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"Das Einkommen aus den Rohstoffen muss den Menschen selbst zugute kommen" (Walter Kolbow-SPD) - "Wir haben aber auch ein Interesse daran, dass die Rohstoffe auch von Ländern wie der Bundesrepublik Deutschland genutzt werden können" (Eckart von Klaeden (CDU/CSU)

So oder so: Beide Fraktionen stimmten - zusammen mit den Grünen - für den Kongoeinsatz der Bundeswehr - Die Bundestagsdebatte

Der Bundestag hat am 1. Juni 2006 mit großer Mehrheit einen neuerlichen Militäreinsatz im Ausland, diesmal im Kongo, beschlossen. Für den Antrag der Bundesregierung stimmten in namentlicher Abstimmung 440 Abgeordnete vor allem von CDU/CSU, SPD und Grünen. Es gab 135 Gegenstimmen (von Linksfraktion und FDP und einzelnen Abgeordneten anderer Fraktionen) und sechs Enthaltungen. Das deutsche Kontingent der EU-Militärmission, mit der nach offizieller Lesart die Wahlen im Kongo abgesichert werden sollen, umfasst bis zu 780 Soldaten. Kosten: 56 Mio. Euro.
Im Folgenden dokumentieren wir einen Auszug aus dem vorläufigen Bundestagsprotokoll vom 1. Juni, das die Kongo-Debatte enthält. Der Antrag der Bundesregierung, um den es geht, befindet sich hier: Bundestags-Drucksache 16/1507 (pdf-Datei).



   Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 3 a und 3 b auf:

a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) zu dem Antrag der Bundesregierung

Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Operation EUFOR RD CONGO zur zeitlich befristeten Unterstützung der Friedensmission MONUC der Vereinten Nationen während des Wahlprozesses in der Demokratischen Republik Kongo auf Grundlage der Resolution 1671 (2006) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 25. April 2006

- Drucksache 16/1507 -

aa) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss)

- Drucksache 16/1649 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Bernd Schmidbauer
Brunhilde Irber
Dr. Werner Hoyer
Dr. Norman Paech
Kerstin Müller (Köln)

bb) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung

- Drucksache 16/1698 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Jürgen Koppelin
Herbert Frankenhauser
Lothar Mark
Michael Leutert
Alexander Bonde

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Dr. Norman Paech, Monika Knoche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN zu dem Antrag der Bundesregierung

Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Operation EUFOR RD CONGO zur zeitlich befristeten Unterstützung der Friedensmission MONUC der Vereinten Nationen während des Wahlprozesses in der Demokratischen Republik Kongo auf Grundlage der Resolution 1671 (2006) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 25. April 2006

- Drucksachen 16/1507, 16/1522, 16/1650 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Bernd Schmidbauer
Brunhilde Irber
Dr. Werner Hoyer
Dr. Norman Paech
Kerstin Müller (Köln)

   Zu dem Antrag der Bundesregierung liegen mehrere Entschließungsanträge vor. Über die Beschlussempfehlung zum Antrag der Bundesregierung werden wir später namentlich abstimmen.

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

   Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner das Wort unserem Kollegen Walter Kolbow von der SPD-Fraktion.

Walter Kolbow (SPD):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dieser Woche stehen im Deutschen Bundestag die Mandatierungen von drei Bundeswehreinsätzen an: die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes im Kosovo, AMIS im Sudan und die Entsendung von Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten in den Kongo.

   Ich denke, es ist richtig, darauf hinzuweisen, dass das vereinfachte Verfahren gemäß Parlamentsbeteiligungsgesetz bei AMIS, dem sich diesmal auch die Fraktion Die Linke angeschlossen hat, und die knappe Redezeit von 30 Minuten beim Kosovomandat nicht darüber hinwegtäuschen dürfen, dass es sich hierbei, wie beim Kongomandat, um ernsthafte Entscheidungen handelt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Trotzdem wiegt die Beschlussfassung zur Kongomission besonders schwer, handelt es sich doch um den ersten Einsatz von Bodentruppen der Bundeswehr in Afrika seit Somalia.

   Für die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr hatte es stets eine besondere Bedeutung, dass der Deutsche Bundestag fraktionsübergreifend und mit großer Mehrheit, wenn möglich, den Einsätzen zugestimmt hat. Es wäre gut, wenn dies auch heute der Fall ist. Meine Fraktion wird ihren Beitrag dazu leisten, zumal zur Erarbeitung unserer Position im Spannungsfeld zwischen politischer Vorbereitung und verbindlicher Entscheidung hinreichend Zeit und schlussendlich die notwendigen Informationen und militärischen Expertisen zur Verfügung standen. Deshalb ist EUFOR in der Demokratischen Republik Kongo ein militärisches Mittel zum Erreichen des politischen Ziels der Stabilität dieses Landes.

   Der Krieg im Kongo hat für die Menschen unsägliches Leid und Tod gebracht. Im Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen weisen wir noch einmal auf die erschütternden Fakten dieses Krieges hin. Mit der heutigen Entscheidung des Bundestages wird ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem sich demokratisch und friedlich entwickelnden Kongo versucht und, ich denke, auch gegangen.

   Es ist in den vergangenen Wochen immer wieder auf die strategische Bedeutung des Kontinents Afrika und des Kongo hingewiesen worden. Ich will dies heute noch einmal hervorheben: Der Kongo ist das Schlüsselland für die Stabilisierung nicht nur der Region der Großen Seen. Präsident Mbeki sagt: �Der afrikanische Kontinent wird sich nur stabilisieren lassen, wenn es gelingt, den Kongo zu stabilisieren.� So wird die Möglichkeit zu einer friedvollen Entwicklung in der Demokratischen Republik Kongo nicht nur positive Auswirkungen für die Menschen dort, sondern auch darüber hinaus haben können. Die Interessenlagen der Afrikaner und der internationalen Gemeinschaft stehen dabei im Einklang.

   Aus unserer Sicht bedeutet dies: Deutschland hat ein sicherheitspolitisches Interesse an einer erfolgreichen Stabilisierung des Kongo nach dem Grundsatz der europäischen Sicherheitsstrategie. Wir müssen vor Ort die Probleme angehen, bevor die Probleme zu uns kommen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

   Die Vereinten Nationen sind seit 1999 mit ihrer größten Friedensmission im Kongo engagiert. Die MONUC hat generell die Aufgabe der Unterstützung und Koordinierung des politischen Übergangsprozesses. Im vergangenen Jahr hat MONUC dem Verfassungsreferendum im Kongo zum Erfolg verholfen. Die kongolesische Bevölkerung hat mit einer Zustimmung von 84 Prozent eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass ihr an einer friedlichen und demokratischen Entwicklung liegt. Im Übrigen wird von denen, die dort waren, zu Recht immer wieder darauf hingewiesen - Kollegin Mogg, Kollege Kramer, Kollege Wellmann, Kollege Schmidbauer und natürlich auch Kollege Nachtwei und Kollege Ströbele haben das in ihren eindrucksvollen Berichten getan -, dass die Kongolesen wählen wollen. Dies beweist auch der Andrang auf die Wählerlisten, die ja aufgrund der Unwägbarkeit im Kongo nicht leicht zu erreichen sind.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse)

   Im Vorfeld der anstehenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen wurde die Europäische Union von den Vereinten Nationen gebeten, einen als notwendig erachteten militärischen Beitrag zur Unterstützung von MONUC bei der Absicherung des Wahlprozesses zur Verfügung zu stellen. Diese Anfrage der Vereinten Nationen konnte nicht überraschen, da die Europäische Union und die Bundesrepublik Deutschland den Befriedungsprozess im Kongo seit Jahren finanziell, materiell und personell - auch in die Zivilgesellschaft hinein - unterstützen. Darüber hinaus hat die Europäische Union mit einem Afrikastrategiedokument vom Dezember 2005 ihre ausdrückliche Bereitschaft bekundet, Demokratisierungsprozesse in Afrika zu unterstützen. Es ist also falsch, zu behaupten, Deutschland sei in die militärische Unterstützung von MONUC hineingeschlittert oder Europa wolle mit diesem Einsatz endlich die bisher nicht dargelegte Handlungsfähigkeit beweisen. Die Europäische Union hat bewiesen und beweist, dass sie im Rahmen ihrer Außen- und Sicherheitspolitik handlungsfähig ist. Ihre Missionen in Mazedonien, in Bosnien-Herzegowina - sie dauert noch an - und 2003 mit Artemis im Ostkongo unterstreichen das.

