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Kirgisen protestieren gegen OSZE-Mission

Polizisten von manchem nicht gerne gesehen

Von Christian Weisflog, Moskau *

Ab Mitte August sollen 52 OSZE-Polizisten im Süden Kirgistans für Ordnung sorgen. Doch nun regt sich im Lande Protest gegen die ausländischen Helfer.

Kirgistan ist nach wie vor ein Pulverfass. Ab Mitte August könnten auch die 52 Polizisten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zwischen die Fronten geraten. Obwohl ihre Aufgabe darin bestehen soll, nach den Unruhen im Juni das Vertrauen zwischen den staatlichen Ordnungshütern und der Bevölkerung wieder herzustellen.

Zu Wochenbeginn demonstrierten in der Hauptstadt Bischkek und im südkirgisischen Osch mehrere hundert Menschen gegen die Entsendung der OSZE-Polizisten. Im unruhigen Süden, wo die ausländischen Sicherheitskräfte stationiert werden sollen, protestierten rund 1500 Personen. Auf ihren Plakaten stand »Kein kirgisisches Kosovo« oder auch »OSZE-Polizei - eine Gefahr von außen«. Auch der Bürgermeister von Osch unterstützte die Demonstranten.

Die Proteste wurden vermutlich von Gegnern der kirgisischen Übergangspräsidentin Rosa Otunbajewa organisiert. Otunbajewa und andere ehemalige Oppositionsführer hatten nach dem Sturz von Präsident Kurmanbek Bakijew im April die Führung des Landes übernommen. Bakijew und sein Clan stehen unter Verdacht, danach die ethnischen Unruhen zwischen der usbekischen Minderheit und der kirgisischen Mehrheit im Süden angeheizt zu haben. Bei den Auseinandersetzungen starben rund 2000 Menschen.

Und noch immer klagen Usbeken über willkürliche Verhaftungen durch die kirgisische Polizei, die sich auch im Juni an den Pogromen beteiligt haben soll, statt gegen Gewalttäter einzuschreiten. Die beteiligten Beamten haben begreiflicherweise kein Interesse an ausländischen Kontrolleuren. Die unbewaffneten OSZE-Polizisten sollen ihren Kollegen vor allem beratend beistehen. »Sie werden aber auch genau hinschauen, wie die kirgisischen Polizisten mit der nicht einfachen Situation umgehen«, erklärte Herbert Salber, Direktor des Wiener Konfliktverhütungszentrums der OSZE.

Für den Herbst sind in Kirgistan Parlamentswahlen anberaumt. Die Anwesenheit ausländischer Polizisten könnte von den Gegnern der Übergangsregierung benutzt werden, um die Wähler gegen die neue Führung aufzubringen. Gerade im Süden könnte diese Taktik bei den Kirgisen gut ankommen, sollte sich die OSZE zu eindeutig auf die Seite der Usbeken stellen.

Kurmanbek Bakijew ist zwar nach Belarus ins Exil geflohen, sein Clan besitzt aber noch Einfluss. Erst vergangene Woche gelang es den Behörden, Bakijews Bruder Achmat zu verhaften. Der galt bis April im Süden als allmächtiger »Schattengouverneur«. Bis zu seiner Verhaftung bewegte er sich mehr oder weniger frei in seiner Heimatstadt Dschalalabad. Er konnte auf die Solidarität der dortigen Bevölkerung zählen. Ob die OSZE mit deren Bereitschaft zur Zusammenarbeit rechnen kann, wird sich zeigen.

850 Millionen Euro Auslandshilfe

Bischkek (AFP/ND). Eine internationale Geberkonferenz hat Kirgistan für den Wiederaufbau nach den Juni-Unruhen Hilfszahlungen in Höhe von 1,1 Milliarden Dollar (rund 847 Millionen Euro) zugesagt. 600 Millionen Dollar sollen noch in diesem Jahr gezahlt werden, teilte der Weltbankdirektor für Europa und Zentralasien, Theodore Ahlers, am Dienstag bei der Konferenz in der kirgisischen Hauptstadt Bischkek mit.

* Aus: Neues Deutschland, 29. Juli 2010


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