Der kolumbianische Sonderweg
Zur Anatomie eines Bürgerkriegs
Von Stefan Schmalz*
Kolumbien ist ein Land, in dem es seit geraumer Zeit beinahe jeden Monat
einen ganz kleinen „11. September“ gibt. Der Beginn dieser neuen heißen
Phase des nunmehr seit über 40 Jahre andauernden bewaffneten Konflikts
lässt sich genau datieren. Mit der Aufkündigung des Friedensprozesses zwischen
der Guerillaorganisation FARC-EP (Fuerzas Armadas Revolucionarias
de Colombia – Ejército del Pueblo) und dem kolumbianischen Staat durch die
Regierung Pastrana (1998-2002) setzte im Februar 2002 die Eskalation des
Konfliktes ein. Die im August 2002 vereidigte Regierung Uribe verfolgte
seitdem eine militärische Lösung der Auseinandersetzungen und damit einen
noch härteren Konfrontationskurs. Die Guerilla antwortete darauf mit einem
umfassenden Strategiewechsel – der Operationsweise als Terrornetzwerk in
den Städten.
Auch wenn die gegenwärtige Zuspitzung der Situation durchaus eine neue
Qualität besitzt, sind die Wurzeln der Schwierigkeiten in der Geschichte des
Landes zu suchen. Es gilt demnach zu klären, warum ausgerechnet Kolumbien
in eine Spirale von Gewalt geriet und so zum lateinamerikanischen
„worst case-Szenario“ (Boris 2001: 149) wurde. Im Verlauf solch einer Untersuchung
sind ohne Zweifel einige gewichtige Ursachen auszumachen, die
Kolumbien auf einen lateinamerikanischen Sonderweg drängten.
Historische Wurzeln des bewaffneten Konflikts
Als erster Grund für diese Entwicklung ist das traditionelle Zweiparteiensystem
(bipartidismo) zu nennen. Die Konservative und Liberale Partei entstanden bereits
in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts. Zwar war Kolumbien als territorialer
Raum und administratives Gebiet infolge der Unabhängigkeitskriege de
facto schon existent, doch die Konsolidierung des Nationalstaats erfolgte, wie in
den meisten südamerikanischen Ländern, erst in den 80er Jahren. Somit waren
beide Parteien vor der Festigung des Staatsapparats präsent. Dies führte dazu,
dass die Herausbildung von intermediären, zivilgesellschaftlichen Strukturen
durch die Existenz der beiden Machtblöcke behindert und die Parteizugehörigkeit
meist nicht durch freie Wahl, sondern qua Geburt bestimmt wurde. Der Einfluss
der traditionellen Parteien setzte sich ungemindert bis heute fort und schlug
sich, um in Raul Zeliks (1999, 49) Worten zu sprechen, in einer „vertikalen
Spaltung der Gesellschaft“ nieder. Diese Problematik zog eine weitgehende
Kriminalisierung sämtlicher Versuche neuer sozialer Gruppen, innerhalb des legalen
politischen Systems zu arbeiten, nach sich.
Eng verbunden mit dem Zweiparteiensystem war eine spezielle konservative
Hegemoniestruktur, die von 1884 bis 1928 andauerte und die Entwicklung
des Landes tiefgreifend prägte.(1) 1886 rezentralisierte die konservative Regierung
Núńez mit einer neuen Verfassung die kolumbianische Verwaltung. In
diesem Festigungsprozess des Staates nahm die katholische Kirche eine besondere
Rolle als Stabilisator wahr. Der Kirche wurde das Bildungsmonopol
übertragen und der Katholizismus zur Staatsreligion des Landes, die kirchliche
Macht demzufolge restauriert.
Die Epoche konservativer Hegemonie um die Jahrhundertwende unterscheidet
sich demnach in zwei Punkten von der überwiegenden Mehrzahl anderer
lateinamerikanischer Staaten. In den meisten Ländern herrschte eine liberale
Hegemonie vor, und die Armee diente als Stabilisator für den institutionellen
Zusammenhalt des Landes. Als Konsequenz dieser kolumbianischen Eigenart
ist die Schwäche der Armee und die Instabilität der politischen Situation nach
dem Zusammenbruch dieser Struktur von Bedeutung.
Ein weiterer wichtiger Punkt für die Sonderentwicklung Kolumbiens besteht
in der geografischen Isolation des Landes. Kolumbien ist durch drei Kordillerenketten
und zwei Flüsse, den Rio Magdalena und den Rio Cauca, viergeteilt
(vgl. Gou¸set 1997). Die regionale Isolation verstärkte die ohnehin schon
starken Konflikte regionaler Machthaber und bot so die ideale Ausgangsbedingung
für eine Guerillastrategie. Außerdem hemmte die geografische Teilung
des Landes die Entwicklung eines tieferen Binnenmarkts und intensivierte
demzufolge die exportorientierte Wirtschaftsstruktur Kolumbiens.
