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"Was macht ihr auf der Straße? Habt ihr euren Sarg etwa schon gekauft?"

Terre des hommes dokumentiert Mordserie an Kindern und Jugendlichen in Kolumbien

Im Folgenden dokumentieren wir einige neue Dokumente, mit denen terre des hommes auf die erschreckenden Zustände in Kolumbien aufmerksam macht: Es geht um die zunehmende Gewalt, die insbesondere an Kindern und Jugendlichen verübt wird.



Erneut Morde an Jugendlichen in Cazucá im Jahre 2005

  • Ermordet: Michael Aranda Díaz (14 Jahre)
  • Omar Erminson Hernández Martínez (16 Jahre)
  • Versuchter Mord an Javier Vargas (19 Jahre)
Alle drei Jugendlichen wohnten im Viertel El Oasis/Altos de Cazucá in der Gemeinde Soacha, einem Vorort von Bogotá.

Am 11. Mai gegen 19.30 Uhr patrouillierten fünf schwer bewaffnete Männer in Zivil (mehrere Zeugen sagten aus, es seien Paramilitärs gewesen) durch die Straßen des Viertels und zwangen alle Passanten, sich auszuweisen. Zwei der Männer drangen in ein Ladengeschäft ein, bedrohten und verletzten die drei anwesenden Jugendlichen mit Macheten. Anschließend drängten die Bewaffneten die Jugendlichen auf die Straße, zwangen sie, sich auf die Straße zu legen und schossen auf sie. Zwei von ihnen waren sofort tot, der Dritte überlebte schwer verletzt.

Kurze Zeit vorher hatten – laut Zeugenaussagen – Paramilitärs mehrere Schulen der Gemeinde aufgesucht und Schulleiter aufgefordert, die Jugendlichen davor zu warnen, sich nach 20.00 Uhr auf der Straße aufzuhalten.


terre des hommes: Projektunterstützung in Altos de Cazucá, Bogotá

terre des hommes fördert seit vielen Jahren in Bogotá Hilfsmaßnahmen für gewaltvertriebene Familien. Die terre des hommes-Projektpartner FEDES und Taller de Vida beraten Neuankömmlinge, für die Kinder werden Kindergarten- und Schulplätze besorgt, es gibt kostenlose Gesundheitsberatung und Freizeitangebote. Den Vertriebenen wird geholfen, neue Einkommensmöglichkeiten zu finden und die Lebensbedingungen im Viertel zu verbessern.

Das Viertel Altos de Cazucá liegt in Soacha, einer Vorstadt der kolumbianischen Hauptstadt Bogota. Tausende Familien, die aus den Konfliktgebieten in den ländlichen Regionen des Landes vertrieben wurden, haben sich hierher geflüchtet. Doch die bewaffneten Gruppen - insbesondere die paramilitärischen AUC - sind mittlerweile auch im Viertel Altos de Cazucá aktiv. Hier herrschen sie mit brutaler Gewalt, der in den letzten Jahren mehr als 300 Jugendliche zum Opfer gefallen sind. Immer wieder kommt es zu Massakern, die die bewaffneten Gruppen verharmosend als »Limpeza Social« (soziale Säuberung) bezeichnen. Nachfolgend finden Sie Hintergrundmaterial zur Situation in Altos des Cazuca (Soacha) sowie eine Petition an den kolumbianischen Präsidenten.



»Was macht ihr auf der Straße? Habt ihr euren Sarg etwa schon gekauft?«

Hintergründe zur Mordserie in Soacha/ Kolumbien sowie Ergebnisse einer Untersuchungen

Soacha liegt im Süden von Bogotá. Die Stadt wächst seit Jahren explosionsartig. Lebten in den 80er Jahren etwa 100.000 Menschen in den vier Gemeinden Soachas, ergab die letzte Zählung aus dem Jahr 2003 360.000 Einwohner. Viele Bewohner sind Kleinbauern, die wegen des Krieges vom Lande vertrieben wurden. Die meisten kamen hierher auf der Suche nach Sicherheit und Arbeit. Doch diese Erwartung wird oftmals aufgrund der mangelnden Arbeitsmöglichkeiten und durch die Gewalt bewaffneter Gruppen, die Angst und Schrecken verbreiten, enttäuscht.