   Die Unterstützung von MONUC durch die Europäische Union und durch unsere Beteiligung steht in der Logik des langjährigen europäischen Engagements in dieser Region. Der Herr Außenminister hat dies in der Begründung des Antrages der Bundesregierung in der ersten Lesung überzeugend dargelegt. Mit dem Ablauf des militärischen Einsatzes wird sich unser politisches Engagement im Kongo nicht erschöpfen. In Vorbereitung unserer Entscheidung im Parlament hat die Bundesregierung wiederholt bekräftigt, dass es ihr um ein nachhaltiges politisches Engagement geht, das über die infrage stehende Mission hinausgeht. Dies betrifft in besonderem Maße die entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit dem Kongo. Wir unterstützen diesen Ansatz ausdrücklich.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

   Nicht nur auf der Ebene der Bundespolitik hat Deutschland im Rahmen der europäischen Aktivitäten ein spezifisches Interesse am Kongo. Es gibt in der Europäischen Union und in Deutschland auch vielfältige zivilgesellschaftliche Kooperationen auf regionaler und lokaler Ebene, die dem Kongo helfen. So unterstützt zum Beispiel die Universität Würzburg seit 2003 die kongolesische Hochschule in Kinshasa. Das ist nur ein Beispiel von vielen. Da mag man von Kleinteiligkeit reden. Aber auch das ist ein Teil des Mosaiks, das für die Förderung des dortigen Friedensprozesses von Bedeutung ist.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Frauennetzwerke, Opfernetzwerke, Demobilisierung von Kämpfern und Kindersoldaten sowie deren Zusammenführung mit ihren Familien unterstreichen diese positive Entwicklung, wie Frau Entwicklungshilfeministerin Heide Wieczorek-Zeul das in der ersten Lesung ebenfalls sehr intensiv und überzeugend dargelegt hat.

   Ich sage, dass es auch darauf ankommt, den schmutzigen Rohstoffkrieg zu beenden. Das ist eine der Hauptaufgaben der künftigen demokratisch gewählten kongolesischen Regierung. Es gibt nichts Wichtigeres als die Förderung von Demokratie und Staatlichkeit, um diesem heute stattfindenden Rohstoffkrieg ein Ende zu bereiten. Dafür müssen wir uns gemeinsam engagieren; denn das Einkommen aus diesen Rohstoffen muss endlich den Menschen selbst zugute kommen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Wir haben die notwendige militärische Expertise eingeholt. Wo sonst sollten wir diese Expertise, die wir als Grundlage unserer politischen Entscheidung brauchen, einholen, als bei unseren Soldatinnen und Soldaten und bei denen, die im Hauptquartier in Potsdam im Auftrag der Europäischen Union die militärische Arbeit machen müssen, die sie gut machen? Dort haben wir uns überzeugt. General Viereck hat uns gesagt: Jawohl, ich kann diesen Einsatz mit den militärischen Mitteln, die mir von 18 Mitgliedstaaten der Europäischen Union, auch von Deutschland, zur Verfügung gestellt werden, bewältigen. Ich kann diesen Einsatz in militärischer Hinsicht durchführen, um ihm politisch zum Erfolg zu verhelfen. - Unsere Soldatinnen und Soldaten sind erfahren, sie sind ausgebildet und sie können politische Aufträge einschätzen. Der Verteidigungsminister hat diese Auffassung dargelegt und umgesetzt. Damit hat auch er seinen Beitrag geleistet.

(Beifall bei der SPD)

   Die Entscheidung über den Einsatz von bewaffneten Streitkräften gerade in diesem Zusammenhang und im Rahmen dieser Mission fällt niemandem von uns leicht. Ich habe Respekt vor Auffassungen, die sich nicht der meinen anschließen können und eine andere Abwägungsentscheidung getroffen haben. Bei jeder Mission ringen Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen um das Ja oder Nein zum Antrag der Bundesregierung, Soldaten ins Ausland zu schicken. Deswegen gibt es das Parlamentsbeteiligungsgesetz. Deswegen führen wir diese verantwortungsvolle und von der Zeit und den Inhalten her respektable Debatte. Deswegen hat meine Fraktion mit überzeugender Mehrheit die Entscheidung getroffen, für den Antrag zu stimmen und der Europäischen Union, den Vereinten Nationen und der internationalen Staatengemeinschaft im Rahmen unserer Möglichkeiten zu helfen. Zur Förderung der Stabilität des Kongo wollen wir die Unterstützung geben, die für den Erfolg gebraucht wird.

   Ich danke Ihnen für das Zuhören.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Werner Hoyer, FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)

Dr. Werner Hoyer (FDP):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Deutsche Bundestag kann zu einem Antrag der Bundesregierung auf Entsendung von Bundeswehrsoldaten nur Ja oder Nein sagen. Wir können den Antrag in seiner Substanz nicht ändern, wir können das Einsatzkonzept nicht ändern und wir können auch keine Änderungsanträge einbringen. Deswegen macht es keinen Sinn, hier über Alternativen zu diskutieren. Das haben wir in den Ausschüssen teilweise getan und wir sind gerne bereit, das wieder zu tun; denn wir haben Alternativen.

   Hier müssen wir Ja oder Nein sagen. Das heißt, die Bundesregierung muss uns davon überzeugen, dass dieser Einsatz Sinn macht, dass er gut begründet, konzeptionell gut unterlegt und verantwortbar ist. Die Bundesregierung hat uns hiervon nicht überzeugen können. Deshalb werden wir Freien Demokraten diesen Antrag der Bundesregierung ablehnen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

   Frau Bundeskanzlerin, ich fürchte, Sie sind gerade dabei, Ihren ersten großen außenpolitischen Fehler zu machen. Wir Freien Demokraten haben in den letzten Monaten Ihre neuen außenpolitischen Weichenstellungen immer wieder begrüßt und ausdrücklich unterstützt. Aber hier machen Sie einen Fehler. Ich vermute, gut gemeint - ich unterstelle das durchaus, sowohl europapolitisch als auch deutsch-französisch und was Afrika angeht -; aber am Ende ist es eben doch ein Fehler.

   Meine sehr verehrten Damen und Herren, vielleicht haben wir uns schon zu sehr daran gewöhnt, in kritischen Situationen, wenn es darum geht, Friedenseinsätze weltweit zu unterstützen, auch zum Instrument des Einsatzes der Bundeswehr zu greifen. Bisweilen scheint mir aber aus dem Blick zu geraten, dass der Einsatz der Streitkräfte, insbesondere der deutschen Streitkräfte, immer nur das letzte, das allerletzte Mittel sein kann.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Oskar Lafontaine (DIE LINKE)

   Ich anerkenne selbstverständlich, dass die Vereinten Nationen, dass die Afrikanische Union, dass die Europäische Union im Kongo sehr viel getan haben, dass sehr viel auf den Weg gebracht worden ist, dass sehr viel Engagement gezeigt und sehr viel Geld aufgebracht worden ist. Aber nach meiner Auffassung sind die Strukturen noch nicht da, um jetzt mit Wahlen sozusagen das Sahnehäubchen draufzusetzen und zu glauben, damit sei die Sache erledigt.

   Es ist eine absurde, geradezu tieftraurige Situation, dass eines der reichsten Länder Afrikas sich durch so unvorstellbare Not auszeichnet. Aber es sind ja gerade diese enormen Ressourcen, die Bodenschätze, die dieses Land schon so lange zum Spielball von Kolonialherren, von Interessenvertretern aus aller Welt und von korrupten Machteliten im eigenen Land machen. An dieser Stelle stellt sich die Frage nach den Interessen der beteiligten Parteien, auch derjenigen, die jetzt hilfreich intervenieren wollen. Ich bezweifle, dass sich diese Interessen zur Deckung bringen lassen, erst recht mit den deutschen Interessen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

   Am Anfang jedes internationalen Engagements stehen die Hilfe für die Menschen in Not und der Aufbau stabiler und verlässlicher staatlicher Strukturen, vor allem zuverlässiger Sicherheits- und Justizstrukturen. Das ist auch im Kongo der große Schwachpunkt. Der Aufbau staatlicher Strukturen, die den Menschen ein Mindestmaß an Sicherheit und Aussicht auf Gerechtigkeit gewährleisten könnten, steckt erst in den Kinderschuhen. Die Menschen sehnen sich in erster Linie übrigens nicht nach Wahlen, sie sehnen sich in erster Linie nach Sicherheit, nach einer aussichtsreichen Zukunft für sich selber und ihre Kinder.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

   Es mag mit den Regeln der so genannten Political Correctness kollidieren, dies zu sagen, aber das Abhalten von Wahlen - hoffentlich in einigermaßen fairer und freier Form - allein kann die Stabilisierung nicht bringen, wenn die auf diese Weise formal Legitimierten sich nicht auf zuverlässige staatliche Strukturen abstützen können und andererseits auf genau diese verpflichtet sind. Mit anderen Worten: Die Freien Demokraten bezweifeln die Nachhaltigkeit der Wirkung dieses Einsatzes.