Das liberale Wirtschaftsmodell des Landes übte ebenfalls einen bedeutenden
Einfluss auf die Genesis der kolumbianischen Gesellschaft aus. Während in
den meisten lateinamerikanischen Staaten nach dem Zusammenbruch des Import-
Export-Regimes im Zuge der Weltwirtschaftskrise 1929 eine neue auf
den Binnenmarkt orientierte Akkumulationsstrategie umgesetzt wurde, blieb
die kolumbianische Wirtschaft trotz der Entwicklung beachtlicher industrieller
Kapazitäten weiterhin auf die exportorientierten Sektoren wie den Kaffeeanbau
fixiert.
Die Hauptursache für diese ökonomische Entwicklung findet sich in dem
Fehlen eines populistischen Überbaus für eine veränderte Form der Kapitalakkumulation.
In den meisten lateinamerikanischen Staaten entstanden infolge
der Großen Depression populistische Bewegungen, denen es schließlich
gelang, den Staatsapparat zu besetzen, ein importsubstituierendes Industrialisierungsmodell
durchzusetzen und nicht zuletzt die urbanen Massen in das
politische System zu integrieren. Meist war die Ausgangsposition hierfür geprägt
von einer Phase der Instabilität. Keine der gesellschaftlichen Gruppen –
weder die alte exportorientierte Bourgeoisie, die industriellen Kapitalfraktionen, die neuen urbanen Massen noch die Landbevölkerung – war fähig, ein
neues hegemoniales Projekt für die Weiterentwicklung des Landes zu formulieren.
So waren oft eine Führergestalt und eine mehr oder minder institutionalisierte
Klassenallianz von Nutzen, „um die Massen zu manipulieren“ und
auf diese Weise das neue Industrialisierungsprojekt durchzusetzen, wobei jedoch
„die Manipulation niemals absolut war“ (Weffort 1998: 136).
Anders in Kolumbien. Zum gleichen Zeitpunkt, zu dem in Argentinien die Peronisten
(1947-1955) an die Macht gelangten und kurz nach der ersten Regierung
Getúlio Vargas (1937-1945), existierte hier eine linkspopulistische Bewegung,
die in ihren Bemühungen scheiterte, die Staatsmacht an sich zu reißen.
Aufgrund der Zweiparteienstruktur ging die gaitanistische Bewegung in
der Liberalen Partei auf, eine populistische Politik mit sozialistischen Zügen
verfolgend (vgl. Valencia 1998). Der Anführer der Bewegung, Jorge Eliécer
Gaitán, wurde am 9. April 1948 durch Handlanger der traditionellen Oligarchie
ermordet. Es kam zu einem Volksaufstand, dem bogotazo, nach dem die
gaitanistische Bewegung zerfiel und das gesamte Land in einem mehrjährigen
Blutbad versank, das heute nur noch unter dem Namen La Violencia (die Gewalt)
bekannt ist.
Infolgedessen gelang es in Kolumbien nicht, den Staat, „ein Beziehungsverhältnis
sozialer Kräfte“ (Poulantzas 1978: 128), soweit umzufunktionieren,
dass der Apparat als Forum für eine Klassenallianz diente. Die kolumbianische
Bourgeoisie monopolisierte die Staatsmacht weiterhin und nutzte die
Zweiparteienstruktur, um direkt politische Entscheidungen umzusetzen.
So bleibt zu konstatieren, dass die sozialen Strukturen Kolumbiens in den
Jahren nach dem zweiten Weltkrieg unangetastet blieben. Die extrem hohe
soziale Spaltung,(2) eine ausgeprägt ungleiche Landverteilung, eine dualistische
Wirtschaftsstruktur und das geschlossene politische System bot in den Folgejahren
den idealen Nährboden für die Entstehung der Guerillabewegung.
Die Entstehung der Guerillas
Die Phase der Violencia wurde erst durch ein Bündnis zwischen liberalen und
konservativen Kräften gestoppt. War es der vorangehenden Militärdiktatur
Rojas Pinillas (1953-57) gelungen, viele der liberalen Guerillas zur Demobilisierung
zu bewegen, wurden jetzt durch die Frente Nacional (1958-1974)
sämtliche politische Ämter zwischen beiden Parteien aufgeteilt, der Präsidentenposten
rotierte von nun an zwischen beiden Organisationen im Vierjahreszyklus.
Im Unterschied zu vergleichbaren Parteibündnissen, wie beispielsweise
dem Pacto de Punto Fijo in Venezuela, zeichnete sich die Frente Nacional
durch die politische Exklusion der gesamten Arbeiterklasse aus (vgl. Palacios
2001: 55-57).
Dieser ohnedies schon sehr bedeutsame Faktor vermischte sich mit einer ganzen Reihe von verschiedenen Einflüssen, die zur Entstehung einer Vielzahl
von Guerillas in den sechziger Jahren beitrugen. Neben dem Einfluss der kolumbianischen
„Neuen Linken“ auf die Politik des Landes, sollte hierbei vor
allem die Studentenbewegung Erwähnung finden. Insbesondere die Rolle des
Universitätspfarrers Camillo Torres war hier von hoher Bedeutung. Der radikale
Befreiungstheologe fungierte zunächst als Sprachrohr der Volksbewegung
Frente Unido del Pueblo und schloss sich später der ELN-Guerilla
(Ejército de la Liberación Nacional) an, um 1966 den Tod im bewaffneten
Kampf zu finden und so zu einem „kolumbianischen Che Guevara“ stilisiert
zu werden. Ein zusätzlicher Grund ist gewiss in der Radikalisierung vieler ehemals
liberaler Guerillas aus der Phase der Violencia zu sehen. Oft arbeiteten
diese Truppen zunächst als Bauernselbstverteidigungseinheiten, um sich später
zu politisieren. In diesem Kontext ist die Entstehung der FARC-EP einzuordnen.
