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FARC-Rebellen mit Friedensgeste

Kolumbianische Guerilla lässt letzte gefangene Soldaten und Polizisten frei

Von Gerhard Dilger, Porto Alegre *

Die FARC-Guerilla in Kolumbien hat am Montag (Ortszeit) in Kolumbien die letzten zehn Polizisten und Militärs freigelassen, die sich seit über zehn Jahren in ihrer Hand befanden. Präsident Juan Manuel Santos begrüßte die Freilassung, hält sie aber nicht für hinreichend, um Friedensgespräche zu beginnen.

Sie bewegen sich: die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC), die dem Staat seit 1964 dem Kampf angesagt haben. Mit der Freilassung ihrer letzten zehn Geiseln erfüllten die Rebellen eine der Bedingungen der kolumbianischen Regierung zur Aufnahme von Friedensverhandlungen. Der Albtraum für die zehn überglücklichen Uniformierten hatte 1998 oder 1999 begonnen - für die FARC waren es Kriegsgefangene, die sie gegen inhaftierte Rebellen austauschen wollten.

Die FARC hatten die Geiseln im Urwald der linken Exsenatorin Piedad Córdoba und Vertretern des Internationalen Roten Kreuzes übergeben. Danach wurden sie am Montag in einem brasilianischen Armeehubschrauber von der Grenze zwischen den Provinzen Meta und Guaviare in die Provinzhauptstadt Villavicencio südöstlich von Bogotá gebracht, anschließend in die Hauptstadt.

Der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos bezeichnete die Freilassung als »sehr wichtigen Schritt in die richtige Richtung«, für die Aufnahme von Friedensgesprächen sei er jedoch nicht ausreichend. Erst müssten auch sämtliche zivilen Geiseln freigelassen werden, forderte Santos in einer Fernsehansprache. Außerdem müssten die FARC die Angriffe auf die Zivilbevölkerung einstellen und ihre Beziehungen zur Drogenmafia abbrechen.

Wie viele zivile Geiseln die FARC noch hat, ist allerdings unklar. Olga Gómez von »País Libre«, einer Gruppe, die sich um Entführungsopfer kümmert, forderte die Guerilla zu »Taten« auf und sagte: »Wir wollen wissen, wie viele Entführte sie noch haben, wie viele leben und wie viele tot sind.« In den vergangenen zehn Jahren hätten die FARC 405 Zivilisten verschleppt, so Gómez, heute gingen aber die meisten Entführungen auf das Konto von Kriminellen.

Exsenatorin Piedad Córdoba forderte, nun solle ihr die Regierung erlauben, Guerilleros im Gefängnis zu besuchen. Córdoba, die oft Hand in Hand mit Venezuelas Präsident Hugo Chávez arbeitet, war seit 2008 bei sechs Freilassungen von insgesamt 29 mehr oder weniger prominenten Geiseln dabei und setzt sich für eine Verhandlungslösung im Bürgerkrieg ein. »Diese Phase ist abgeschlossen«, sagte sie zufrieden, »jetzt werden wir dafür arbeiten, dass die Familien der Verschwundenen ihre Lieben finden.«

In einer Erklärung, die sie bei der Übergabe der sechs Polizisten und vier Soldaten verlasen, hatten die Aufständischen ihre Bereitschaft zu Friedensgesprächen bekräftigt. Zudem wollen sie auf Entführungen zur Erpressung von Lösegeld verzichten, was die FARC-Spitze bereits Ende Februar angekündigt hatte. Im März war es jedoch wieder zu heftigen Kämpfen gekommen. Zunächst töteten die FARC elf Soldaten in einem Hinterhalt und bei zwei Angriffen der Armee starben vorige Woche 69 Guerilleros. Der Abgeordnete Iván Cepeda vom Demokratisch-Alternativen Pol sieht darin allerdings kein Hindernis für die Aufnahme von Friedensgesprächen, im Gegenteil: »Es ist normal, dass die Kriegsparteien vor einem möglichen Dialog die bestmögliche Position dafür erreichen wollen.«

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 4. April 2012


Friedensinitiative der FARC

Kolumbianische Rebellen lassen letzte gefangene Soldaten und Polizisten frei **

Die kolumbianische Rebellengruppe FARC hat mit der Freilassung der letzten gefangenen Polizisten und Soldaten eine Ära beendet. Zehn Männer konnten am Montag nach bis zu 14 Jahren in der Gewalt der Aufständischen zu ihren Familien zurückkehren. Präsident Juan Manuel Santos lobte die Freilassung als »einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung«, bezeichnete sie aber zugleich als unzureichend für die Aufnahme von Friedensverhandlungen. Zwischen 12 und 14 Jahren waren die die jetzt Freigelassenen gefangen gewesen. Als sie in einem Helikopter der brasilianischen Luftwaffe am Montag in Richtung Bogotá geflogen wurden, war ihnen die Erleichterung und Freude anzusehen: Einige winkten triumphierend, während andere bei der Ankunft vor Freude auf dem Asphalt hüpften. Die FARC hatte die Freilassungen Ende Februar angekündigt und gleichzeitig versprochen, Entführungen zur Erpressung von Lösegeld künftig einzustellen. Vor dem Beginn von Friedensgesprächen forderte Präsident Santos aber weitere Beweise dafür, daß die FARC in Zukunft von Entführungen tatsächlich absehe. »Wenn die Regierung glaubt, daß es ausreichende Bedingungen und Garantien für einen Prozeß zur Beilegung des Konflikts gibt, wird es das Land erfahren«, sagte Santos.

»Die Rebellen haben mit dieser Geiselfreilassung einen konkreten Schritt für eine friedliche Lösung des jahrzehntelangen bewaffneten Konflikts in Kolumbien getan. Die Regierung muß nun ihrerseits ernsthafte Bemühungen für den Friedensprozeß unternehmen«, erklärte Heike Hänsel, entwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, zu der Initiative der FARC. Der Frieden in Kolumbien könne aber nicht allein durch Verhandlungen herbeigeführt werden. »Der soziale Konflikt, die millionenfache Vertreibung von Kleinbauern, die ungerechte Landverteilung und die große Kluft zwischen Arm und Reich müssen Teil einer politischen Lösung sein. Andernfalls wird es keine nachhaltige Lösung des Konfliktes geben.« (dapd/jW)

** Aus: junge Welt, Mittwoch, 4. April 2012


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