(Beifall bei der FDP - Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD): Darum geht es!)

Ich zweifle, dass selbst bei erfolgreichem Abschluss dieser Mission, nach gesunder Heimkehr hoffentlich aller unserer Soldaten, das Ergebnis ihrer Anstrengungen Bestand haben wird. Ich bezweifle, dass wir wirklich vorbereitet sind, falls die Konfliktparteien, die ihre schlagkräftigsten Einheiten ja keineswegs demobilisiert und in den Friedensprozess eingebracht haben, einfach den Abzug der europäischen Soldaten abwarten, um ihre Ziele doch noch zu erreichen, sind Wahlen für sie doch, wie die SWP es formuliert, lediglich die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln. Kehren wir dann sofort in den Kongo zurück? Lassen wir uns dann in einen blutigen Bürgerkrieg hineinziehen? Werden unsere Soldaten zu Geiseln kongolesischer Warlords?

   Ich bezweifle übrigens auch, dass wir der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik einen guten Dienst erweisen, wenn wir einen Einsatz zum großen europäischen Projekt hochstilisieren, an dem sich so beschämend wenige Teilnehmer mit einem nennenswerten Beitrag engagieren wollen.

(Beifall bei der FDP)

Als ob sie nicht wüssten, warum sie sich so zurückhalten! Ich zweifle erst recht an dem Argument, mit dem Einsatz im Kongo würden wir den Migrationsdruck, von Afrika nach Europa zu gelangen, abschwächen. Die tatsächlichen Zahlen sprechen, was den Kongo angeht, eine ganz andere Sprache.

   Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, der Antrag der Bundesregierung ist stümperhaft vorbereitet und von vorn bis hinten in sich nicht schlüssig. Deshalb lehnen wir ihn ab.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir tun das nach sorgfältiger Abwägung. Das ist übrigens die gute Tradition in allen Ländern, die mehr Erfahrungen mit Auslandseinsätzen haben als wir.

   Über die Sinnhaftigkeit und Verantwortbarkeit von Auslandseinsätzen von Streitkräften muss man streiten. Es wäre völlig unnatürlich, wenn wir es nicht tun würden angesichts der Tatsache, dass Sie für diesen Antrag weder in der Bundeswehr noch in der Bevölkerung noch in diesem Hause, wenn wir ehrlich sind, liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Mehrheit haben. Hier wird die Koalitionsräson in den Vordergrund gerückt. Hier will niemand die Bundesregierung im Regen stehen lassen.

(Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Das ist doch Unsinn!)

In diesem Hause wäre die Mehrheit nicht gegeben, wenn die vielen Kolleginnen und Kollegen, die mir seit Monaten sagen, wir sollten diesen Einsatz um Himmels willen verhindern, heute mit Nein stimmen würden.

(Beifall bei der FDP und der LINKEN)

   Meine Damen und Herren, meine letzte Bemerkung. Wenn nach kritischer Debatte die Entsendeentscheidung getroffen ist - diese respektieren wir dann selbstverständlich -, können sich die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr darauf verlassen, dass wir Freien Demokraten alles dafür tun werden, damit ihnen die Möglichkeiten, die Ressourcen und die Unterstützung gegeben werden, ihren Auftrag erfolgreich zu erfüllen und gesund und heil nach Hause zurückzukehren.

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP - Rainer Arnold (SPD): Sie verlassen sich darauf, dass wir entscheiden!)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Eckart von Klaeden, CDU/CSU-Fraktion.

Eckart von Klaeden (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion wird dem Antrag der Bundesregierung zustimmen. Wir teilen die Einschätzung der Bundesregierung, dass dieser Einsatz notwendig und erforderlich ist. Wir vertrauen der Zusicherung der Bundesregierung, insbesondere nach der Beratung in den Ausschüssen, dass die notwendigen Kräfte für die Durchführung des Auftrages zur Verfügung stehen.

   Ich will die Gelegenheit gleich nutzen und auf die Kritik der FDP eingehen. Kritik ist immer erlaubt; das ist, wie ich finde, selbstverständlich. Aber ich teile Ihre Kritik nicht. Ihre Kritik wäre glaubwürdiger, wenn Sie nicht vorher mit völlig abwegigen Ausführungen zum Parlamentsbeteiligungsgesetz den Eindruck erweckt hätten, die - erfolgreichen - Versuche der Bundesregierung, eine größere europäische Beteiligung zu erreichen, seien mit dem Grundgesetz und dem Parlamentsbeteiligungsgesetz nicht vereinbar. Wenn man Ihr Verhalten zum allgemeinen Maßstab machen würde, dann wäre die Folge, dass eine Abstimmung innerhalb der Europäischen Union nicht möglich wäre und wir alleine in den Kongo müssten. Die Kritik, die Sie hinsichtlich des Ansatzes, multilateral vorzugehen, vorgebracht haben, ist geradezu abwegig gewesen. Jetzt zu erklären, es fehle am nötigen Einsatz und an den nötigen Mitteln, ist wenig glaubwürdig.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

   Es ist auch falsch, hier den Eindruck zu erwecken, als sei der Einsatz die einzige Maßnahme, die durchgeführt wird. Wir unterstützen seit langem MONUC. Es gibt EUSEC und EUPOL.

   Sie haben den Zeitpunkt der Wahl kritisiert. Ich will darauf hinweisen, dass der Zeitpunkt von den Kongolesen in ihrem Friedensvertrag selber gewählt worden ist. Wenn wir den Vorwurf eines neokolonialen Ansatzes vermeiden wollen, dann müssen wir den Wunsch nach Demokratie im Kongo und den Fahrplan, der hierzu entstanden ist, in Übereinstimmung mit der internationalen Gemeinschaft unterstützen und dürfen uns nicht naseweis davon distanzieren.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es ist der Weg, den die Kongolesen selber gewählt haben, den wir unterstützen wollen.

   Wir wollen eine erfolgreiche Mission und wünschen unseren Soldatinnen und Soldaten eine sichere und unversehrte Rückkehr. Ich glaube, im Namen des ganzen Hauses sprechen zu können, wenn ich sage, dass die Soldatinnen und Soldaten, die diesen Auftrag übernehmen, unseren Respekt und unsere Unterstützung verdienen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Es ist auch falsch, wenn von den Kritikern dieses Einsatzes immer wieder der Eindruck erweckt wird, es gehe bei dem vorgesehenen EUFOR-Einsatz alleine darum, den gesamten Stabilisierungs- und Demokratisierungsprozess im Kongo zu unterstützen. Das ist falsch. Der Stabilisierungs- und Demokratisierungsprozess im Kongo ist eine UN-Mission, die bekannte MONUC. Im Rahmen dieser Mission sind seit dem Friedensvertrag von 2002 17 000 Soldaten im Land. Wir sind von den Vereinten Nationen gebeten worden, für einen bestimmten Zeitraum spezielle Kräfte für spezielle Aufgaben zur Verfügung zu stellen und den Wahlprozess abzusichern. Es bleibt aber bei MONUC. Wer also behauptet, man wolle den gesamten Kongo in vier Monaten mit 2 000 Soldaten stabilisieren, der sagt bewusst die Unwahrheit und führt die Öffentlichkeit in die Irre.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Mission beginnt auch nicht beim Nullpunkt, sondern es hat in dem Land bereits die erfolgreiche Operation Artemis gegeben. EUSEC und EUPOL habe ich auch schon angesprochen.

   Der Stabilisierungsprozess ist unerwartet erfolgreich. Der Kongo ist nicht nur in geografischer Hinsicht eines der zentralen afrikanischen Länder, deren Stabilisierung erforderlich ist, wenn wir wollen, dass es auf dem gesamten afrikanischen Kontinent zu Frieden und Stabilität kommt. Wir müssen doch auch einmal an die Alternative denken. Wenn der Stabilisierungsprozess nicht gelingt, dann wird das nicht nur für Afrika Folgen haben, die wirklich unabsehbar sind.

