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Helfer, die nur sich selbst helfen

Kenia: Fernsehserie nimmt Unfähigkeit und Selbstbereicherung von NGOs aufs Korn

Von Miriam Gathigah (IPS) *

Ben Okoth lebt in Kibera, Afrikas größtem urbanen Slum am Rande der kenianischen Hauptstadt Nairobi. Über die Jahre hat er zahlreiche Hilfsorganisationen vor Ort dabei beobachtet, wie sie die Lebensbedingungen der Armen zu verbessern suchten. Unter ihnen gibt es allerdings auch »schwarze Schafe«, wie der 45jährige zu berichten weiß. Für einige Gruppen seien die Armenviertel Mittel zum Zweck der Selbstbereicherung. »Oft mieten sie ein kleines Gebäude und schreiben ihren Namen an die Tür. Dann sind sie weg und tauchen das nächste Mal in Begleitung Weißer auf, denen sie erzählen, was sie hier Großartiges vollbringen.«

Viele Organisationen werden längst »Briefkasten-NGOs« genannt, weil sie gar nicht vor Ort tätig sind. Untersuchungen der lokalen Menschenrechtsvereinigung »Kibera Law Centre« zeigen, daß die Lebensverhältnisse in den Slums trotz der Anwesenheit zahlreicher Nichtregierungsorganisationen (NGO – Non-governmental Organization) weiterhin schwierig sind. So müssen sich in Kibera etwa 1300 Menschen eine Toilette teilen.

Die Ineffizienz der Hilfsorganisationen in dem ostafrikanischen Land ist inzwischen sogar zum Thema einer neuen Comedy-Fernsehserie geworden. »Im Mittelpunkt von ›Die Samariter‹ stehen die Mitarbeiter der Schein-NGO ›Aid for Aid Kenya‹, die mit den merkwürdigsten Forderungen und Entscheidungen der Kollegen am Hauptsitz in Großbritannien und mit hoffnungslos unfähigen Lokalbürokraten umgehen müssen«, erläutert Hussein Kurji, einer der Produzenten. »Ihnen geht es vor allem darum, möglichst viele nutzlose Berichte zu schreiben, um ihr Engagement zur ›Rettung Afrikas‹ unter Beweis zu stellen.«

Auch wenn die Sendung bisher nicht im kenianischen Fernsehen gelaufen ist und nur zwei Episoden im Internet kostenpflichtig angeschaut werden können, sind »Die Samariter« bereits populär. Allein der auf Youtube eingestellte Trailer wurde bereits über 100000mal aufgerufen. »Sehr lustig, ich habe viel gelacht. Mir gefällt aber nicht, daß Menschen, die von sich behaupten, uns Armen helfen zu wollen, in Wirklichkeit nur ihre Spielchen treiben«, meint Okoth.

Zu den Fans gehört auch Mary Anne Karabi, die für eine kenianische NGO arbeitet. »Der Leiter von ›Aid for Aid Kenya‹ redet im typischen NGO-Jargon und sagt damit nichts. Wir verbringen den ganzen Tag auf Treffen in Fünf-Sterne-Hotels und sprechen über große Dinge wie die Hilfe zur Selbsthilfe. Das hört sich gut an und sieht auch auf dem Papier gut aus. Das war’s dann aber auch.«

Kurji zufolge waren es diese Diskrepanzen, die zur Entstehung der Serie führten. »Freunde und Bekannte schilderten uns die Bürokratie und Unfähigkeit in den Büros, in denen sie beschäftigt sind. Daß wir dieses Phänomen filmisch verarbeitet haben, brachte gleichzeitig ernsthafte Diskussionen über Hilfe und Entwicklung in Gang.«

Nach Angaben des staatlichen Koordinationsausschusses, der die NGOs reguliert, gehen jedes Jahr 400 neue Organisationen an den Start – ein Trend, der sich seit gut einer Dekade beobachten läßt. Nach den jüngsten vorliegenden Zahlen von 2009 sind in Kenia 6075 Gruppen registriert. Je stärker der Bereich wächst, desto kontroverser werden die Auswirkungen seiner Arbeit auf das Leben der Zielgruppen diskutiert.

Javas Bigambo von der Beratungsfirma »Interthoughts Consulting« führt das Problem vor allem darauf zurück, daß sich die meisten NGOs im Besitz von Einzelpersonen befänden, die durch die Einnahmen ihrer Organisation vor allem das eigene Überleben sichern würden.

* Aus: junge welt, Samstag, 8. März 2014


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