Ein weiterer Radikalisierungsprozess fand innerhalb der Erdölarbeiterschaft
im Nordosten des Landes statt. Die Erdölarbeiter entfachten eine
Reihe von harten Arbeitskämpfen und stellten später einen Teil der sozialen
Basis der ELN dar. Von großer Bedeutung für die „Guerillawelle“ war auch
die Zunahme von sozialen Kämpfen im Agrarsektor.
Neben diesen internen Ursachen für den bewaffneten Konflikt existierten
auch einige externe Einflüsse, die die kolumbianische Situation prägten. Als
ein besonders auffälliges Ereignis ist hier die kubanische Revolution (1959)
zu nennen, die den möglichen Erfolg der Guerillastrategie anschaulich dokumentierte.
In ganz Lateinamerika sprossen nun Guerillas wie Pilze aus dem
Boden. Zusätzlich stellte der Ost-West-Konflikt eine günstige Ausgangsbedingung
für eine revolutionäre Strategie dar. Neben der Aussicht auf eine
„Zugehörigkeit“ im realsozialistischen Lager standen auch finanzielle Mittel
zur Verfügung. Der Führungsstreit zwischen der chinesischen und der sowjetrussischen
Regierung in der kommunistischen Bewegung zog ebenfalls Konsequenzen
nach sich. Die maoistische Strategie erschien für viele lateinamerikanische
Linke sehr viel attraktiver und führte so zur Multiplikation der Guerillabewegungen.
Insgesamt sind drei dieser Organisationen für die Politik Kolumbiens von
großer Bedeutung gewesen. Zwei der Guerillas existieren heute noch.(3)
Die FARC-EP können zurecht als die älteste Guerilla Lateinamerikas bezeichnet
werden. Nach der Attacke auf Marquetalia im Jahr 1964 aus Bauernselbstverteidigungseinheiten
entstanden, gründeten sich die FARC-EP 1982
als Volksarmee. Die politische Ausrichtung der Guerilla und deren Struktur
ist im Vergleich zu anderen Guerillaorganisationen eher ungewöhnlich. Die
FARC-EP verstehen sich als der bewaffnete Arm der marginalisierten kolumbianischen
KP und verfolgen eine bürgerlich-parteikommunistische Aussöhnung. Nach einer Phase der Stagnation wuchs die Organisation in den achtziger
Jahren auf über 3.000 Personen an und hat heute heute eine Anzahl von
mehr als 15.000 Kämpfern erreicht.
Die ELN weist eine vollständig verschiedene Zielsetzung und Struktur auf.
Als ideologisch von Kuba beeinflusste Gruppe handelt es sich bei der ELN
um eine klassisch guevaristische Guerilla. Dennoch machte die Organisation
nach einer harten militärischen Niederlage 1973 einen beeindruckenden
Strukturwandel durch. Die Organisationsstruktur der Partisanen wurde demokratisiert,
die ideologische Zielsetzung durch eine gramscianische Wende revidiert
und die Vorgehensweise beinahe verwissenschaftlicht. Die sich nunmehr
als politische Bewegung in Waffen betrachtende, heutzutage schätzungsweise
5.000 Personen zählende Gruppe stützt sich weiterhin auf eine
ländliche soziale Basis im Nordosten des Landes und pflegt Kontakte zur
Erdölarbeiterschaft.
Eine weitere in den 70er und 80er Jahren sehr einflussreiche Guerilla stellte
die M-19 dar. Nach einem Wahlbetrug an dem nationalistischen Mitte-Links-
Bündnis ANAPO im Jahr 1970 entstanden, konnte die M-19 nicht nur als einzige
Guerillaorganisation mit einer städtischen Basis aufwarten, die bis weit
in die Mittelschichten hineinreichte, sondern machte auch immer wieder
durch spektakuläre Aktionen auf sich aufmerksam. Bei der politischen Ausrichtung
der Aufstandsbewegung handelte es sich um eine linkspopulistische
Ideologie, die mit der Orientierung der uruguayanischen Tupamaros vergleichbar
war. Nach einer verlustreichen Besetzungsaktion im November
1985 demobilisierte sich die M-19, um 1991 einen kläglich gescheiterten Versuch
zu unternehmen, die Zweiparteienstruktur des Landes aufzubrechen.
In der Entstehung der Guerillabewegung kann die Hauptkonfliktachse der
bewaffneten Auseinandersetzung in Kolumbien ausgemacht werden. Wenngleich
keine der Gruppen fähig war, in den Folgejahren die Machtfrage zu
stellen, muss festgehalten werden, dass die Präsenz der Partisanentruppen die
Oligarchie unter Druck setzte. Das politische System Kolumbiens blieb jedoch
auch nach der Frente Nacional weitgehend intakt. Weiterhin monopolisierten
Liberale und Konservative Partei den Zugang zur staatlichen Macht. In
den achtziger Jahren sollten sich jedoch mit dem Paramilitarismus und dem
Drogenhandel zwei neue Faktoren herausbilden, die den kolumbianischen
Konflikt maßgeblich beeinflussten und für die Eskalation des Bürgerkriegs
mit verantwortlich waren.