   Denken wir einmal an die Berichte über die Wahl in Südafrika im Jahre 1994. Eine alte Frau wurde gefragt, warum sie stundenlang in der Hitze ansteht, um wählen zu können. Sie hat gesagt: Ich habe mein ganzes Leben lang auf diese Möglichkeit gewartet, dann kann ich jetzt auch noch diesen Tag in der Hitze ertragen. - Dass die Kongolesen wählen wollen und Demokratie wollen, wurde durch die beeindruckende Beteiligung am Verfassungsreferendum doch unter Beweis gestellt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

   Bei mancher Kritik an dem Einsatz klingt die Vorstellung durch - Herr Kollege Hoyer, ich nehme Sie hier ausdrücklich aus -, dass man glaubt, die Kongolesen seien prinzipiell nicht in der Lage, einen demokratischen Staat aufzubauen. Diese Geisteshaltung ist nicht nur zynisch, sondern auch rassistisch.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Wenn wir in diesem Hause über Entwicklungshilfe debattiert haben, dann haben wir immer wieder zwei Punkte angesprochen und kritisiert, nämlich zum einen, dass nicht ausreichend präventiv gehandelt wird, und zum anderen, dass es hinterher an Nachhaltigkeit gefehlt hat. Den ersten Fehler vermeiden wir mit der EUFOR-Mission; denn auf Wunsch der Kongolesen und der internationalen Staatengemeinschaft gehen wir präventiv in den Kongo. Aufgabe dieser Mission ist, gerade das zu verhindern, was andere hinterher wieder tränenreich beklagen wollen.

   Es ist natürlich unsere Verpflichtung, den Kongo auch danach nicht zu vergessen und auch den zweiten Fehler zu vermeiden. Wir müssen hier also über die weitere Stabilisierung im Rahmen der Entwicklungshilfe usw. sprechen. Das ist doch selbstverständlich. Wenn sich die FDP und die PDS daran beteiligen wollen, dann sind sie herzlich dazu eingeladen.

   Es ist aber auch falsch, zu behaupten, dass es automatisch zur Destabilisierung des Kongo kommen werde, wenn die EUFOR-Mission abgezogen sei. Dann wird MONUC wieder die Aufgaben übernehmen können. MONUC hat bisher eine erfolgreiche Arbeit geleistet und ich bin mir sicher und habe das begründete Vertrauen, dass diese Aufgabe auch hinterher weiter durchgeführt werden kann. Es ist aber wirklich keine glaubhafte Position, mit dem Hinweis auf kommende Risiken schon jetzt die Unterstützung zu verweigern.

   Wir haben Interessen in Afrika. Wir haben das Interesse, dass es zu einer guten Regierungsform, zur Stabilisierung und zur Einhaltung der Menschenrechte kommt. Wir haben aber auch das Interesse, dass es in einem Land wie dem Kongo zu einem Abbau von Rohstoffen kommt, die der eigenen Bevölkerung zugute kommen, dass es nicht zu einem Raubbau kommt, dass der Reichtum des Kongo nicht zu einem Fluch für die Bevölkerung wird, dass die Korruption nicht befördert wird und dass die Menschen dort von den Reichtümern ihres Landes profitieren können.

   Wir haben aber auch ein Interesse daran - es gehört auch zur Ehrlichkeit, das zu sagen -, dass die Rohstoffe nach einem fairen Verfahren so abgebaut werden, dass sie auch von Ländern wie der Bundesrepublik Deutschland genutzt werden können. Gerade wir, die wir in einem rohstoffarmen Land leben, das Exportweltmeister ist, haben an diesen beiden Elementen ein enormes Interesse. Deswegen ist es wichtig, den Kongo und andere rohstoffreiche Staaten in ein faires internationales System einzubinden, in dem die Rohstoffe, die in ihren Ländern abgebaut werden, auch ihrer eigenen Bevölkerung zugute kommen können.

   Ich will ein letztes Wort zur Abstimmung des Mandats auf europäischer Ebene sagen. Da hat es Schwierigkeiten gegeben; das haben wir alle öffentlich verfolgen können. Es ist in unserem Interesse und auch im Interesse der Soldaten, dass der Auftritt von EUFOR und möglichen weiteren Missionen in der Weltöffentlichkeit überzeugend stattfindet. Deswegen müssen wir im Rahmen der ESVP über die Frage nachdenken, wie wir Kapazitäten und Fähigkeiten für solche maßgeschneiderten Missionen zur Verfügung stellen. Neben der Diskussion um die Frage der Battle-Groups brauchen wir auch eine Diskussion über die reguläre und periodische Zurverfügungstellung von Fähigkeiten, damit ein solch komplizierter und in der Öffentlichkeit nicht immer überzeugender Abstimmungsprozess auf europäischer Ebene vermieden werden kann.

   Gleichwohl haben wir jetzt eine verantwortungsvolle und gute Mission zustande gebracht. Die Schwierigkeiten, die es auf europäischer Ebene gegeben hat, dürfen nicht die Substanz des Einsatzes und die Ziele infrage stellen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wer das durcheinander bringt, zeigt, dass er zu einem wirklichen politischen Urteil kaum in der Lage ist.

   Wir stimmen zu.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Wolfgang Gehrcke, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)

Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss zu Beginn einen Irrtum des Kollegen Kolbow berichtigen. Wir haben zugestimmt, über die Verlängerung des Darfurmandates AMIS nicht hier im Plenum zu diskutieren.

(Walter Kolbow (SPD): Das meinte ich doch!)

Wir haben nicht dem Mandat selbst zugestimmt und das gegenüber dem Präsidenten des Bundestages zum Ausdruck gebracht.

(Beifall bei der LINKEN)

Um es etwas salopp zu sagen, Kollege Kolbow: Wir sind nicht Mitglied im Klub und wir wollen auch nicht Mitglied in dem Klub derer werden, die Soldaten in Auslandseinsätze schicken.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn allerdings solche Irrtümer entstehen, dann werden wir künftig darauf bestehen müssen, die Verlängerung aller Mandate grundsätzlich hier im Plenum zu debattieren. Das ist sowieso besser, um die Mandate auf ihre Substanz immer wieder zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren. Insofern sind wir lernfähig. Ich danke Ihnen, dass Sie zu dieser Lernfähigkeit meiner Fraktion und bei mir selber beigetragen haben.

(Beifall bei der LINKEN)

   Jetzt zum Kongo selbst. Wir lehnen den Antrag der Bundesregierung zur Entsendung deutscher Soldaten in den Kongo ab. Wir halten diese Mission selbst für politisch falsch, in sich widersprüchlich und für nicht geeignet, den Kongo zu stabilisieren. Damit befinden wir uns im Widerspruch zur Mehrheit im Bundestag; das verwundert nicht. Wir befinden uns aber in Übereinstimmung mit weiten Teilen der Friedensbewegung, entwicklungspolitischen und kirchlichen Gruppen, also sozusagen der besseren Gesellschaft.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN - Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Entwicklungspolitische Gruppen? Das stimmt nicht! - Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Wann waren Sie das letzte Mal in der Kirche?)

Ihnen kann ich nur raten - mein Kollege Herr Hoyer formuliert das immer sehr schön diplomatisch -: Verwechseln Sie Mehrheiten hier im Saal nicht mit Mehrheiten im Leben. Sie haben für diesen Einsatz keine Zustimmung in der Gesellschaft.

(Beifall bei der LINKEN)

   Der Kongo ist ein reiches Land, reich an Naturressourcen wie Kupfer, Coltan, Kobalt, Gold, Diamanten, um nur einige zu nennen. Aber dieser Reichtum ist eine der Ursachen für das Elend der Menschen. Dieser Reichtum ist nie den Menschen selbst im Kongo zugute gekommen, sondern war Gegenstand von Ausplünderungen durch internationale Konzerne und korrupte Warlords à la Mobutu.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Kongo war und ist Gegenstand geostrategischer Auseinandersetzungen. Elend durch Reichtum - das ist die Tragödie des Kongo.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

   Wer über den Kongo wirklich diskutieren will - Bundesaußenminister Steinmeier hat in seiner Einbringungsrede zum Antrag der Bundesregierung auf die letzten fünf Jahre der Geschichte der Zusammenarbeit aufmerksam gemacht -, der muss aus meiner Sicht weiter zurückschauen. Herr Außenminister, ich habe noch die Bilder des ersten frei gewählten Präsidenten Kongos, Patrice Lumumba, vor Augen: geschunden, geschlagen und ermordet.

(Beifall bei der LINKEN)

   Auch habe ich die Bilder der deutschen Söldner im Kongo vor Augen, etwa des berüchtigten Kongo-Müllers. Wenn wir über den Kongo diskutieren, dann müssen wir auch über die Folgen einer solchen Kolonialpolitik reden.

(Beifall bei der LINKEN)

Wer über die Verbrechen des Kolonialismus schweigt, der kann zu der künftigen Entwicklung des Kongos nichts Konstruktives beitragen.

(Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU): Wer schweigt denn dazu?)

   In den Debatten, die wir bereits zu diesem Thema geführt haben, haben Sie, Herr Außenminister gesagt, dass die Konsequenz darin bestehe, Soldaten in den Kongo zu schicken. Wir hingegen sagen: Der Kongo braucht keine Soldaten. Er braucht mehr Hilfe für den zivilen Aufbau, den Aufbau der Verwaltung, der Kommunen, der Polizei und einer eigenständigen Wirtschaft. Er braucht Hilfe zur Selbsthilfe. Wir von der Fraktion Die Linke würden die 60 Millionen Euro, die auf Kosten der Steuerzahler für den Militäreinsatz aufgebracht werden sollen, mit Freude für den zivilen Aufbau im Kongo einsetzen. Das Geld wäre für diesen Zweck besser genutzt. Aber an dieser Stelle fehlen die Mittel.

