Land im Fokus des Staates?
Die Anwältin Judith Maldonado setzt sich für Bauern in Kolumbien ein
Judith Maldonado Mujica ist Direktorin des Anwaltkollektivs Luis Carlos Pérez aus Bucaramanga (Kolumbien).
Welchen Stellenwert hat das Problem der Landnahme in Kolumbien?
Unser Anwaltkollektiv ist in erster Linie im Nordwesten Kolumbiens tätig und dort gibt es eine ganze
Reihe von Landkonflikten. Wir vertreten nicht nur indigene Gemeinden, sondern auch Bauern, die
gewaltsam von ihrem Land vertrieben wurden, bei ihrem Kampf für die Rückkehr. Das ist aber alles
andere als einfach. So fordern die indigenen Gemeinden, die in zwei kleinen geschützten Bereichen,
den »resguardos«, leben, das Recht ein, in ihrem traditionellen Siedlungsraum zu leben. Dafür
wollen sie einen kollektiven Landtitel erhalten – eine Forderung, die von den staatlichen Stellen
bisher nicht anerkannt wird.
Wie steht es mit den Landrechten der Bauern, die in den letzten zehn Jahren von Paramilitärs
vertrieben wurden?
Diese Bauern leben seit rund sechzig Jahren in der Region. Sie haben die Böden bestellt und ein
Gewohnheitsrecht, aber keine schriftlichen Landtitel. Die Bauern haben sich darauf geeinigt, sich in
Schutzzonen mit kollektiven Landtiteln zusammenzuschließen.
Warum der Zusammenschluss, fühlen sich die Bauern bedroht?
Ja, denn es gibt einen Agrarkonflikt von immensen Ausmaßen in der Region. Die Investoren, die in
der Region von Catatumbo Steinkohle im offenen Tagebau und in großem Stil fördern wollen, stehen
Schlange. Allerdings steht die Region, wo gefördert werden soll, unter Naturschutz. Darüber hinaus
liegt ein Teil davon im indigenen Schutzgebiet und ein weiterer in einem Naturpark. Obendrein soll
Kolumbien laut der neuen Regierungsstrategie bis 2019 zu einem Bergbauland werden. Damit sind
weitere Landkonflikte verbunden, wie die Konzessionsanträge bereits zeigen, die eben auch in den
Gebieten von indigenen, afro-kolumbianischen Gemeinden oder in Schutzgebieten liegen. Der
Bergbau ist zu einer großen Bedrohung für die Landwirtschaft und die Gemeinden auf dem Land
geworden.
Das heißt, der Bergbau hat Priorität und alles andere ist nachrangig?
Exakt, die Ausplünderung der natürlichen Ressourcen ist offizielles Regierungsprogramm. Der Staat
reißt sich das nationale Territorium im nationalen Interesse unter den Nagel und gibt es an
Investoren und Unternehmer weiter.
Aber setzt er sich damit nicht über nationales Recht hinweg?
Ja, denn derselbe Staat hat schließlich die Territorien der indigenen und afro-kolumbianischen
Gemeinden anerkannt, die Naturparks und Schutzgebiete eingerichtet. Aber nun ist der Staat auf
Bitte der Investoren dabei, diese Rechte wieder aufzuheben. Das ist genau das, was derzeit in
Catatumbo passiert, und die Betroffenen sind bei diesen Gesprächen ausgeschlossen.
Das verstößt doch aber gegen internationale Konventionen wie das Übereinkommen 169 der
Internationalen Arbeitsorganisation zum Schutz indigener Völker ...
Ja, natürlich, aber Kolumbien hat viele Konventionen unterzeichnet, die de facto keine Relevanz
haben; Kolumbien ist ein Land der Widersprüche.
Sie kämpfen im Auftrag von Bauern und indigenen Gemeinden gegen diese institutionalisierte
Landnahme in der Region von Catatumbo. Anfang August wurde Ihre Kanzlei angegriffen ...
Wir glauben, dass dieser Angriff und auch die Drohanrufe vom März dieses Jahres im direkten
Zusammenhang mit den Landkonflikten und unserer Arbeit dazu stehen.
Fragen: Knut Henkel
* Aus: Neues Deutschland, 26. November 2010
Zurück zur Kolumbien-Seite
Zurück zur Homepage