In Kolumbien zählen Menschen zwischen 18 und 34 Jahre zu der Gruppe, die am stärksten mit der Gewalt konfrontiert wird. Sowohl die meisten Täter wie auch Opfer der Mordserien stammen aus dieser Altersgruppe. Die Stadt Soacha hat eine besonders hohe Mordrate. Die Gewalt konzentriert sich in den ärmsten Vierteln. Fast nie werden die Täter gefasst.

Erklärungsversuch der Regierung: »Drogensüchtige Jugendliche ermorden sich gegenseitig.«

Regierung und Polizei geben an, dass die systematischen Morde an Jugendlichen in den Städten auf »Vendetta« (Blutrache), gewöhnliche Jugend-Kriminalität und Bandenkriege zurückzuführen seien. Die Erklärung für diese Phänome ist – laut kolumbianischer Regierung - die prekäre soziale Situation der Jugendlichen: Arbeitslosigkeit, die Zerstörung der Familien, der Mangel an Lebensperspektive u.a. seien ursächlich für das gewalttätige Verhalten verantwortlich. Diese Analyse dient der Polizei als Rechtfertigung für ihre Untätigkeit bei der Strafverfolgung, schließlich könne sie nur wenig unternehmen, um die Morde zu verhindern oder zumindest ihre Zahl zu verringern.

Außerdem soll nach Regierungsaussagen die Kriminalitätsrate in Soacha im kolumbianischen Vergleich nicht besonders hoch sein. Die wichtigsten Probleme in der Zone seien hingegen die innerfamiliäre Gewalt und der Mangel an Nahrungsmitteln. Zudem teilte die Staatsanwaltschaft bei einer Anhörung im kolumbianischen Kongress über die Mordserie in Altos de Cazucá am 19.08.04 mit, dass die meisten Opfer der Morde bereits als Drogenabhängige, Arbeitslose und mutmaßliche Diebe auffällig geworden seien.



Petition an den kolumbianischen Präsidenten

Stoppt die Morde an Kindern und Jugendlichen
Recht auf Leben für alle Menschen in Altos de Cazucá

Hiermit protestiere ich gegen die fortgesetzten Morde in den Vertriebenensiedlungen in Bogotá und der Nachbarstadt Soacha, insbesondere in den Vierteln Altos de Cazucá und Ciudad Bolivar. Ihnen fielen seit 2001 bereits mehr als 250 Jugendliche zum Opfer. Verantwortlich dafür sind paramilitärische Gruppen, die ihren Terror »soziale Säuberung« (Limpieza Social) nennen. Das Vorgehen der Mörder in aller Öffentlichkeit und die Kontinuität der Gräueltaten zeigen, dass es den Behörden an Willen mangelt, der Mordserie ein Ende zu bereiten.

Es ist kein Zufall, dass die durch Gewalt innerhalb Kolumbiens Vertriebenen besonders betroffen sind. Sie müssen vor Morddrohungen, Massakern und der drohenden Zwangsrekrutierung ihrer Kinder fliehen oder werden von ihrem Land verjagt. Doch sie werden nicht als Opfer des Bürgerkriegs behandelt, die Anspruch auf besonderen Schutz haben. Im Gegenteil: Sie werden stigmatisiert, diskriminiert und bleiben den Angriffen der bewaffneten Gruppen schutzlos ausgesetzt. Mit dieser Praxis verstößt der kolumbianische Staat gegen von ihm eingegangene internationale Verpflichtungen, aber auch gegen seine eigenen Gesetze.

Ich fordere die kolumbianische Regierung und besonders den Präsidenten der Republik Kolumbien, Álvaro Uribe Vélez, auf:
Verhindern Sie weitere Morde in Altos de Cazucá, Soacha und Ciudad Bolivar.
  • Veranlassen Sie alle Maßnahmen, damit die Justiz die Mörder der 250 Jugendlichen und deren Komplizen verfolgen und verurteilen kann. Beenden Sie die Straflosigkeit, um weiteren Morden in den Armenvierteln vorzubeugen.
  • Treten Sie öffentlich gegen die Straflosigkeit und für die Interessen der Bürgerkriegsopfer ein, auch bei der vorgesehenen Demobilisierung irregulärer bewaffneter Gruppen.
  • Sorgen Sie dafür, dass die internen Vertriebenen als Kriegsopfer behandelt werden und ihre vollen Rechte als kolumbianische Staatsbürger ausüben können.
  • Schützen Sie die Familien der Mordopfer vor Drohungen und erneuter Vertreibung.