(Beifall bei der LINKEN)

   Die Wahlen im Kongo sind die Leistung der Bürgerinnen und Bürger des Landes selbst; ich bin froh darüber. Das sollten wir unterstreichen, statt so zu tun, als ob es unsere Leistung wäre. Der Außenminister hat im Auswärtigen Ausschuss argumentiert, dass die Zeit des Bürgerkriegs zu Ende gehe und dass die Verfassungsabstimmung friedlich verlaufen sei. Das ist eine Tatsache. Unbewiesen ist aber, dass die Wahl im Kongo die Gefahr einer militärischen Auseinandersetzung mit sich bringt.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben Ihnen schon einige Male entsprechende Argumente vorgehalten.

   Die Bundesregierung hat einen Antrag vorgelegt. Es wäre in diesem Zusammenhang ihre Pflicht gewesen, ihn glaubhaft zu begründen. Das konnten Sie aber nicht. Hinzu kommt, dass Sie jede Woche eine neue Begründung vorgelegt haben.

   Weil meine Redezeit knapp wird, will ich mich auf einige Stichworte beschränken. 17 000 Soldaten sind im Rahmen der Friedensmission MONUC im Kongo im Einsatz. Wenn Sie über militärische Einsätze diskutieren, dann frage ich mich, warum Sie einen eigenen EU-Einsatz für nötig halten, statt über eine verstärkte Beteiligung an MONUC zu verhandeln.

(Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD): Sie wissen es doch! - Rainer Arnold (SPD): Weil es der Sicherheitsrat abgelehnt hat!)

- Das ist nicht mein Problem. Es wäre aber möglich gewesen. Hinter vorgehaltener Hand sagen Sie deutlich, dass europäische Truppen eine höhere Abschreckungswirkung als Pakistaner oder andere hätten.

(Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU): Was ist das eigentlich für eine Abwertung der Pakistaner? - Walter Kolbow (SPD): Das ist überheblich!)

Mit einer solchen Argumentation kann man vor den Vereinten Nationen nicht bestehen.

(Beifall bei der LINKEN)

   Der Verteidigungsminister beschwört einen Einwanderungs- und Flüchtlingsdruck. Ich finde dieses Argument schlimm, weil man damit Ängste in der deutschen Bevölkerung weckt, die man nicht wecken sollte. Es wurde argumentiert, dass die strategischen Rohstoffe des Kongo nicht in falsche Hände fallen dürfen. In welchen Händen sind die strategischen Rohstoffe denn richtig aufgehoben? Sie gehören in die Hände der Bevölkerung des Kongo.

(Beifall bei der LINKEN)

   Vielleicht können Sie noch eine weitere Frage beantworten - damit komme ich zum Schluss -: Sie diskutieren seit Monaten über den Militäreinsatz und erstellen entsprechende Pläne. Warum ist erst vor drei Wochen in der Europäischen Union über den Einsatz ziviler Wahlbeobachter gesprochen worden? Sie haben dann ganze 200 Wahlbeobachter gewinnen können. Mit einem Militäreinsatz sind sie schnell bei der Hand; mit zivilen Beobachtern und ziviler Hilfe sind sie zögerlicher. Das ist die Konsequenz einer falschen Politik. Die Ergebnisse dieser Politik kann man im Irak und in Afghanistan studieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Machen Sie die Augen auf, um zu sehen, wohin Militärpolitik immer führt und führen muss!

   Schönen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Fritz Kuhn für die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.

Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die große Mehrheit meiner Fraktion wird der Beteiligung am EUFOR-Mandat zustimmen, und zwar nicht wegen der Art und Weise, auf die Sie das Mandat vorbereitet haben, Herr Verteidigungsminister,

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Trotz!)

sondern eher trotz der Art und Weise.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Ich will Ihnen das deutlich sagen, weil Sie mit Ihren Festlegungen, Ihrem Hin und Her und Ihrem systematischen Eiertanz zu einem Zeitpunkt, als Verhandlungen notwendig gewesen wären, die Verunsicherung eher vergrößert als abgebaut haben. Ich rate Ihnen für die Zukunft zu einem offeneren und klareren Umgang mit diesem Parlament. Das gilt übrigens auch für das Weißbuch. Die Zustimmung des Parlaments zu solchen schwierigen Einsätzen hängt auch von dem Stil und der Transparenz Ihres Agierens ab.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

   Es gibt viele Fragezeichen und Einwände, die auch für diejenigen in meiner Fraktion, die der Mission nicht zustimmen werden, wichtig sind. Dazu gehört zum Beispiel die Festlegung auf vier Monate zu einem Zeitpunkt, zu dem noch nicht bekannt ist, ob in diesen vier Monaten der zweite Wahlgang überhaupt stattfinden kann. Solche Fragen sind nicht ganz geklärt. Aber ich will begründen, warum die Mehrheit meiner Fraktion nach Abwägung der Risiken, die ein solcher Einsatz mit sich bringt, sagt: Es ist richtig, deutsche Soldaten in den Kongo zu schicken.

   Herr Westerwelle und Herr Hoyer, Ihr Argument, die Regierung habe Sie von der Notwendigkeit des Einsatzes nicht überzeugt, kann ich nicht verstehen; denn dieses Argument entbindet Sie doch nicht von der Pflicht, selber darüber nachzudenken, ob der Einsatz notwendig ist oder nicht.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der SPD)

Eine Partei wie die FDP - in der Tradition von Hans-Dietrich Genscher und mit dem außenpolitischen Wissen, das bei ihr zumindest einmal vorhanden war - muss sich doch die Frage stellen, was sachlich für einen Kongoeinsatz spricht.

   Ich nenne drei Punkte. Der erste Punkt ist: Der Einsatz ist deswegen wichtig, weil die Stabilisierung des Kongos durch demokratische Wahlen für die Entwicklung sowohl im Land selber als auch im restlichen Afrika elementar ist.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Angesichts der Tatsache, dass 3,8 Millionen Menschen im Bürgerkrieg umgekommen sind und dass heute noch täglich über 1 000 Menschen an den Folgen des Krieges sterben, können Sie doch nicht sagen, dass Herr Jung Sie nicht überzeugt habe. Vielmehr müssen Sie sich aus Gründen einer vernünftigen Afrikapolitik die Frage stellen, ob die Wahlen im Kongo nun durchgeführt werden sollen, und die Verantwortung übernehmen, die hier notwendig ist.

   Der zweite Punkt ist: Ob im Herzen Afrikas ein großer Failing State ohne jegliches staatliche Gewaltmonopol bestehen bleibt, ist eine elementare Frage für die Teilhabe der kongolesischen Bevölkerung an Entwicklung und ihre Möglichkeiten, aus der Armut herauszukommen und Lebenschancen zu bekommen. Das ist außerdem für die Sicherheit nicht nur in Afrika, sondern auf der ganzen Erde entscheidend; denn Failing States sind immer Quellen von Terror und Terrorismus sowohl in den betreffenden Ländern als auch auf internationaler Ebene. Die bevorstehenden Wahlen im Kongo bieten nun die Chance, einen Failing State schrittweise in eine wachsende Demokratie zu verwandeln; das ist elementar. Daher können Sie nicht im Schulterschluss mit der PDS einfach sagen, die Regierung habe es Ihnen nicht richtig erklärt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der SPD)

   Herr Hoyer, Sie haben behauptet, die Bevölkerung im Kongo wolle gar keine Wahlen, sondern Sicherheit. Das ist wirklich unter Ihrem Niveau. Sie tun so, als gäbe es keinen Zusammenhang zwischen Demokratie und Sicherheit. So darf man heutzutage nicht mehr argumentieren.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der SPD)

   Der dritte Punkt ist: Ein weiterer Grund, warum wir mehrheitlich dem Einsatz zustimmen, ist, dass wir nicht das Scheitern der Vereinten Nationen etwa in Ruanda beklagen können, dann aber der Bitte der Vereinten Nationen an die EU um Unterstützung nicht nachkommen - übrigens, Herr Gehrcke, Sie sollten einmal nach New York fahren und sich erklären lassen, wie die Mandatierung der Vereinten Nationen abläuft -

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

und sagen: Das machen wir jetzt nicht. Aber beim nächsten Mal, wenn es scheitert, sind wir wieder wortreich dabei und machen darauf aufmerksam, wie schlimm das alles ist und was nicht funktioniert hat.

