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Eisiges Klima Kolumbien - Venezuela

Chávez friert diplomatische Beziehungen zum Nachbarland ein

Im Streit um mutmaßliche Waffenlieferungen an die linksgerichteten FARC-Rebellen hat Venezuela die diplomatischen Beziehungen zum Nachbarland Kolumbien auf Eis gelegt

Der venezolanische Staatschef Hugo Chávez hat am Dienstag (28. Juli) den venezolanischen Botschafter aus Bogotá abberufen und mit wirtschaftlichen Sanktionen gedroht. Die kolumbianische Regierung hatte sich beschwert, dass Waffen aus Venezuela in den Besitz der FARC-Rebellen gelangt seien.

Für die Vorwürfe aus Bogotá gebe es keine Beweise, sagte Chávez im Fernsehen. »Angesichts dieser neuen Aggression« habe er den venezolanischen Botschafter und das gesamte Botschaftspersonal aus Bogotá zurückgerufen. Bei der »nächsten Aggression« werde seine Regierung jegliche Beziehungen zu dem Nachbarland abbrechen, kündigte Chávez an. Venezuelas Präsident wies auf die Möglichkeit hin, kolumbianische Unternehmen in Venezuela zu enteignen. Außerdem werde sein Land Einfuhren aus Kolumbien durch Produkte aus anderen Ländern ersetzen. Venezuela sei nicht abhängig von Importen aus dem Nachbarland, sagte Chávez.

Bogotá hatte kürzlich auf diplomatischem Wege Beschwerde eingelegt wegen der behaupteten Lieferung von aus Schweden stammenden Anti-Panzer-Raketen an die kolumbianischen FARCRebellen. Chávez wies die Vorwürfe entschieden zurück: »Es ist vollkommen falsch, dass wir irgendeiner Guerilla-Gruppe, irgendeiner bewaffneten Bewegung Waffen geben.« Die Waffen seien möglicherweise geklaut oder originalgetreu nachgebaut worden.

Der venezolanische Außenminister Nicolas Madura sagte zu Schwedens Forderung nach einer Stellungnahme, sein Land werde »im geeigneten Augenblick« ausführlich auf »diese neue Lüge« reagieren. Die Beziehungen zwischen Bogota und Caracas sind ohnehin angespannt, weil Kolumbien der US-Armee die Nutzung von mindestens drei Militärstützpunkten auf seinem Gebiet erlaubt hatte.

Eiszeit à la Chávez

Von Martin Ling **

Die Männerfreundschaft ist wohl endgültig zerbrochen: Hugo Chávez hat seinen Botschafter aus Kolumbien abgezogen und seinem Präsidentenkollegen Álvaro Uribe den Fehdehandschuh hingeworfen. Wenn Kolumbiens Regierung mit ihren Anschuldigungen fortfahre, stünden die Handelsbeziehungen und die Enteignung kolumbianischen Eigentums in Venezuela zur Disposition. Chávez ist über Bogotá ernstlich vergrätzt und dessen letzter Vorwurf, Caracas habe die kolumbianische FARC-Guerilla mit Raketenwerfern versorgt, ist nur der berühmte Tropfen, der das Fass mal wieder zum Überlaufen gebracht hat.

Noch 2007 hatte Chávez offiziell für Uribe mit der FARC über Geiselfreilassungen verhandelt, dann entzog Uribe ihm das Mandat und aus der ungewöhnlichen Freundschaft zwischen dem Links- und dem Rechtsaußen der lateinamerikanischen Präsidentengilde entwickelte sich eine Feindschaft, in der selten Entspannungszeichen gesendet wurden.

Chávez brandmarkt Uribe inzwischen offen als »Handlanger des Imperialismus«. Grundlos ist das nicht. Mit dem aus Washington gesponserten Plan Colombia wird seit Jahren Kolumbien unter dem Deckmantel der Drogenbekämpfung militarisiert und zum zentralen Statthalter US-amerikanischer Interessen im Hinterhof ausgebaut. Und derzeit prüft Bogotá gar, US-Militärs den Zugang zu drei kolumbianischen Armee-Stützpunkten zu gewähren. Die ambivalente Haltung der Obama-Administration in der Causa Honduras tut ein Übriges, um Chávez in seinem Argwohn zu bestärken. Noch ist ein Kurswandel von Washington in Lateinamerika nicht sichtbar. Das Zeichen gegen Bogotá gilt nicht zuletzt Obama.

** Aus: Neues Deutschland, 30. Juli 2009 (Kommentar)




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