Es ist üblich, dass die Opfer der »soziale Säuberung« (Limpieza Social) genannten Mordanschläge nicht nur in den Medien, sondern auch direkt von der Regierung als Drogenabhängige und gefährliche Agenten mit krimineller Vorgeschichte dargestellt werden. Auf diese Weise relativiert und verharmlost man die Verbrechen, unterschwellig werden sie sogar gerechtfertigt. Die meisten Jugendlichen, die als Vertriebene in Soacha leben, sind arbeitslos oder verfügen nur über ein niedriges Einkommen. Sie haben auch nicht die Möglichkeit, einen Schulabschluss oder eine Ausbildung zu machen. Statt sie als gesellschaftliche Opfer des kolumbianischen Konflikts zu begreifen, werden sie von offizieller Stelle als Bedrohung dargestellt. Für die Öffentlichkeit soll der Eindruck erweckt werden, mit der Ermordung dieser »gefährlichen Elemente« würde die Sicherheit gewährleistet.

Das wahre Soacha

Eine jetzt vorliegende Untersuchung, in der auch die Ergebnisse der Gerichtsmedizin ausgewertet wurden, kommt allerdings zu einem ganz anderen Bild: Soacha hat eine extrem hohe Kriminalitätsrate. Die meisten der Opfer sind keine Drogensüchtigen, sondern gut integrierte Jugendliche, die sich in der Schule und in gesellschaftlichen Gruppen engagieren. Die meisten von ihnen waren in keiner Weise auffällig. Im Gegenteil: Sie halten sich bewusst fern von den bewaffneten Gruppen.

Erschreckender ist die Tatsache, dass unter diesen Jugendlichen die größte Zahl der Opfer zu finden ist und die Täter kaum eine strafrechtliche Verfolgung zu befürchten haben. Damit werden die Täter zu weiteren Taten ermutigt und die Bewohner des Viertels demoralisiert. Die blutige Praxis der so genannten »sozialen Säuberungen« wurde in den Jahren 2004 und zu Beginn des Jahres 2005 fortgesetzt. Details der Soacha-Analyse

Um ein besseres Verständnis für die Hintergründe der Morde an Jugendlichen zu erhalten, wurde der Zeitraum 1999 bis 2003 analysiert. Grundlage der Untersuchung ist eine empirische Datenbank der Universität Externado de Colombia, die vom INMLCF (Nationales Institut für Gerichtsmedizin) bereitgestellte Daten ausgewertet hat. Erst wenn die Regierung diese aussagekräftigen Analysen ernst nimmt, wird die Entwicklung effektiverer Präventionsstrategien und -maßnahmen zur Reduktion der Morde möglich. Kurzfassung der Forschungsergebnisse

Extrem hohe Kriminalitätsrate

Das Risiko, Opfer eines Mordes zu werden, ist für Jungen in Soacha viermal größer als im Rest des Landes. Damit hat der Ort eine extrem hohe Kriminalitätsrate, selbst im Kontext des bewaffneten Konflikts Kolumbiens. Aber auch innerhalb der vier Kommunen Soachas verteilen sich die Morde nicht gleichmäßig, sondern konzentrieren sich hauptsächlich auf die Kommunen 1 und 4 (Altos de Cazucá gehört zur Kommune 4, dort haben 78 (ca. 24%) der 319 analysierten Morde stattgefunden).

Zahl der Morde verdoppelt, Opfer werden immer jünger

Von 1999 bis 2003 verdoppelte sich die Zahl der ermordeten Jugendlichen, dabei wurden die Opfer immer jünger: Ende der 90er Jahre waren zehn Prozent aller Ermordeten Jugendliche unter 18 Jahren. Nach der Jahrtausendwende stieg die Zahl auf 22% Prozent. Auffallend ist auch die Veränderung hinsichtlich des Durchschnittsalters der Opfer: 1999 lag es bei 20, 2003 bei 19 Jahren. Diese negative Entwicklung zeigt, dass die Sicherheitsprogramme der Regierung in Soacha sehr ineffektiv und sogar kontraproduktiv sind. Die bisher angewandten Methoden habe sich als ungeeignet erwiesen und müssen geändert werden.