   Für jemanden wie mich, der den Wehrdienst aus Gewissensgründen verweigert hat, erfordert die Frage, ob man dem Einsatz zustimmen sollte, ob man dorthin Soldaten schicken sollte, schwierige Abwägungen im Detail. Für viele in meiner Fraktion gilt Ähnliches. Aber man muss sich in einer solchen Situation auch die Frage stellen - das sage ich an die Adresse der FDP -, welche Folgen die Unterlassung eines solchen Einsatzes, also das Nichthandeln, praktisch haben wird.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der SPD)

Herr Kollege Westerwelle und Herr Kollege Hoyer, ich sehe zwar die Risiken. Aber nach reiflicher Abwägung bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass die elementaren Risiken einer Ablehnung des Hilfeersuchens des Kongos größer sind. Deswegen stimmen wir nach einem Abwägungsprozess mehrheitlich zu.

   An die Adresse der FDP sage ich: Ich wünsche mir, dass die Koalition, die sich heute zusammen mit der PDS gebildet hat, keinen langen Bestand hat; denn sie dient der Sache nicht und setzt Sie dem Verdacht aus, dass Sie diese Position aus taktischen Gründen einnehmen und nicht aufgrund der Befassung mit dem Inhalt.

   Ich danke Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der SPD - Dirk Niebel (FDP): Bisher regiert nur die SPD mit den Linken in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern! - Zuruf von der SPD: Wirklich, Herr Niebel!)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Gert Weisskirchen, SPD-Fraktion.

Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Hoyer, Sie wissen, dass ich Sie und besonders Ihre Argumentationsfähigkeit sehr schätze. Mit dem, was Sie hier gesagt haben, verfehlen Sie meiner Meinung nach allerdings die Substanz dessen, was �freidemokratisch� eigentlich heißt. Sie schätzen gering, dass Freiheit und Demokratie etwas sein können, was mithilft, dass Institutionen aufgebaut, stabilisiert und gefestigt werden, obwohl das eine der Grundbedingungen dafür ist, dass der Kongo überhaupt eine sichere Perspektive haben kann.

   Sie stellen sich hier also hin, präsentieren sich - Entschuldigung, wenn ich das sage - unterhalb Ihrer eigenen Fähigkeiten und bar Ihrer Erkenntnisse und sagen: Die Geschehnisse im Kongo stellen sich aus unserer europäischen Perspektive anders dar - hinzu kommt womöglich das, was der Kollege Gehrcke angesprochen hat - und unser Nein ist dadurch begründet, dass wir für eine bessere Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland stehen.

(Jörg van Essen (FDP): Wie schwach müssen Ihre Argumente sein, dass Sie so eine Rede halten?)

Das mag zwar in Ihrem eigenen Denken so sein; aber Sie sollten auch daran denken, dass es im Kongo Menschen gibt, die selbst für eine bessere Gesellschaft kämpfen wollen und die deswegen wählen wollen. Können Sie auch darüber nachdenken? Nein!

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht in erster Linie nicht um unsere eigene europäische - enge - Perspektive, sondern darum, dass eine Bitte, die aus dem Kongo an uns herangetragen wird, eine Bitte, die die Vereinten Nationen bekräftigen, eine Bitte, die die Europäische Union an uns richtet, eine konstruktive und vernünftige Reaktion nach sich zieht. Daher bitten wir darum, dass dieses Mandat vom Deutschen Bundestag unterstützt und beschlossen wird.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Es gibt im Übrigen eine ganze Reihe von guten Gründen. Ich frage die FDP, die - jedenfalls nach ihrem Selbstverständnis - eine der europäischsten Parteien ist,

(Dr. Guido Westerwelle (FDP): In der Tat!)

was sie von dem hält, was die Europäische Union im Dezember 2005 selbst beschlossen hat.

(Dr. Werner Hoyer (FDP): Nicht viel!)

Gleich zu Beginn des Beschlusses mit der Überschrift �Die EU und Afrika: Zu einer strategischen Partnerschaft� heißt es:

Europa und Afrika sind miteinander verbunden durch Geschichte, Geographie und beide teilen wir das Bild von einer friedvollen, demokratischen und aussichtsreichen Zukunft für alle unsere Völker.

Jetzt kommt es darauf an, zu dem, was wir alle für programmatisch richtig halten, zu dem, was wir gemeinsam in der Europäischen Union beschlossen haben, also bei diesem ersten wirklichen Lackmustest, Ja zu sagen und mitzuhelfen, den Menschen im Kongo eine neue Perspektive zu geben.

   Ich kann mir nicht vorstellen, dass Mitglieder des Deutschen Bundestages dazu tatsächlich Nein sagen. Wenn die Europäische Union das umsetzen will, was sie beschlossen hat, dann kann das nur bedeuten, dass wir diesem Mandat zustimmen werden; denn wir wollen die Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und Afrika mit Leben erfüllen. Leben heißt für die Menschen im Kongo, dass sie jetzt die Chance haben, ihre eigene Zukunft durch demokratische Entscheidungen in die Hand zu nehmen. Deswegen bitten die sozialdemokratische Bundestagsfraktion und auch ich alle Mitglieder dieses Hauses, diesem Antrag der Bundesregierung zuzustimmen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

   Wir sollten uns einen Moment vor Augen führen, was im Kongo wirklich vor sich geht.

(Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): Sie sind der Einzige, der das weiß!)

Herr Kollege Gehrcke, Sie haben in diesem Punkt natürlich Recht:

(Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Ich habe nicht immer, aber manchmal Recht!)

Das ist eine Geschichte des Elends, eine Geschichte der Angst, eine Geschichte des Leids, eine Geschichte des Mordens, eine Geschichte der Ausplünderung dieses ungeheuer reichen Landes. Genau aus diesem Grund wollen wir jetzt mithelfen, dass das Plündern gestoppt wird

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

und dass die demokratischen Institutionen des Kongo ihre Sache in die eigene Hand nehmen.

   Sollte es eines Beweises bedürfen, dass die Menschen im Kongo und vor allem diejenigen, die politische Verantwortung tragen, dazu auch die Kraft aufbringen können, dann schauen Sie sich einmal die beiden Berichte an, die in der Assemblée Nationale von der Lutundula-Kommission erstellt worden sind. Die Kommission hat nämlich genau ermittelt, welche Kontrakte in den letzten Jahren zwischen ausländischen großen Konzernen und verbrecherischen Banden innerhalb des Kongo selbst geschlossen worden sind.

(Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Eben!)

Das ist aufgedeckt. Das ist aufgeklärt. Fragen Sie doch einmal den Vorsitzenden dieser Kommission, Herrn Lutundula, der den Mut gehabt hat, solche Berichte schonungslos zu veröffentlichen - sein Leben ist in Gefahr, weil jene Banden, jene Verbrecher kein Interesse daran haben, dass diese kriminellen Machenschaften öffentlich werden -, was er von dem hält, was Sie hier sagen! Fragen Sie ihn! Er wird Ihnen sagen: Wir möchten, dass das neue Parlament gewählt wird, und wir möchten, dass die Europäische Union dabei hilft und dass ihr uns mit deutschen Soldaten dabei helft, das Maß an Sicherheit im eigenen Land zu produzieren, das wir nicht produzieren können.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Deswegen wollen wir die Wahlen sichern. Deswegen gehen die Soldaten dahin. Wir wollen dem Prozess Boden geben, Festigkeit geben, damit die Menschen im Kongo, die 28 Millionen, die jetzt wählen gehen wollen, die sich in die Wählerlisten eingeschrieben haben, auch wählen können.

   Ich möchte darum bitten, dass wir alle erkennen, was da vor sich geht. Es ist ein erster Schritt, ein erster Schritt in eine neue Zukunft. Dieser erste Schritt muss begleitet werden, weil, jedenfalls im Moment, die Sicherheit im Lande dort noch nicht durch die eigenen Institutionen hergestellt werden kann. Das können sie noch nicht. Sie wollen es aber. Sie brauchen unsere Unterstützung, damit dieser Prozess in Gang kommt, damit der Prozess stabil wird und gefestigt werden kann.

