Zwischen Krieg und Frieden
Kolumbianische Regierung verlängert Angebot für "entmilitarisierte Zone"
In der Nacht zum 13. Januar betrachtete der kolumbianische Präsident Pastrana den Friedensprozess für gescheitert, falls die Rebellenorganisation FARC nicht binnen 48 Stunden (also bis zum 15. Januar) eine Waffenruhe ausrufen und die Sicherheitszone im Süden des Landes verlassen würden. Einen 14-Punkte-Kompromissplan der FARC hatte er zuvor abgelehnt. Wir dokumentieren einen aktuellen Bericht aus der jungen welt.
Um sechs Tage hat der kolumbianische Präsident Andrés
Pastrana das Bestehen der sogenannten entmilitarisierten
Zone im Süden des Landes verlängert, die von der
FARC-Guerilla kontrolliert wird. Das wurde in der Nacht zum
Dienstag bekannt, kurze Zeit, nachdem ein 48stündiges
Ultimatum Pastranas ausgelaufen war. Der Schritt ist auf die
Bemühungen des UN-Sondergesandten James Lemoyne und
den massiven Druck der Nachbarstaaten zurückzuführen.
Besonders Venezuela fürchtet eine Eskalation des
bewaffneten Konfliktes.
Pastrana kündigte in einer Stellungnahme an, daß bis zum
Ende dieser neuen Frist ein Waffenstillstand ausgehandelt
werden müßte, auch sollte sich die FARC verbindlich von
offensiven Taktiken und Geiselnahmen lossagen. Die Gruppe
hatte sich dazu bereits Ende vergangener Woche in einem
Kommuniqué bereiterklärt, das der der Konservativen Partei
angehörende Präsident jedoch als »nicht ausreichend«
bezeichnete.
Die Verhandlungen zwischen den FARC und der Regierung
Pastrana drohen nach fast drei Jahren seit Anfang dieses
Monats zu scheitern, weil die Forderungen beider Seiten kaum
vereinbar sind. Während die FARC, wie auch die zweite
Guerilla-Organisation »Nationales Befreiungsheer« (ELN),
tiefgreifende soziale Reformen fordert, legt die Regierung auf
»technische Abkommen« wie einen Waffenstillstand wert. Die
Guerillagruppen wollen einem solchen Schritt aber eine
Strategie des Staates gegen die paramilitärischen Banden
vorausgehen sehen.
Eine solche Forderung hat eine Delegation der
kolumbianischen Regierung in den Verhandlungen mit der
ELN-Guerilla in Havanna aber erst zu Wochenbeginn als
»Erpressung« zurückgewiesen. Die ELN hatte gedroht, die
Verhandlungen abzubrechen, wenn sich die Regierung weiter
weigert, eine internationale Beobachtergruppe zu nominieren,
mit deren Hilfe die zunehmende Bedrohung der
Zivilbevölkerung durch paramilitärische Einheiten in der Region
Catatumbo untersucht wird.
(Die Frankfurter Rundschau meldete am 14. Januar, Regierung und ELN hätten sich am 12. Januar auf einen Friedensgipfel am 30./31. Januar in Kuba geeinigt. Daran sollten auch die Partnerstaaten für den Friedensprozess teilnehmen: Kuba, Spanien, Frankreich, Norwegen und die Schweiz. Anm.: Pst)
Die Verhandlungen mit beiden Gruppen hängen am seidenen
Faden. Offensichtlich will Andrés Pastrana mit der neuen
harten Linie gegen die Guerilla, die Drohungen mit einem
Militärschlag einschließt, im laufenden
Präsidentschaftswahlkampf punkten. Auch der Gegenkandidat
von der Liberalen Partei, Horacio Serpa, will zwar stärkeren
Druck auf die Guerilla ausüben, hat aber – auch im Hinblick auf
seine internationalen Gönner wie die deutsche
Friedrich-Ebert-Stiftung – eine Fortführung des
Friedensprozesses versprochen. Nach einer Umfrage der
Tageszeitung El Espectador sprechen sich zwischen 80 und 90
Prozent der Leser dieser Zeitung für einen Abbruch der
Gespräche mit den Aufständischen aus. Neben der sozialen
Kluft, auch zwischen ländlichem und städtischem Gebiet, ist
dies ein Ergebnis erfolgreicher Medienkampagnen gegen eine
politische Beteiligung der Guerilla nach Beilegung des
bewaffneten Konflikts.
Die Gespräche mit den FARC sollen nun unter verstärkter
internationaler Aufsicht weitergeführt werden. Die Gruppe der
»befreundeten Staaten« besteht aus zehn Ländern. Ihr
gehören neben Kanada, Kuba, Spanien und Frankreich auch
Italien, Mexiko, Norwegen, Schweden, die Schweiz und
Venezuela an.
Harald Neuber
Aus: junge welt, 16. Januar 2001
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