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Absage aus Bogotá

Kolumbien verweigert Waffenstillstand. FARC greifen wieder zu den Waffen

Von Santiago Baez *

Die kolumbianische FARC-Guerilla hat ihren Ende November für zwei Monate ausgerufenen einseitigen Waffenstillstand nicht verlängert. Man kehre »schweren Herzens in den Kriegszustand zurück«, zitierte die Nachrichtenagentur AFP am Montag den Verhandlungsführer der FARC bei den Gesprächen in Havanna, Iván Márquez. In einem offiziellen Kommuniqué hatte die Vertretung der Guerilla zuvor gefordert, ein tatsächlicher Frieden müsse das Ergebnis umfassender Vereinbarungen sein, die von den Aufständischen, der Regierung und der Zivilbevölkerung ausgehandelt werden müsse. Zudem müsse sichergestellt werden, daß etwaige Ergebnisse nicht von »verrückten Einfällen« künftiger Regime wieder in Frage gestellt werden können. Der sicherste Weg zum Frieden sei deshalb die Wahl einer Nationalen Verfassunggebenden Versammlung für Kolumbien, so die Delegation. Zugleich lobten die Vertreter der Guerilla jedoch Staatschef Juan Manuel Santos, daß dieser die Einhaltung der 60tägigen einseitigen Waffenruhe anerkannt habe. Diese sei befolgt worden, obwohl der kolumbianische Staat eine ununterbrochene Militäroffensive gegen die Camps der Aufständischen durchgeführt habe. Santos hatte erklärt, die FARC hätten ihren Waffenstillstand »relativ eingehalten«. Es habe zwar Aktionen gegeben, es sei aber nicht zu beziffern, welche davon »offensiv oder defensiv« gewesen seien.

So hatten die Regierungstruppen am Silvestertag ein Lager der Guerilla im Westen Kolumbiens bombardiert. »Als handele es sich um eine Fußballübertragung, wandte sich Präsident Santos an die Medien, um darüber zu berichten, daß die Truppen bislang 14 Leichen von Guerilleros gefunden haben«, kritisierte die alternative kolumbianische Nachrichtenagentur ANNCOL das Vorgehen des Regimes, das seinerseits eine Waffenruhe abgelehnt hatte. »Wieder konnten die Kolumbianer die Drohungen gegen die Aufständischen hören, mit denen in der kubanischen Hauptstadt gleichzeitig Friedensgespräche geführt werden.«

Die FARC-Delegation in Havanna hatte in ihrer Erklärung, die am Sonntag (Ortszeit) den Medien übergeben wurde, den Frieden als ein Recht und eine zu erfüllende Pflicht bezeichnet. Deshalb sei es nicht hinnehmbar, daß Vertreter sozialer Organisationen, die in der kubanischen Hauptstadt das Gespräch mit den Vertretern der Guerilla suchten, von Bogotá mit juristischer Verfolgung bedroht würden. »Niemand kommt nach Havanna, um über Krieg zu sprechen. Die Menschen kommen, um über den Frieden und eine politische Lösung des sozialen und bewaffneten Konflikts zu diskutieren, und befolgen damit einen gerechten Auftrag der Verfassung und ihres Gewissens.« In Kolumbien sei ein »neuer Gesellschaftsvertrag« nötig, um die Grundlagen des Konflikts zu beseitigen.

Demgegenüber erklärte Staatschef Santos nach Beratungen mit seinem Sicherheitsstab, die Regierungstruppen würden ihre Offensive gegen die Guerilla »mit allen Mitteln« fortsetzen. Zwar habe es in den vergangenen Wochen einen deutlichen Rückgang der Aktivitäten der Aufständischen und deshalb auch weniger tote und verletzte Soldaten und Polizisten gegeben, doch man sei auf Aktionen der FARC nach dem Ende der Waffenruhe vorbereitet.

Die Guerilla und die kolumbianische Regierung verhandeln seit dem vergangenen Herbst in Havanna über eine dauerhafte Friedenslösung. Dazu hat es auch in Kolumbien selbst inzwischen mehrere Diskussionsveranstaltungen gegeben, bei denen soziale Organisationen unter anderem die Frage einer Bodenreform behandelt hatten. Die Guerilla beteiligte sich selbst an diesen legalen Aktivitäten zwar nicht, zeigte sich jedoch aufgeschlossen für die Ergebnisse der Beratungen. Nach Angaben der kolumbianischen Regierung gehören den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens derzeit rund 9200 Kämpfer an. Hinzu kommen die Angehörigen der zweitgrößten Guerillaorganisation ELN, die ebenfalls mehrere tausend Aufständische in ihren Reihen hat.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 22. Januar 2013


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