   Wenn das Mandat zu Ende sein wird, hoffentlich positiv - davon gehen wir alle aus -, wenn die vier Monate vorüber sein werden, wird die Arbeit nicht beendet sein. Dann beginnt ein Prozess, in dem endlich das Realität werden kann, was Sie, Herr Außenminister, schon in Ihrer letzten Rede unterstrichen haben - auch Mbeki hat das schon gesagt -: Die Stabilität Afrikas kann nur durch die Stabilität des Kongo hergestellt werden. - Das ist ein langwieriger Prozess, ein Prozess, der auf Jahre angelegt sein wird. Deshalb wird es darauf ankommen, dass wir die zivilgesellschaftlichen Prozesse unterstützen, begleiten und fördern und dass die Europäische Union nach den Wahlgängen, nach der Wahl des Präsidenten, nach der Wahl des Parlaments, alles tut, damit dieser Prozess im Kongo vervollständigt werden kann. Aber damit er vervollständigt werden kann, damit die Gewaltökonomie von einer Friedensökonomie abgelöst werden kann, braucht der Deutsche Bundestag jetzt den Mut, dem Mandat zuzustimmen. Ich bitte Sie darum, das zu tun.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegin Birgit Homburger, FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)

Birgit Homburger (FDP):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Weisskirchen, Sie haben hier gerade gesagt: Freiheit und Demokratie, die Sicherung freier Wahlen und die Stabilisierung des Kongo müssen Ziele sein, die alle unterstützen. - Das ist richtig. Auch die FDP unterstützt diese Ziele. Aber Sie müssen sich fragen lassen, Herr Weisskirchen, ob das vorliegende Konzept dazu taugt, diese Ziele zu erreichen. Die Welt wird nicht durch Gutmenschen wie Sie verbessert; die Welt wird durch durchdachte Konzepte verbessert.

(Beifall bei der FDP - Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

   Ich möchte Ihnen vorlesen, was der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, der bekanntermaßen nicht der FDP angehört, heute Morgen gesagt hat - ich zitiere -:

Ich behaupte, die Bundeswehr ist nicht vorbereitet auf Afrika.

   Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Koalition, Sie sollten sich langsam einmal überlegen, ob Sie an diesem Einsatz tatsächlich festhalten wollen. Es ist doch kein Wunder, dass in dieser Debatte kein einziger Vertreter der Regierung spricht, und auch die Aussage des Wehrbeauftragten macht deutlich: Sie stehen selbst nicht mehr hinter dem, was Sie in diesem Mandat beantragt haben.

(Beifall bei der FDP - Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU): Das Parlament entscheidet doch heute darüber!)

   Herr Weisskirchen, Sie haben hier sehr hohe moralische Ansprüche formuliert. Herr Kuhn hat deutlich gesagt, es gebe ein UN-Mandat und dem müsse man folgen. Ich will Ihnen beiden einmal ganz klar sagen: Ein UN-Mandat allein ist keine ausschlaggebende Begründung. Es ist ein Gesichtspunkt; aber man muss selber bewerten und entscheiden, ob man an einem Einsatz teilnehmen will. Keiner von Ihnen hätte einem Einsatz beispielsweise im Irak zugestimmt, auch wenn es ein UN-Mandat gegeben hätte. Vor diesem Hintergrund halte ich Ihre Argumentation für nicht legitim.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Kennen Sie eigentlich den Unterschied zwischen einem Angriffskrieg und einem Friedenseinsatz?)

   Ich möchte Sie fragen, meine Damen und Herren: Wird denn eigentlich das Ziel erreicht? Das Ziel heißt - ich zitiere aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage -:

Die Aufgabe von EUFOR RD CONGO ist es, potenzielle Störer abzuschrecken ...

Erreichen Sie das mit diesem Konzept wirklich? Ursprünglich war von 1 500 Soldaten in Kinshasa die Rede, die nötig sind, um eine Stabilisierung zu erreichen; jetzt ist von 500 Soldaten die Rede. Aber Klarheit über die Zahl der Soldaten, die in Kinshasa vor Ort sein werden, haben wir bis heute nicht. Sie sagen, Sie wollten das nicht mitteilen; das sei eine Aufgabe des Operationsplans. Ich verstehe, dass Sie keine militärischen Details preisgeben wollen; das ist auch richtig. Aber man wird doch wohl noch fragen können, wie viele Soldaten direkt vor Ort sein sollen, um die Abschreckungskomponente zu realisieren!

   Ich mache darauf aufmerksam, dass der Vorsitzende des Bundeswehr-Verbandes, Oberst Bernhard Gertz, mehrfach öffentlich darauf hingewiesen hat, dass mit der Anzahl der Soldaten, die jetzt für Kinshasa vorgesehen sind, eine Stabilisierung nicht zu erreichen ist.

(Ruprecht Polenz (CDU/CSU): Was versteht der denn davon?)

Es geht ja nicht um eine Präsenz von 8 bis 16 Uhr zu den üblichen Arbeitszeiten, sondern es geht um eine Präsenz rund um die Uhr. Wenn Sie die Soldaten abziehen, die Sie für das Hauptquartier und die eigene Sicherheit brauchen, dann bleiben 50 Soldaten für eine Stadt mit 7,8 Millionen Einwohnern. Angesichts dessen sagt Oberst Gertz zu Recht, dass das nicht für eine Abschreckungspräsenz reicht. Sie erreichen mit dem, was Sie vorlegen, die Ziele nicht.

(Beifall bei der FDP)

   Wir teilen das Ziel der Stabilisierung des Kongo. Aber ich lese Ihnen einmal vor, was der Evangelische Entwicklungsdienst sagt - ich zitiere -:

Es ist nicht zu erwarten, dass eine kurzfristige Militärpräsenz der Europäer zu einer langfristigen Befriedung des Landes führt.
(Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das sagt doch keiner! - Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Sie wissen es doch besser!)

Das ist richtig. Die Stabilisierung nach der Wahl erfordert nämlich ein Gesamtkonzept. Zu einem Gesamtkonzept gehört, dass Sie Antworten auf die Fragen nach einer weiteren Entwaffnung der Milizen, einer verstärkten Ausbildung der Polizei vor Ort und dem Aufbau demokratischer und rechtsstaatlicher Institutionen geben. Ein solches Gesamtkonzept hat weder die Europäische Union noch die Bundesregierung bisher vorgelegt.

   Auch Misereor hat entsprechende Forderungen. Wir befinden uns in guter Gesellschaft. Wir erwarten von Ihnen Antworten, wie die Stabilisierung des Landes nach den Wahlen erfolgen soll. Es geht nicht nur um den Zeitraum der Wahlen, sondern es geht darüber hinaus um ein Gesamtkonzept, und dieses fehlt.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

   Auch der frühere Planungschef des BMVg, Vizeadmiral Ulrich Weisser, hat öffentlich mehrfach Kritik geübt. Er hat gesagt:

Ich habe Bedenken, ob ein relativ kleines Truppenkontingent mehr ist als ein Signal an die Bevölkerung des Kongo, dass Europa an Frieden und Stabilität in ihrem Land interessiert ist.

Aber für ein Signal sind der Aufwand zu groß und das Risiko, das mit dem Einsatz für die Soldaten verbunden ist, zu hoch.

Deswegen kann man diese Position nicht akzeptieren.

(Beifall bei der FDP)

   Ich möchte Ihnen ein letztes Argument nennen. Die Vorbereitung dieses Einsatzes ist stümperhaft. Wir haben immer wieder eine ganze Reihe unterschiedlicher Positionen erlebt. Erst war von 500 Soldaten und jetzt ist von 780 Soldaten die Rede. Hinsichtlich der Finanzierung war erst von einer Summe in Höhe von 20 Millionen Euro die Rede und jetzt in Höhe von 56 Millionen Euro. Herr Steinmeier sagte, wir hätten keine wirtschaftlichen Interessen. Herr Jung hingegen sagte, wir hätten welche. Es geht also hin und her. Selbst in den Ausschüssen herrschte diesbezüglich bis zum Schluss ein einziges Durcheinander.

   Der Herr Bundesverteidigungsminister hat in der vorhergehenden Sitzung gesagt, die Soldatinnen und Soldaten hätten die Unterstützung des ganzen Hauses verdient. Ja, Herr Minister Jung, die Soldatinnen und Soldaten haben die Unterstützung des Deutschen Bundestages verdient. Aber sie haben auch eine bessere Vorbereitung dieses Einsatzes durch die Bundesregierung verdient.

(Beifall bei der FDP)

   Der Einsatz ist politisch miserabel vorbereitet. Ob mit ihm die selbst gesetzten Ziele erreicht werden, ist zweifelhaft. Ein politisches Gesamtkonzept fehlt. Vor diesem Hintergrund sehen wir uns nicht in der Lage, diesem Antrag zuzustimmen.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE))

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Bernd Siebert, CDU/CSU-Fraktion.

Bernd Siebert (CDU/CSU):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Deutsche Bundestag entscheidet heute über die Beteiligung der Bundeswehr an einer militärischen Operation im Kongo unter der Führung der Europäischen Union. Frau Homburger hat vorhin kritisiert, dass heute kein Minister redet. Frau Homburger, heute ist der Tag des Parlaments.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Als die Regierung den Antrag eingebracht hat, haben drei Minister gesprochen. Es ist daher richtig, dass heute die Parlamentarier reden und über diesen Antrag entscheiden.