Paramilitarismus und Drogenhandel
In der kolumbianischen Linken ist es zum Allgemeinplatz geworden, die Vorgehensweise
paramilitärischer Einheiten mit einem Zitat Mao Tse-tungs zu
veranschaulichen. Um die Guerilla, die sich im Volk wie der Fisch im Wasser
bewege, wirksam zu bekämpfen, müsse der Staat dafür sorgen, dass das Wasser
ausgetrocknet wird. Im Klartext: Die soziale Basis der Guerilla muss
zerstört bzw. soweit umkonfiguriert werden, dass die Guerilla an Bewegungsfreiheit verliert. Dies ist die Aufgabe der Todesschwadronen. Bei dem
Paramilitarismus handelt es sich daher keineswegs um einen entstaatlichten
Krieg (zur Entstaatlichungsthese vgl. Mary Kaldor), sondern vielmehr um eine
in sich widersprüchliche Form des „Outsourcings“ von Militäroperationen
durch einen überlasteten Staat (hierzu. Zelik 2002).
Am kolumbianischen Beispiel lässt sich diese Feststellung verdeutlichen.
Schon das Pilotprojekt im Jahr 1981 weist darauf hin. Unterstützt von einer
Allianz aus Viehzüchtern, multinationalen Unternehmen und der Armee wurde
im kleinen Dorf San Juan Bosco de la Verde in Magdalena Medio – Gewerkschaftsbastion
und zugleich Operationsgebiet von FARC-EP und ELN –
mit dem Training erster Einheiten begonnen. Die von dem kolumbianischen
Armeegeneral Farouk Yanine Díaz auf einem Texaco-Firmengelände ausgebildeten
Truppen breiteten sich innerhalb kürzester Zeit auf das ganze Gebiet
um den Rio Magdalena aus, bis sie sich schließlich fast im gesamten Land
festsetzten. Ihre Operationen, Morde an linken Oppositionellen, regelmäßige
Massaker an der Zivilbevölkerung und Attacken gegen Guerillas, wurden
meist von der Armee geduldet, oft gab es Fälle von Zusammenarbeit. So trug
der Paramilitarismus nicht nur zur Verschärfung des Konfliktes bei, sondern
führte auch infolge der immer undurchschaubareren Auseinandersetzungen
zur schrittweisen Entpolitisierung der kolumbianischen Gesellschaft. Heute
sind die ultrarechten Todesschwadronen in der Dachorganisation AUC (Autodefensas
Unidas de Colombia) organisiert, zählen über 10.000 Personen,
werden von dem Warlord Carlos Castańo angeführt und befinden sich in
Friedensverhandlungen mit der Regierung Uribe.
Die Entstehung der kolumbianischen Drogenindustrie ist mit einem Paradoxon
verbunden. Obwohl in den Andenländern Peru und Bolivien eigentlich
potentere Kokapflanzen wachsen und der Anbau schon seit Jahrhunderten
von den dort lebenden Indios betrieben wird, hat sich die Hauptindustrie zur
Verarbeitung der Kokapaste in Kolumbien angesiedelt. Diese Entwicklung
hat ihre Wurzeln in einem Bündel an Ursachen. Bedeutsam waren einerseits
alte Schmugglerringe, die nach dem Marihuanaboom der frühen 70er Jahre
erste Erfahrungen im Drogengeschäft sammeln konnten. Zum anderen bot der
Bürgerkrieg einen geeigneten Nährboden für den Handel. Nicht nur, dass der
überlastete kolumbianische Staatsapparat nicht fähig war, dem Drogenhandel
im territorial zersplitterten Kolumbien Einhalt zu gebieten, auch waren die
vielen kolumbianischen Einwanderer in die USA ohne weiteres in der Lage,
ihre kubanischen Konkurrenten mit brutaler Gewalt auszuschalten und weltweite
Distributionsnetzwerke aufzubauen.
In den achtziger Jahren bildeten sich zwei Drogenkartelle (Calí und Medellín),
die zwischenzeitlich den Handel monopolisierten. Der gesellschaftliche
Einfluss des Drogengeschäfts war verheerend. Die Ausführung der Konkurrenzkämpfe
im illegalen Markt erfolgt meist mittels Gewalt, die Folge des
Business bestand in einer Verschärfung des Bürgerkriegs. Es wurde möglich,
jugendliche Auftragskiller (sicarios) zum Billigpreis anzuheuern. Die Versuche des Medellín-Kartells, eine eigene soziale Basis aufzubauen, führten zur
Eskalation des Drogenkriegs und es bildeten sich Verknüpfungen zwischen
dem Drogenhandel und den bewaffneten Gruppen heraus, die zur Reproduktion
des Krieges beitrugen.(4)
Die Zeit der großen Drogenkartelle endete in den frühen neunziger Jahren.
Nach der Zerschlagung des Medellín- (1993) und des Calí-Kartells (1995)
begann sich der Drogenmarkt aufzufächern. Dennoch bleibt festzuhalten, dass
der immense Einfluss der kolumbianischen Drogenbourgeoisie bis heute anhält.
