Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Kein Frieden um jeden Preis

Kolumbianische ELN-Guerilla führt bewaffneten Kampf weiter – und verhandelt zugleich in Havanna

Von Patricia Grogg *

Der bewaffnete Kampf geht so lange weiter, bis sich die sozialen und politischen Verhältnisse in seinem Land zum Besseren verändert haben. Das bekräftigte Antonio García, Militärchef der kolumbianischen Guerillaorganisation ELN (Ejército de Liberación Nacional – Nationale Befreiungsbewegung), jüngst in einem Exklusivinterview mit der Agentur IPS. Trotzdem werde man die Vorgespräche über Friedensverhandlungen mit der Regierung fortsetzen, meinte García.

Die ELN ist mit 4400 Mitstreitern die kleinere der beiden linken Rebellenbewegungen Kolumbiens. In Kubas Hauptstadt Havanna traf García seit Dezember 2005 in nunmehr vier Gesprächsrunden mit Luis Carlos Restrepo, dem Vertreter der kolumbianischen Regierung, zusammen. In Kolumbien kämpft die Regierungsarmee gemeinsam mit ultrarechten Paramilitärs seit mehr als 40 Jahren gegen die ELN und die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) mit geschätzten 18000 Mitgliedern.

Als unverzichtbare Kernpunkte weiterer Verhandlungen mit der rechtskonservativen Regierung von Staatspräsident Álvaro Uribe nannte García die Rückführung von vier Millionen aus ihren Dörfern vertriebenen Flüchtlingen und die Rückgabe ihres Landbesitzes, weiter die zuverlässige Entwaffnung aller Kämpfer und eine Amnestie für gefangen gehaltene Aktivisten und Guerilleros. »Damit ließen sich neue politische Verhältnisse schaffen, die Kolumbien auf den Weg zu Frieden und Demokratisierung bringen können«, betonte der ELN-Vertreter.

Auf die Frage, warum die ELN angesichts der kriegsmüden kolumbianischen Gesellschaft nicht bereit ist, den bewaffneten Kampf und ihre Geiselnahmen einzustellen, meinte García: »Kolumbien hat vor allem genug von Armut, Hunger, Arbeitslosigkeit, Ausgrenzung und undemokratischen Zuständen.« Der bewaffnete Aufstand müsse als gesellschaftlicher Widerstand fortgesetzt werden, solange es keine umfassende Gesamtlösung für den Konflikt gebe. »Die ELN hält es für legitim, in Kolumbien für einen Wandel zu kämpfen. Unsere Waffen sind die Waffen des Volkes.«

Unterstützung auf dem Weg zu einer möglichen Demokratisierung Kolumbiens erhoffe man sich auch durch den politischen Veränderungen in lateinamerikanischen Staaten wie Bolivien und Venezuela, betonte García. »Deshalb halten auch wir einen wirklichen Frieden in Kolumbien für möglich, der mehr ist als ein Abkommen, das Regierung und Rebellen unter sich geschlossen haben.«

* Aus: junge Welt, 25. November 2006


Zurück zur Kolumbien-Seite

Zurück zur Homepage