Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Nur wenige gelten als "austauschbar"

Zwei kolumbianische Politikerinnen sind frei – Hunderte Geiseln bleiben in Gewalt der FARC

Von Tommy Ramm *

Für Clara Rojas und Consuelo González hatte die Tortur ein glückliches Ende. Die beiden kolumbianischen Politikerinnen kamen nach rund sechs Jahren Geiselhaft in Freiheit. Nun schöpfen Dutzende weitere Entführte neue Hoffnung.

Nach monatelangen Anstrengungen um die Freilassung zahlreicher Entführter, die sich in der Gewalt der kolumbianischen FARC-Rebellen befinden, kam es am Donnerstag erstmals zu einem Durchbruch. Die Linksguerilla übergab in einer unzugänglichen Zone im Osten Kolumbiens einer Vermittlerkommission aus venezolanischen, kolumbianischen und kubanischen Politikern sowie Vertretern des Internationalen Roten Kreuzes zwei Geiseln: die 57-jährige Regionalpolitikerin Consuelo González und die 44-jährige Clara Rojas, die im Februar 2002 gemeinsam mit der kolumbianisch-französischen Grünen-Politerin Ingrid Betancourt entführt wurde. González wurde bereits im Jahr 2001 verschleppt.

Die Freilassung beider Frauen war bereits für Dezember geplant, doch gegenseitige Anschuldigungen von Guerilla und Regierung warfen den Zeitplan durcheinander. Kolumbiens Präsident Alvaro Uribe unterstellte den Rebellen, das Land zu belügen.

Zankapfel war diesmal der Sohn von Clara Rojas, der vor knapp vier Jahren in Geiselhaft nach einer Romanze zwischen Rojas und einem Rebellen zur Welt kam und als trauriges Symbol der Entführungstragödie in Kolumbien gilt. Als wäre dies nicht schlimm genug, musste die kolumbianische Öffentlichkeit über die Feiertage erfahren, dass der kleine Sohn Emmanuel bereits 2005 von seiner Mutter getrennt wurde und unter einem anderen Namen als Waisenkind in einem staatlichen Heim aufwuchs.

Für die kolumbianische Regierung war dies ein perfekter Anlass, die weitgehend unpopuläre FARC öffentlich dafür an den Pranger zu stellen und deren Willen zu einer groß angelegten Geiselbefreiung zu bezweifeln.

Eine pompös geplante Übergabe mit Hollywood-Regisseur Oliver Stone, der diese filmen wollte, und dem ehemaligen argentinischen Präsidenten Néstor Kirchner als Garant fielen in den letzten Dezembertagen somit aus.

Venezuelas Präsident Hugo Chávez war es nun zu verdanken, dass es doch noch relativ zügig zur Freilassung der beiden Entführten kommen konnte. Die FARC versprachen bereits Wochen zuvor, die Übergabe als »Linderung« für Chávez realisieren zu wollen, nachdem dieser als Vermittler von Uribe öffentlich kaltgestellt wurde.

Nach der Bestätigung der Freilassung wandte sich Chávez am Donnerstag umgehend an die Öffentlichkeit und erklärte, dass der venezolanische Innenminister Ramón Rodríguez Chacín als Gesandter der venezolanischen Regierung der Übergabe beiwohnte und er selbst per Telefon informiert wurde.

»Ich habe die FARC-Patrouille begrüßt, dann Clara und Consuelo, die aufgeregt waren«, erklärte Chávez. »Ich sagte zu beiden: Willkommen im Leben!« Rojas sowie González wurden per Hubschrauber an einen unbekannten Ort in Venezuela gebracht, wo sie sich später mit ihren Familienangehörigen treffen sollten.

Auch wenn die Freilassung politischer Balsam für Chávez ist und seit langem wieder Entführte auf dem Vermittlungsweg die Freiheit erlangten, fällt das Resultat nüchtern aus. Noch vor wenigen Wochen erschien die Freilassung Dutzender Entführter zum Greifen nahe, nachdem Guerilla und Uribe-Regierung Gesprächswillen bekundeten und Chávez sowie der französische Präsident Nicolas Sarkozy in die Geschicke vermittelnd eingriffen. Allerdings befinden sich nach wie vor mehr als 700 Geiseln in der Gewalt der FARC, von denen bisher nie die Rede war, da nur knapp 50 politisch Entführte als »austauschbar« gegen inhaftierte Rebellen gelten.

Die Hoffnung geben die Angehörigen dennoch nicht auf. In Paris feierte das Komitee zur Unterstützung von Ingrid Betancourt die »reibungslose Effizienz«, die Chávez und Uribe in den letzten Tagen zeigten, und forderte beide auf, die gleichen Anstrengungen für Ingrid Betancourt und alle anderen Entführten zu unternehmen.

* Aus: Neues Deutschland, 12. Januar 2008

Uribe dankt Chávez für Vermittlung

Nach der Freilassung von zwei langjährigen Gefangenen der kolumbianischen FARC-Rebellen hat der Präsident Kolumbiens, Alvaro Uribe, seinem venezolanischen Kollegen Hugo Chávez für dessen Vermittlungsbemühungen gedankt. Uribe wiederholte das Angebot seiner Regierung an die FARC, einen entmilitarisierten Treffpunkt im Dschungel einzurichten, um dort über den Austausch von Gefangenen zu sprechen. Gleichzeitig bezeichnete er die FARC jedoch erneut als "Terroristen".
Chavez kündigte an, sein Land werde weiter dabei helfen, dem Frieden in Kolumbien den Weg zu ebnen. Zuvor hatten die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) zwei Frauen freigelassen, die sie seit fast sechs Jahren gefangengehalten hatten.
(AP/jW, 12. Januar 2008)




Zurück zur Kolumbien-Seite

Zurück zur Homepage