Ihre politische Strategie, systematische Korruption sowie Abkommen
mit den bewaffneten Gruppen, intensivierten und verkomplizierten den Bürgerkrieg.
Komplettrestauration und erneuter Crash
In den achtziger Jahren befand sich das kolumbianischen Zweiparteiensystem
in einer schwierigen Lage. Die Eskalation des bewaffneten Konflikts und die
lateinamerikanische Schuldenkrise 1982 führten zu Verhandlungsversuchen
zwischen Staat und Guerilla. Nach einem gescheiterten Friedensprozess unter
der Regierung Betancur (1982-86), der in einem Massenmord an über 3.000
Funktionären der FARC-EP nahen Partei Unión Partriótica endete, wirkten
der Zusammenbruch des Ostblocks und die Schwäche der M-19 als Katalysator
für ein neues Demobilisierungsprojekt, mit dem sogar eine Verfassungsgebende
Versammlung verbunden war. Die Umgestaltung von Verfassungen
war im lateinamerikanischen Raum zu diesem Zeitpunkt keineswegs eine Besonderheit,
sondern erfolgte vielmehr im Rahmen eines großen Umwälzungsprozesses
in der Konstruktion nationaler Identität in Lateinamerika (vgl. Gros
2000). Dennoch waren die Verfassungsänderungen oftmals Teil neoliberaler
Projekte, die zwar neue Rechte für die indigenen Minderheiten gewährten,
aber sich meist durch die Dezentralisierung des Staates und eine harte neoklassische
wirtschaftspolitische Konnotation auszeichneten. Ähnlich in Kolumbien.
In das Verfassungsprojekt von 1991 wurden zunächst große Hoffnungen
gesetzt, die aber schnell verrauchten. Die Zielsetzung zur Demobilisierung
der M-19, die Konstituierung einer dritten politischen Kraft, wurde
nicht erreicht. Einmal mehr fand ein linker Präsidentschaftskandidat den Tod
im Kugelhagel. Stattdessen ging mit dem Verfassungsprojekt eine Komplettrestauration
des verstaubten Zweiparteienregimes einher. Die zweite liberale
Regierung Gaviria nutzte diesen Legitimitätsgewinn für harte neoliberale Reformen.
Aus dieser Perspektive betrachtet, hatte die Nachfolgeregierung Samper
(1994-1998) eine denkbar günstige Ausgangsposition. Dem ungeachtet
schaffte es die liberale Administration, innerhalb kürzester Zeit das restaurierte
Parteiensystem zu ruinieren. Eine Spendenaffäre, in der nachgewiesen
wurde, dass Samper Gelder aus dem Drogengeschäft für seinen Wahlkampf
bezogen hatte, untergrub die Zuversicht der Bevölkerung. Gleichzeitig begannen
die FARC-EP, finanziert durch Drogengelder und durch ein Heer von
neuen Freiwilligen gestärkt – ein direktes Ergebnis der neoliberalen Reformen
–, ihre Methode umzustellen. Die klassische Guerillataktik wurde durch direkte
Attacken gegen Militärbasen ergänzt.(5)
Friedensprozess und Plan Colombia
An dieser Stelle setzte eine weitergehende, internationale Strategie ein, die oft
mit dem Namen Plan Colombia tituliert wird. Ausgangsbedingung für dieses
Projekt war die Einsicht der US-Administration, dass ein militärisches Eingreifen
in Kolumbien notwendig wurde, um die eigenen Interessen auf dem
lateinamerikanischen Subkontinent abzusichern.
Zunächst galt es die Lage zu stabilisieren. 1998 sehnte sich die kolumbianische
Bevölkerung nach Frieden. Dieser Wunsch führte zur widersprüchlichen
Situation, dass im selben Jahr der Frieden zum Hauptthema des Wahlkampfes
gemacht wurde und eine Art Wettlauf beider Kandidaten um die besten Kontakte
zur Guerilla begann. Der Konservative Andrés Pastrana ging als Sieger
aus dem Urnengang hervor und begann am 7.1.1999 Friedensverhandlungen
mit den Guerillas. Den FARC-EP wurde eine feste entmilitarisierte Zone in
Größe der Schweiz zugestanden. Die Wünsche der militärisch schwächeren
ELN fanden jedoch keine Berücksichtigung und so wurden die Gespräche mit
der Organisation bereits am 16. Februar abgebrochen.
Gleichzeitig kam der Plan Colombia ins Spiel. Das am 21.9.1999 vorgestellte
Projekt existierte bereits zwei Tage vor dem Beginn der Friedensverhandlungen
und beinhaltete eine klare Ausrichtung in Richtung einer militärischen
Lösung des Konflikts, eine harte neoliberale Wirtschaftspolitik und eine gewaltsame
Lösung des Drogenproblems (vgl. Álvarez 2002). Bei diesem mit
über 7 Milliarden Dollar finanzierten Plan handelt es sich um ein geostrategisches
Großprojekt.
Die plötzliche Aufmerksamkeit für das Andenland speist sich vor allem aus
vier Motiven. Zunächst herrscht in der US-Regierung große Sorge vor einer
möglichen kubanisch-venezolanisch-kolumbianischen „Achse des Bösen“.
