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Vertreibungen in Kolumbien?

Menschenrechtsaktivistin Alexandra Huck kritisiert Palmölproduzenten

Alexandra Huck ist Mitarbeiterin von kolko e.V. Der Verein setzt sich für die Wahrung der Menschenrechte in Kolumbien ein.



Heute überreichen Sie gemeinsam mit weiteren Menschenrechtsorganisationen und Hilfswerken der kolumbianischen Botschafterin in Berlin 10 000 Unterschriften gegen Landvertreibungen im Kontext der Palmölproduktion. Geht es um Einzelfälle?

Kolumbien ist nach dem Sudan das Land mit den meisten Binnenflüchtlingen weltweit. Vier Millionen Menschen sind in Kolumbien auf der Flucht und in aller Regel wurden sie von ihrem Land vertrieben.

Die im Norden Kolumbiens quasi zwangsenteigneten afrokolumbianischen Gemeinden pochen auf die Rückgabe ihres Landes. Wie verhält sich die Regierung in dem Konflikt mit den Palmölunternehmen?

Die Gemeinden am Curvaradó-Fluss und im Jiguamiandó-Flussbecken haben im Jahr 2000 von der kolumbianischen Landbehörde die kollektiven Landtitel erhalten. Doch diese stehen nur auf dem Papier. So gibt es zwar Weisungen zur Räumung der Plantagen, aber sie werden – oft unter fadenscheinigen Begründungen – nicht umgesetzt. Zudem sind weiterhin Paramilitärs in der Region unterwegs, die die Gemeinden massiv bedrohen. Auch die Armee hat schon Plantagen bewacht, was aus juristischer Perspektive kaum nachzuvollziehen ist.

In Kolumbien wird der Anbau von Ölpalmen massiv ausgeweitet. Wie verhält sich der nationale Verband der Palmölproduzenten, Fedepalma, zu der Kritik?

Der Ausbau der Palmölproduktion ist eine von Präsident Álvaro Uribe Vélez unterstützte Strategie, worauf sich auch der Verband der Palmölproduzenten beruft. In Bezug auf die Situation der Gemeinde im Chocó nahe der Grenze zu Panama heißt es immer, dass es sich nicht um Mitglieder des Verbandes handele. Zudem verweist Fedepalma darauf, dass man sich bemühe, nachhaltig zu produzieren. Dazu gehört aus unserer Perspektive allerdings auch die Auseinandersetzung mit derartigen Fällen. Erst im Juli sind 120 Familien von Kleinbauern auf Antrag von Mitgliedsunternehmen des Verbands von Landflächen vertrieben worden. Für diese Flächen bestanden jedoch Anträge auf Übernahme, und laut kolumbianischem Recht ist es illegal, in einem schwebenden Verfahren Landvertreibung zu dulden. Es wurde also Recht gebrochen, doch von Fedepalma ist nur zu hören, dass man die Lösung dieses Falls den Gerichten überlasse. Aus unserer Sicht macht es sich der Verband mit einer derartigen Position zu einfach.

Vor zwei Wochen warb Fedepalma in Berlin auf der ExpoKolumbien für vermehrte Palmölimporte aus Kolumbien. Sehen Sie die deutsche Regierung und potenzielle Investoren in der Verantwortung?

Eindeutig, denn es kann nicht sein, dass Palmöl, welches unter Verletzung von Menschenrechten produziert wird, in Deutschland zur Energieerzeugung und in der Kosmetikindustrie verwandt wird. Ich sehe die Bundesregierung in der Pflicht, für mehr Transparenz zu sorgen. Ein Importverbot könnte für den nötigen Druck sorgen.

Palmöl ist als alternativer Energieträger in Kolumbien sehr populär ...

Die Pläne zur Ausweitung der Produktion sind aus unserer Perspektive erschreckend, da immer wieder argumentiert wird, dass es in Kolumbien große Flächen an Brachland gebe. Warum gibt es dann aber so viele gewaltsame Vertreibungen? Wir befürchten, dass es zu vielen weiteren Landvertreibungen kommen könnte. Darüber hinaus ist die Palmölproduktion ökologisch bedenklich, sie steht in Konkurrenz zur Produktion von Nahrungsmitteln und gefährdet die letzten Flächen unberührten Regenwaldes.

Fragen: Knut Henkel

* Aus Neues Deutschland, 12. November 2009


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