzung und Handlungsfähigkeit des Komitees. Tatsache ist, daß einige Landlords ihr »Diebesgut« bereits verkauft haben. Ob das Komitee in der Lage sein wird, diese Fälle in gerechter Weise zu lösen, muß sich erst noch zeigen.

Tatsächlich hatten sich der ehemalige Präsident und Autokrat Daniel Arap Moi und der derzeitige Minister für höhere Bildung William Ruto massiv für die »No«-Kampagne der Verfassungsgegner engagiert. Das geschah aus gutem Grund, hatte Moi doch während seiner Herrschaft öffentliches Land an politisch loyale Freunde verteilt und sich auch selbst großzügig bedient. Dies betraf unter anderem große Flächen des »Mau«-Waldes, Kenias größtem Wasserspeicher.

Neben Moi und anderen spielten auch die christlichen Kirchen eine unrühmliche Rolle in der Diskussion um die neue Verfassung. Grund hierfür ist die darin enthaltene Festlegung, die Abtreibung dann zu legalisieren, wenn das Leben der Mutter bei der Geburt absehbar gefährdet ist. Dieses Vorhaben war vor dem Referendum insbesondere von der katholischen Kirche scharf kritisiert worden. Ihre Hetzkampagne mündete in dem Vorwurf, die neue Verfassung stifte zum Mord an. Am vergangenen Wochenende nun entschuldigten sich 300 Bischöfe aus der Provinz Nyanza, daß sie derart Stellung bezogen hatten.

Trotzdem stehen große Teile der Kirche weiter in Opposition. So meinte Nairobis Erzbischof John Cardinal Njue in der Tageszeitung Daily Na­tion: »Recht und Wahrheit lassen sich nicht in Zahlen ausdrücken.« William Ruto verkündete, eigentlich habe das »No«-Lager gewonnen, da alle Nichtwähler gegen die Verfassung seien. Laut den am vergangenen Donnerstag bekanntgegebenen Ergebnissen hatten sich am 4. August 67 Prozent für die neue Verfassung entschieden, 30 Prozent waren dagegen. Teilgenommen am Referendum hatten 72 Prozent der 12,4 Millionen Berechtigten – ein hoher Wert, der auf den Willen zur Versöhnung zwischen den politischen und ethnischen Lagern schließen läßt. Die ehemaligen Hauptkontrahenten, Präsident Mwai Kibaki und Premier Raila Odinga, schüttelten sich folglich demonstrativ die Hände, in der Hafenstadt Mombasa feierten die Befürworter auf der Straße.

* Aus: junge Welt, 10. August 2010


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