Gerade die Außenpolitik der venezolanischen Regierung Chávez kann als offene
Oppositionshaltung gewertet werden und greift verschiedene Megaprojekte
in der Region an.
Diese Megaprojekte gruppieren sich um die geplante gesamtamerikanische
Freihandelszone ALCA (Área de Libre Comercio de las Américas). Das Abkommen
soll im Jahr 2005 in Kraft treten und würde den Neoliberalismus gesetzlich
als wirtschaftpolitische Doktrin Lateinamerikas festschreiben. Kolumbien
spielt in diesem Projekt eine wichtige Rolle. Das Land erscheint infolge
seiner geografischen Lage als Drehscheibe. Sämtliche Landtransportwege
zwischen Nord- und Südamerika passieren Kolumbien. Der Kordillerenstaat
besitzt Grenzen zu fünf Staaten und als einziges südamerikanisches
Land Zugang zum Pazifischen und Atlantischen Ozean.
Zudem gibt es in Kolumbien viele Rohstoffvorkommen, die teilweise wegen
der Guerillaaktivitäten noch nicht erschlossen sind. Neben den beachtlichen
Erdölvorkommen und der Smaragdförderung im Nordosten des Landes sind
auch Steinkohlelagerstätten von gewissem Rang.
Darüber hinaus ist Kolumbien nach Brasilien das Land mit der zweithöchsten
Biodiversität der Welt. Die beträchtliche Artenvielfalt der Region hat daher eine
neue Bedeutung als Ressourcenquelle für die junge Gentechnikindustrie erlangt.
Innerhalb dieser Interessenkonstellation kam der inzwischen zur Iniciativa
Regional Andina (Regionale Andeninitiative) ausgeweitete Plan Colombia ins
Rollen. Die Friedensverhandlungen waren infolge der Abneigung der Regierung,
die soziale Frage zu verhandeln, ins Stocken geraten und im Hintergrund
brauten sich die ersten Anzeichen einer schleichenden US-Invasion zusammen.(6) Schließlich wurde ab Herbst 2001 immer offener von einem Ende
der Friedensverhandlungen gesprochen und am 21. Februar begann mit der
Attacke auf die entmilitarisierte Zone die neue heiße Phase des Bürgerkriegs.
Die Bilanz der Regierung Pastrana kann demzufolge in knappen Worten dargestellt
werden. Denn: Die konservative Regierung tat genau das Gegenteil
dessen, wofür sie gewählt wurde. Dennoch wurde dies nicht unbedingt so
wahrgenommen, vielmehr lastete man das Scheitern des Friedensprozesses oft
einseitig der Guerilla an. Die gesellschaftliche Stimmung schlug um. Wollten
die städtischen Mittelschichten, oftmals Königsmacher in den Wahlen, 1998
den Frieden, hatten sie sich nun mit dem Gedanken angefreundet, den Konflikt
mit militärischer Gewalt zu lösen. Hiervon zeugten die Präsidentschaftswahlen
im April 2002. Die Bevölkerung ersehnte einen Krieger, der auszieht,
um die Guerilla zu besiegen, und bekam ihn mit Álvaro Uribe Vélez präsentiert.
Der formal unabhängige Kandidat wurde von vielen Seiten unterstützt. Die
Konservative Partei rang sich nach einem Wahldebakel im März 2002 dazu
durch, ihren Präsidentschaftskandidaten zurückzuziehen und begann Uribe zu
unterstützen. Darüber hinaus waren die Kongresswahlen bereits von einem
gewaltigen Skandal begleitet worden. Es wurde immer offensichtlicher, dass
Paramilitärs ihren Einfluss nutzten, um ihnen wohlgesonnene Kandidaten im
Kongress zu positionieren. Diese Parlamentarier betrachteten den Newcomer
als ihren Mann. Die Massenmedien steuerten ebenfalls ihren Beitrag zu. Neben
sehr positiver Berichterstattung stellte die größte Tageszeitung des Landes
(El Tiempo) mit Francisco Santos den neuen Vizepräsidenten. Zuletzt ist
zu erwähnen, dass Uribe von Teilen der traditionellen Oligarchie und der
multinationalen Unternehmen hofiert wurde. Der kometenhafte Aufstieg des
Hardliners endete mit einem fulminanten Wahlsieg. Uribe gewann im ersten
Wahlgang mit 53,1 Prozent der Stimmen.
Die Regierung Uribe
Schon die Amtsübernahme der neuen Regierung zeugte von der Zuspitzung
des Krieges. Am 7. August wurde der Palacio de Narińo, der Ort der Vereidigung,
mit Raketen beschossen, es folgte die Verhängung des Ausnahmezustandes,
der erst durch das Verfassungsgericht zum 31.4.03 beendet wurde.
Die Uribe-Regierung begann schnell mit ihrer Arbeit. Innerhalb kürzester Zeit
verabschiedete man per Dekret ein Bündel von Reformen, das später in modifizierter
Form Kongress und Senat passieren sollte. Diese Gesetzesvorhaben
hatten eine klare Stoßrichtung: neoliberale Wirtschaftsreformen bei Einschränkung
der Bürgerrechte und gleichzeitiger Forcierung der Kriegsdynamik.
