Politisches Manöver gegen FARC
Kolumbiens Regierung will durch Freilassung Rebellen unter Druck setzen
Von Tommy Ramm, Bogotá *
Pünktlich zum G8-Treffen will Kolumbien ein Zeichen setzen: Eine großzügige Freilassung von
inhaftierten Rebellen soll die internationale Gemeinschaft zur Vermittlung im kolumbianischen
Konflikt bewegen, an der besonders Frankreich interessiert ist.
Durch die Freilassung von mehr als 200 inhaftierten Rebellen der linken FARC-Guerilla will
Kolumbiens Staatspräsident Álvaro Uribe Vélez die politische Initiative zurückgewinnen. Nachdem
die Regierung in den letzten Wochen von einem Skandal gebeutelt wurde, der die Verwicklung
hochrangiger Politiker in paramilitärische Strukturen offenbarte, hat die angekündigte Freilassung
vorerst den Druck von Uribe genommen.
Erst Ende Mai gelangten die Pläne der Regierung an die Öffentlichkeit, die eine Freilassung von
inhaftierten Rebellen vorsehen. Das Kalkül Uribes war zunächst, im Zuge der Entlassung auch mehr
als ein Dutzend Politiker auf freien Fuß zu setzen, die wegen ihrer Verbindungen zu Paramilitärs in
Untersuchungshaft sitzen und in der Mehrzahl der Regierungskoalition angehörten. Nachdem jedoch
im Laufe dieses Prozesses selbst inhaftierte Drogenbosse ihre Freilassung forderten und die Pläne
den Anschein einer Generalamnestie annahmen, steckte die Regierung ihre Ziele zurück. Bis zum
Donnerstag sollen nun allein die über 200 Guerilleros aus dem Gefängnis entlassen werden, die sich
jedoch verpflichten müssen, nicht mehr zu den Waffen zu greifen.
Uribe schlägt durch die Freilassung zwei Fliegen mit einer Klappe: Die Rebellen der Revolutionären
Streitkräfte Kolumbiens (FARC) sollen unter Druck gesetzt werden, seit Jahren verschleppte
Politiker in ihrer Gewalt freizulassen. Neben zwölf Landtagsabgeordneten und vielen früheren
Politikern befinden sich drei USA-Söldner sowie die ehemalige Präsidentschaftskandidatin Ingrid
Betancourt in ihren Händen. Weit folgenreicher ist jedoch, dass sich Uribe mit diesem Manöver klar
von direkten Verhandlungen mit der FARC-Guerilla abwendet. Gehörte ein Gefangenenaustausch
trotz Forderungen der Familien der Entführten nie ernsthaft zur politischen Agenda Uribes, dürften
dafür nun alle Türen verschlossen sein. Durch die einseitige Freilassung entledigt sich Uribe
jeglichen Grundes für Gespräche.
Laut kolumbianischen Tageszeitungen gelten die Bemühungen Frankreichs um eine Freilassung der
kolumbianisch-französischen Politikerin Ingrid Betancourt als Stein des Anstoßes. Offenbar haben
direkte Gespräche zwischen Uribe und dem neuen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy die
angekündigte Freilassung ins Rollen gebracht. Sarkozy habe demnach Uribe zu einem deutlichen
Zeichen gegenüber der internationalen Gemeinschaft aufgefordert. Diese habe sich unter der Uribe-
Regierung weitgehend aus Vermittlungsbemühungen herausgehalten. Nun könnte Sarkozy bei dem
G8-Gipfel in Deutschland das Thema seinen Kollegen unterbreiten, um internationalen Druck auf die
Guerilla auszuüben. Diese lehnte die Freilassungen der Regierung jedoch als »Farce« ab und
beschuldigte diese, von dem Skandal um die Paramilitärs ablenken zu wollen.
Unklar ist allerdings noch, ob die Regierung überhaupt die rechtlichen Mittel für eine Freilassung der
Rebellen besitzt. Laut dem ehemaligen Verfassungsrichter Eduardo Cifuentes ist das nicht der Fall.
»Eine Freilassung ist an viele juristische Normen gebunden, die nur von den Richtern des Landes
angewendet werden dürfen«, so Cifuentes.
* Aus: Neues Deutschland, 5. Juni 2007
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