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Uribe für immer?

Kolumbianischer Präsident strebt eine Verfassungsänderung für seine zweite Wiederwahl an

Von Benjamin Beutler *

In Kolumbien steht im Augenblick eine einzige Frage im Mittelpunkt der Politik: Kann Präsident Álvaro Uribe die nötige Verfassungsänderung für ein dritte Kandidatur um das höchste Amt im Staate durchsetzen? »Acht Jahre sind eine kurze Zeit für ein Land, das in 200 Jahren der Unabhängigkeit nur 47 Jahre des Friedens erlebte. Acht Jahre sind wenig Zeit, um die Sicherheit wiederherzustellen«, unterstrich der 57jährige jüngst in einem Interview mit Radio »La Z« seine Ambitionen. Auf die Frage nach dem Zweck einer zweiten Wiederwahl antwortete der aus Medellin stammende Konservative schlicht, es gelte »den Kurs zu halten«.

Doch hat der Hazienda-Bezitzer für die Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen am 30. Mai eine entscheidende Hürde zu nehmen. Im September 2009 hatte der Kongreß mit nur knapper Mehrheit (85 Ja-Stimmen, 84 waren nötig) und gegen den vehementen Protest der Oppositionspartei »Polo Democratico Alternativo« (PDA) zunächst ein Referendum beschlossen. Das Wahlvolk solle im März entscheiden, ob es eine Verfassungsänderung zwecks dritter Amtszeit Uribes wünscht. Doch fehlt dafür noch immer das grüne Licht vom Obersten Verfassungsgericht in Bogotá.

Wie das letzten Endes entschieden wird ist unklar. Für die Urteilsfindung haben die neun Richter noch bis zum 26. April Zeit. Mit einem Spruch rechnen Analysten jedoch schon Anfang März. Am 14. März ist Wahltermin für Senat und Abgeordnetenhaus. Die bestehende politische Blockade durch die aktuelle Rechtsunsicherheit soll bis dahin aufgebrochen sein. Doch zu wessen Gunsten? Mindestens drei Schöffen hat Uribe schon jetzt sicher auf seiner Seite. Bankenrechts-Experte Nilson Pinilla läßt keine Gelegenheit aus, um in Zeitungsinterviews für das Referendum zu werben und scheinheilig darauf zu verweisen, daß »die souveräne Macht im Willen des Volkes gründet«. Auch Jorge Pretelt äußert sich unverschlüsselt: »Ich werde auf keinen Fall gegen das Referendum stimmen«, so der Uribe-Günstling, der wie Pinilla laut Ex-Staatschef Andrés Pastrana vom Präsidenten persönlich in den obersten Richterstuhl gehievt wurde. Ein ebenfalls sicherer Kandidat ist Mauricio Gonzáles. Bis vor einem Jahr noch war der Karrierejurist und Ex-Innenminister Chef der Rechtsabteilung in Uribes Präsidialamt. Drei weitere Richter werden aus rechtlichen Gründen gegen eine Volksbefragung votieren, drei sind »unentschlossen«.

Ähnlich zwiespältig sieht die öffentliche Meinung den Uribe-Plan. Eine DATEXTO-Umfrage von Ende Januar zeigt, daß die Mehrheit der Kolumbianer gegen das Wiederwahl-Referendum ist. Sollte es jedoch stattfinden, würde eine Mehrheit einer Verfassungsänderung zugunsten Uribes zustimmen.

Die anhaltende Beliebtheit des Rechtskonservativen, der seit 2002 im Amt ist, erklärt der kolumbianische Historiker und Soziologe Camilo Useche: »Die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Probleme schreibt Alvaro Uribe allein der Guerilla zu. Es wird nicht gefragt, ob etwa Armut, Ungleichheit und Machtgier der Eliten zum bewaffneten Widerstand geführt haben könnten. Doch die Menschen in Kolumbien glauben ihm und sind überzeugt, daß mit der Niederlage der Guerilla alles gut sein wird«.

* Aus: junge Welt, 17. Februar 2010


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