Mordgeschehen verlagert sich ins Stadtgebiet

Die Morde finden zunehmend im Stadtgebiet Soacha statt, im ländlichen Umfeld nehmen sie ab. Das Eindringen von paramilitärischen Gruppen in den städtischen Raum Soacha ist dabei eine ausschlaggebende Variable. Die Zunahme der Morde könnte mit ihrer Vorherrschaft zu tun haben. Diese Veränderung könnte ein Indiz sein, um Täter und Motive der Verbrechen identifizieren zu können. Die Polizei sollte diesen Befund zum Anlass nehmen, über die wirklichen Bedrohungen der Sicherheit in Soacha nachzudenken.

Mordopfer hatten bessere Ausbildung als der Rest der Bevölkerung

Im Vergleich zur durchschnittlichen jugendlichen Bevölkerung hatten die Opfer der Gewalttaten ein höheres Bildungsniveau. Im Gegensatz zur vorherrschenden öffentlichen Meinung kann man anhand der Daten feststellen, dass das typische Opfer der »sozialen Säuberungen« sozial engagierte Jugendliche mit guter Schulausbildung waren, oft standen sie kurz vor dem Abschluss. Die Behauptung, dass die Opfer gefährliche Asoziale gewesen seien, wird durch die empirischen Befunde entkräftet. Diese Erkenntnis wirft drängende Fragen auf: Welche Kriterien gelten wirklich für die »Limpieza Social«? Wem nutzt sie?

Morde nicht nur am Wochenende

Die Morde finden nicht ausschließlich am Wochenende statt, sondern nun auch verstärkt an normalen Wochentagen. Die Massaker können daher nicht weiter (verharmlosend) auf Bandenkriege zurückgeführt werden, denn diese finden in der Regel vor oder nach Parties statt. Durch toxikologische Untersuchungen konnte festgestellt werden, dass nur ein kleiner Teil der Opfer drogenabhängig war (in 319 registrierten Fällen wurde in 30 Marihuana/Haschischkonsum und in 43 Kokainkonsum nachgewiesen. Der Blutalkoholspiegel war bei 47% der Opfer negativ.)

Die systematischen Morde an Jugendlichen haben also viel tiefere Ursachen. Die Regierung ist aufgefordert, die Daten über die Mordumstände gründlich zu analysieren und der komplexen Situation in Soacha Rechnung zu tragen. Es ist notwendig, das wahre Ziel der »Limpieza Social« zu ermitteln und die Motive der Täter aufzuklären. Wieso werden ausgerechnet Jugendlichen in Soacha systematisch ermordet? Warum trifft es so viele gut ausgebildete Jugendliche, die sich für eine bessere und friedliche Zukunft einsetzen und sich fernhalten von bewaffneten Gruppen? Warum sind besonders Kinder von Vertriebenen besonders gefährdet?

Die Analyse legt folgenden Verdacht nahe: Für die bewaffneten Gruppen sind Jugendliche in Elendsvierteln wie Altos de Cazucá für die Rekrutierung neuer Kämpfer besonders wichtig. Einerseits bringen sie die körperlichen Voraussetzungen mit, andererseits sind sie auf Grund der schwierigen Lebensumstände anfällig für Indoktrination und finanzielle Verlockungen.

Wer sich aber nicht in den bewaffneten Konflikt hineinziehen lassen will, macht sich verdächtig. In Altos de Cazucá haben die paramilitärischen Gruppen die Macht. Jeder, der sich verweigert, gilt als Guerillero bzw. Guerillaanhänger und wird damit zum »militärischen Ziel«: Wer sich dem Krieg verweigert, wird als Feind vernichtet.

Fazit

Kolumbianische Regierung, Polizei und Militär müssen die Analyse der Universidad Externado de Colombia ernst nehmen und ihre eigene Wahrnehmung der Probleme in Soacha (und den angrenzenden Vierteln Bogotás, wie z. B. Ciudad Bolivar) korrigieren. Dies gilt auch für das Büro des kolumbianischen Menschenrechtsbeauftragten (Defensoria del Pueblo), das zwar von der Regierung die Ergreifung der notwendigen Maßnahmen für die Unterbringung und Betreuung der internen Vertriebenen in Soacha forderte, zu den alarmierenden Morden an Jugendlichen aber bisher schwieg. Die »sozialen Säuberungen« sind aber ein gravierendes Problem.