Eine neue Reform des Arbeitsrechts flexibilisierte den Arbeitstag und
kürzte die Zuschläge für Sonntagsarbeit zusammen. Eine Steuerreform erhöhte
die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel und einfache Konsumgüter
und die neue Rentenreform sieht die Verlängerung der Lebensarbeitszeit
vor (vgl. Revista „La Caja de la Pandora”: 105-115).
Parallel hierzu wurde mit der Einführung eines Spitzelnetzes von einer Millionen
Personen und der Legalisierung der Überwachung der Mobiltelefone eine
sicherheitspolitische Offensive gestartet, die eine gravierende Einschränkung
der Bürgerrechte darstellt. Indes nahm die Uribe-Regierung im November
2002 Friedensverhandlungen mit den AUC auf, die im Juli diesen Jahres
zu einem vorläufigen Ergebnis führten. Die Todesschwadronen sollen sich bis
Ende des Jahres 2005 auflösen.(7) Die ultrakonservative Administration stieß
sogar mit der Installation einer Bauernarmee in der Stärke von 15.000 Soldaten
eine Hintertür zur Legalisierung der Paramilitärs auf.
Die gesamte Politik wurde von einem populistischen Diskurs begleitet. Die
Uribe-Regierung setzte auf eine neokorporatistische Propaganda, die sich in
dem Schlagwort des Estado comunitario (kommunitaristischer Staat) und einer
Vielzahl von Uribe besuchten Regionalforen widerspiegelte und eine Reform
des Justizwesens nach sich zog. Das gegenwärtige zentrale Projekt der
uribistas besteht in einem Referendum, das im Oktober diesen Jahres zur Abstimmung
stehen wird. Es soll die Reformen vertiefen und sieht beispielsweise
zweijährige Nullrunden im öffentlichen Sektor ohne Inflationsausgleich
vor.
Die Reaktion der Bevölkerung war zunächst äußerst positiv. Neben dem arbeitswütigen
Regierungsstil des neuen Regierungschefs begrüßten große Teile
der Staatsbürger das harte militärische Vorgehen gegen die Guerilla und
nahmen die Einschnitte in die Bürgerrechte und die neoliberalen Reformen als
notwendiges, vorübergehendes Übel hin. Dessen ungeachtet entflammten einige,
meist auf traditionelle Konfliktregionen begrenzte Arbeitskämpfe, denen
mit Repression bzw. Verboten begegnet wurde. Allgemein kann also konstatiert
werden, dass die ersten hundert Tage der Uribe-Regierung, von dem überwiegenden
Teil der Bevölkerung als erfolgreich bewertet wurden. Das Gesicht
des Hardliners blickte dem Leser in der konservativen Wochenzeitschrift
Semana (Edición No. 1076) am Ende des Jahres mit der Überschrift „Der
Mann des Jahres“ entgegen.
Die FARC-EP begannen abermals ihre Taktik umzustellen. Zum Einen traten
nun Operationen in den Städten in den Vordergrund. Die Guerilla wandelte
sich in ein urbanes Terrornetzwerk um. Es startete eine nicht mehr abreißende
Kette von Anschlägen in den Metropolen, in denen die Aufständischen durch
die Land-Stadt-Migration zunehmend an sozialer Basis gewonnen hatten.
Zum Anderen verfolgten die Freischärler nun die Strategie einer systematischen
Destabilisierung des politischen Systems in ihren Kernregionen. Drohungen
und Entführungen von Kommunalpolitikern wurden Alltag. Der Strategiewechsel
gewann bereits kurz nach dem Scheitern des Friedensprozesses
an Gewicht und beschleunigte sich in der Uribeamtszeit, sodass die Konfliktlage
immer aussichtsloser wurde. Neben der totalen Eskalation auf dem Land
verschärfte sich nun auch der urbane Konflikt.
Auswege aus dem Krieg
Der französische Lateinamerikaspezialist Jean Michel Blanquer hat in einem
Interview die Ansicht vertreten, dass die Uriberegierung „ein positives Element
für das Entstehen einer echten Linken“ (La Revista de El Espectador:
11) sein könnte. Mutete diese Prognose zunächst arg optimistisch an, können
mittlerweile erste Aufweichungsprozesse in der positiven Haltung der Bevölkerung
zum uribismo ausgemacht werden. Zwar gelang es der Uriberegierung,
einige wichtige Transportrouten in der Region abzusichern, aber die
jüngste Terrorwelle unterminierte das Vertrauen in den Präsidenten. Wenn
demnach in nächster Zeit keine spektakulären militärischen Erfolge errungen
werden, besteht die Möglichkeit, dass der Diskurs der neuen Regierung ins
Leere läuft. Das Referendumsprojekt wird dabei zentral für den weiteren Verlauf der Politik des Landes sein. Es existiert eine Gegenbewegung, die sich
um die linksgerichtete Frente Social y Político (FSP) gruppiert und zur aktiven
Enthaltung aufruft. Es besteht folglich die Möglichkeit, dass das Referendum
scheitert. Außerdem wird der ehemalige Präsidentschaftskandidaten der
FSP, Luis Eduardo Garzón, für die Bürgermeisterwahlen in der Metropole
Bogotá kandidieren. (vgl. Semana: Edición 1091). Ihm werden gute Chancen
für einen Sieg zugerechnet.(8)
Folglich sind alternative politische Kräfte vorhanden, die zur Formulierung
eines gegenhegemonialen Projekts fähig sein könnten. Es bleibt jedoch abzuwarten,
wie die kolumbianische Bourgeoisie auf diese Versuche reagieren
wird und ob die FSP den Aufgaben eines sozialen Projekts in einem Entwicklungsland
und eines erfolgreichen Friedensprozesses gewachsen sein wird.