»Was macht ihr auf der Straße? Habt ihr euren Sarg etwa schon gekauft?«

Dieser Spruch wird oft von Polizisten in Altos de Cazucá gegen Jugendliche gerichtet. Aber – Jugendliche haben das Recht, sich auf der Straße zu treffen. Sie dürfen nicht per se als Bedrohung für die öffentliche Sicherheit behandelt oder gar bedroht werden. Die Vorgehensweise der Polizei ihnen gegenüber ist grundsätzlich zu verändern, gemeinsam mit der Bevölkerung sind die wirklichen Bedrohungsfaktoren aufzudecken. Zusammenarbeit mit der Bevölkerung ist notwendig und die Bereitschaft, ihr zuzuhören, um ihre Bedürfnisse und Ängste wirklich verstehen zu können.

Deutsche Bearbeitung und Zusammenfassung: Andreas Rister, terre des hommes Deutschland e.V



Fallbeispiele aus dem Jahre 2004

Donnerstag, 19. August 2004, Altos de Cazucá

In Altos de Cazucá in der Peripherie Bogotás sind sechs Jugendliche auf dem Weg durch das Viertel. Sie wollen Backzutaten für eine Bäckerei besorgen, in der zwei von ihnen arbeiten. Gegen 20.50 Uhr treffen sie auf vier schwer bewaffnete Männer.

Sie bekommen Angst, laufen davon. Zwei können entkommen und sich retten. Die anderen vier werden eingeholt. Sie müssen sich auf den Boden legen und werden mit Kopfschüssen ermordet: Mario Andres Rodríguez Macías (20), William Rivas Pino (15), Jaime Leon García (16) und Carlos Andres Garzon Peña (20).

Donnerstag, 19. August 2004, Kongressgebäude in Bogotá

Nur drei Stunden vor den Morden endet im kolumbianischen Parlament eine Anhörung. Vertreter von Nichtregierungsorganisationen, Regierung, Polizei und Armee, aber auch der Einwohner der betroffenen Viertel hatten über die dramatische Situation in diesen besonders armen Teilen Bogotás beraten. Hier leben in erster Linie interne Vertriebene, Opfer des kolumbianischen Bürgerkriegs. Sie mussten ihre Heimatorte auf dem Land verlassen, um sich vor der Gewalt und der Zwangsrekrutierung ihrer Kinder in Sicherheit zu bringen. Paramilitärische Gruppen beherrschen diese Viertel. Jugendliche werden auf offener Straße ermordet. 244 Opfer wurden seit 2002 registriert, an diesem Abend kommen vier weitere dazu. Vertreter der kolumbianischen Staatsmacht behaupten, die Jugendlichen kämen in Bandenkriegen um. Eine kürzlich erschienene gerichtsmedizinische Studie belegt, dass nur eine Minderheit der Opfer Bandenmitglieder waren oder eine kriminelle Vorgeschichte hatten. Doch die kolumbianische Regierung ignoriert diese Studie und beharrt in der Anhörung darauf, die Situation unter Kontrolle zu haben.

Samstag, 16. Oktober 2004, Ciudad Bolivar

Das Morden geht weiter. Johnatan Jiménez (16), Ancízar Castro (17) und José Francisco Dávila (17) sind auf dem Weg zu einer Feier. Zwei Polizeimotorräder halten an, vier schwer bewaffnete Männer eröffnen sofort das Feuer auf die drei Jugendlichen. Zwei sterben auf der Stelle, der dritte wird schwer verletzt ins Krankenhaus eingeliefert, wo er eine Woche später ebenfalls stirbt.

Mittwoch, 9. Dezember, Altos de Cazucá

Miguel Angel Lozada Garzon (17) kehrt von einem Computerkurs nicht nach Hause zurück. Anderntags wird er gefesselt und mit Folterspuren tot aufgefunden. Seine Mutter – sie gehörte dem Frauennetzwerk von Altos de Cazucá an – war kurze Zeit vorher auf grausame Weise ermordet worden.




Quelle: Homepage von terre des hommes: www.tdh.de


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