Dennoch bleibt ein Problem bestehen, das wohl nur durch den Eingriff von
außen gelöst werden kann. Solange der Drogenhandel eine wichtige Stellung
im kolumbianischen Außenhandel einnimmt und so die im illegalen Markt
ausgetragenen gewaltsamen Auseinandersetzungen das Land weiter in Atem
halten, wird es schwer sein, eine Abzweigung vom kolumbianischen Sonderweg
zu finden. Hierzu stellte der Politikwissenschaftler Luis Alberto Restrepo
(2001: 338) die entscheidende Frage: „Ist es nicht an der Zeit, die Drogen zu
legalisieren?“
Fußnoten-
Die konservative Hegemonie in Kolumbien wurde lediglich durch den 1000tägigen Krieg
(1899 – 1902) zwischen rivalisierenden liberalen und konservativen Caudillos unterbrochen
und endet mit dem Massaker an den Bananenpflanzern in Urabá am 6.12.1928. Die darauffolgende
Phase liberaler Hegemonie entstand im Schatten der Weltwirtschaftskrise und war mit
einer kurzfristigen Einbindung der Arbeiterklasse in das politische System verbunden.
-
Der Weltbankbericht 2003 ordnet Kolumbien mit einem Gini-Koeffizienten von 57.1 als Land
mit der siebthöchsten sozialen Spaltung der Welt ein (vgl. Banco Mundial 2003).
-
Gewiss könnte auch der 1967 entstandenen maoistischen EPL (Ejército Popular de Liberación)
als vierter Guerilla eine hohe Bedeutung in der Politik zugeordnet werden. 1990-91 demobilisierte sich ein Großteil der Guerilla, um von nun an als paramilitärische Söldner die Bananenpflanzer in Urabá zu terrorisieren.
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Hierzu eine Anmerkung: Über den Geschäftsverbindungen zwischen Paramilitärs und Drogenhandel
ist sicherlich kein Zweifel vorhanden. Bei der Bewertung der Verbindungen zwischen
Guerilla und Drogengeschäft gestaltet sich die Interpretation allerdings etwas schwieriger.
Laut einer Studie von Rensselaer W. Lee III (zit. nach Thoumi 2002, 134) bezogen die FARCEP
1997 ca. 70% ihrer Gelder aus dem Drogengeschäft, überwiegend jedoch aus der Besteuerung
des Drogenanbaus in ihren Gebieten und nicht aus dem direkten Handel mit Drogen. Die
ELN deckte hingegen lediglich 8% ihres Finanzbedarfs durch Drogengelder ab. Auch wenn
somit Verbindungen zwischen der FARC-EP und dem Drogenhandel keineswegs bestritten
werden sollten, erscheint die Titulierung der Organisation als narcoguerrilla, die sämtliche ihrer Ideale verloren habe, dennoch als fragwürdig, gerade weil die Führungsspitze der FARCEP
erstaunliche personelle Kontinuitäten aufweist und die Organisation ihre marxistischleninistische Ausrichtung weiterhin beibehalten hat.
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Als Gipfelpunkt dieses Strategiewechsels kann der Angriff der FARC auf den Militärstützpunkt
Las Delicias im Juli 1998 bezeichnet werden. Bei den Gefechten wurden 70 Soldaten
der Armee getötet, eine ähnliche hohe Anzahl an Soldaten gefangengenommen und das Lager
vollkommen zerstört.
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Im Rahmen des us-amerikanischen „Krieges gegen die Drogen“ wurden neben knapp 400 Militärberaten und US-Marines mehrere Dutzend Kampfhubschrauber ins Land gebracht.
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Es ist jedoch ein offenes Geheimnis, dass schon jetzt Teile der AUC unter anderem Namen weiter operieren.
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Die Kandidatur von „Lucho“ Garcón ist mit einem größeren politischen Projekt verbunden.
Mit dem Polo Democrático Indepediente (PDI) soll eine neue linke Partei entstehen, die an die
Stelle des eher lockeren Bündnis der FSP treten könnte. Es bleibt jedoch abzuwarten, auf welche Resonanz das Vorhaben stoßen wird. Und ob sich nahmhafte linke Politiker wie Carlos
Gaviria, Wilson Borja und Alexander López daran beteiligen werden.
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Thoumi, Franciso E. (2002) El imperio de las drogas. Narcotráfico, economía y sociedad en Los
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Zelik, Raul (2002): Drogen, Söldner und Konzerne, in: konkret 7/2002, S. 34-37.
* Stefan Schmalz, Bogota, Kolumbien. Student der Politikwissenschaft
Dieser Beitrag erschien in: Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung, Nr. 55, September 2003
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