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir sind froh, dass wir Herrn Jung nicht hören müssen!)

Ich glaube, dass wir eine vernünftige und richtige Entscheidung treffen werden.

   Ich verhehle nicht, dass viele von uns - so auch ich - am Anfang der öffentlichen Debatte - das hat die Diskussion in den letzten Monaten gezeigt - Skepsis gegenüber einem Einsatz im Kongo gehabt haben. Mir ist niemand bekannt, der heute mit Euphorie und mit besonderer Begeisterung seine Zustimmung erteilen wird.

(Walter Kolbow (SPD): So ist es!)

Es sind sachliche Argumente vorgetragen worden, über die wir lange diskutiert haben. Diese Argumente haben die weit überwiegende Mehrheit unserer Kolleginnen und Kollegen veranlasst, heute Ja zu sagen. Das finde ich gut.

   Ich möchte an dieser Stelle der gesamten Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzlerin und dem Außenminister, danken. Aber ganz besonders danke ich dem Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung. Seiner Beharrlichkeit in der Sache ist es zu verdanken, dass aus einer anfänglichen Idee mit vielen ungeordneten Details allmählich ein tragfähiges Konzept wurde.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Der Verteidigungsminister hat frühzeitig unsere Bedenken in fünf Kriterien formuliert, deren Erfüllung uns heute zu einer positiven Bewertung kommen lässt.

   Was von Teilen der Opposition als chaotisch bezeichnet wurde - so heute von Frau Homburger -, war zum einen bedingt durch die mehrfache Verschiebung der Wahltermine. Man muss deutlich machen, dass die Sache anders lag, als sie hier vorgetragen worden ist. Zum anderen war zu verhindern, dass die Hauptlast der Verantwortung allein auf unsere Schultern geladen wurde. Das ist der Bundesregierung überzeugend gelungen.

(Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Wo denn?)

   Deshalb war es uns erstens wichtig, dass unsere europäischen Partner eine sichtbare und breit angelegte Solidarität gegenüber dem Kongo zeigen. Nach anfänglichem Zögern haben inzwischen 18 Staaten ihre Bereitschaft zur Teilnahme an der Operation erklärt. Damit gewinnt die Gemeinsame Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik spürbar an Profil und Glaubwürdigkeit.

   Zweitens war ein klares Mandat der Vereinten Nationen eine entscheidende Voraussetzung für unseren Einsatz. Dieses Mandat liegt seit dem 25. April vor.

   Darüber hinaus war aus Sicht der Bundeswehr eine klare Aufgabenzuordnung nach Zeit und Raum anzustreben. Es ist der Bundesregierung drittens in zähen Verhandlungen gelungen, dass als Einsatzraum für unsere Soldatinnen und Soldaten der Raum Kinshasa bestätigt wurde.

   Die zeitliche Fixierung auf vier Monate, gerechnet vom Zeitpunkt der ersten Wahlen, war das vierte Kriterium, an dem wir von Beginn an festgehalten haben. Auch diese Forderung wurde von der Europäischen Union erfüllt.

   Fünftens haben der kongolesische Präsident und sein Vizepräsident am 19. März dem Einsatz der Europäischen Union zugestimmt. Ohne dieses Einverständnis und ohne die Bitte der örtlichen Regierung, dort hinzukommen, hätten wir einen solchen Einsatz nicht durchführen können.

   Die Bundeswehr wird sich aufgrund der klaren Aufgabenzuordnung auf die mögliche Evakuierung der Wahlbeobachter und derjenigen europäischen Staatsbürger konzentrieren, die im Kongo leben und möglicherweise in Risikosituationen geraten. Evakuierungen außerhalb Kinshasas werden im Bedarfsfall von unseren französischen Freunden vorgenommen.

   Für einen Einsatz spricht, dass die Verantwortung der Europäer für die Entwicklung in Afrika sichtbar wird. Die Zukunft unseres Nachbarkontinentes kann Europa nicht gleichgültig sein. Verantwortung zu übernehmen, bedeutet aber auch, einen angemessenen Beitrag zu leisten. Dies tun wir mit dem Beschluss heute. Zudem wird die Europäische Union die Kräfte der VN-Mission MONUC entlasten, sodass sich diese weiter auf ihren Hauptauftrag konzentrieren kann, nämlich Stabilität im Osten und Süden des Landes zu schaffen.

   Schließlich erhält durch unseren Einsatz die Demokratie im Kongo erstmals nach langer Zeit eine reale Chance. Unser Einsatz hat Signalwirkung für den Kongo, aber auch für das restliche Afrika. Das ist das entscheidende Zeichen für die Menschen vor Ort, verbunden mit einer klaren Perspektive.

   Die Reputation der Bundeswehr im Kongo ist nicht zuletzt mit der Operation Artemis im Jahre 2003 gewachsen. Unsere Soldaten werden im Kongo allgemein als Friedensstifter mit Stabilitätswirkung anerkannt. Zudem ergänzt der Einsatz unserer Soldaten die bisher so erfolgreiche deutsche Hilfe im Kongo und in Zentralafrika.

   Ich bin fest davon überzeugt, dass unsere Soldatinnen und Soldaten aufgrund ihrer fundierten Ausbildung auch diesem Einsatz gewachsen sein werden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Trotzdem bleibt ein Restrisiko, wie es bei jedem Einsatz besteht. Ich wünsche deshalb unseren Soldatinnen und Soldaten im Namen meiner Fraktion Fortune für ihren schwierigen Einsatz. Ich rufe den Soldatinnen und Soldaten zu: Passen Sie auf sich auf, damit Sie alle gesund nach Hause zurückkehren können!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Ich verkenne bei all dem nicht die Schwierigkeiten und auch nicht das für unsere Soldatinnen und Soldaten bestehende Risiko. Es ist unsere Aufgabe als Parlamentarier, die Rahmenbedingungen so auszugestalten, dass sie größtmögliche Sicherheit erfahren. Das sind wir unseren Soldatinnen und Soldaten sowie ihren Familien schuldig. Ich denke, dass mit der Vorbereitung dieses Einsatzes auch diese Pflicht erfüllt wurde.

   Mit der Erfüllung der genannten fünf Kriterien ist der Einsatz, so meine ich, verantwortbar. Ich werbe deshalb auch bei den Freunden der Freien Demokratischen Partei dafür, dem Einsatz zuzustimmen. Ich weiß, dass Sie eine ziemlich intensive innerparteiliche Diskussion darüber geführt haben, ob das, was Sie heute vorgetragen haben, auch wirklich die richtige Politik ist. Wir jedenfalls stimmen mit einem guten Gewissen zu. Ich denke, dass das zum Wohle der Menschen im Kongo sein wird und von Bedeutung für die Zukunft unserer Sicherheitspolitik in Europa ist.

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Norman Paech, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Norman Paech (DIE LINKE):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bundestag hatte schon über viele Auslandseinsätze zu entscheiden. Selten aber gab es so viele unterschiedliche und sich widersprechende Begründungen dafür wie in diesem Fall. Genannt werden die Absicherung der ersten demokratischen Wahlen, die Stabilisierung des Kongo, unsere Verantwortung für Afrika - was auch immer das ist -, Handlungsfähigkeit der EU-Militärpolitik beweisen, Sicherung der Rohstoffversorgung und der Handelswege bis hin zur Verhinderung gigantischer Migrantenströme nach Europa. Da ist für jeden etwas dabei.

   Die Wirkung ist aber nicht: je mehr Begründungen, desto überzeugender. Das Gegenteil ist der Fall, wie jetzt auch die jüngste �Stern�-Umfrage wieder gezeigt hat: Der weitaus größte Teil der deutschen Bevölkerung ist gegen diesen Einsatz im Kongo.

(Beifall bei der LINKEN - Rainer Arnold (SPD): Das sagen Populisten!)

   Wir bestreiten nicht die Ernsthaftigkeit all der Gründe, sich in Afrika zu engagieren. Auch ökonomische Interessen sind legitim. Wir sind aber dagegen, dass das Militär dabei eine Rolle spielen soll. Sie, Herr Schockenhoff, haben den Einsatz des Militärs mit den strategischen Rohstoffen des Kongo begründet. Aus der SPD hören wir dagegen, das sei alles Unsinn, es gehe nicht um Rohstoffe, sondern um die Stabilisierung des demokratischen Prozesses im Kongo. Ich frage Sie: Was haben wir denn eigentlich aus den sich rapide verschlechternden Verhältnissen in Afghanistan und im Irak gelernt? Sehen Sie nicht, dass militärische Gewalt immer nur weitere Gewalt erzeugt und eben nicht Demokratie, allenfalls eine seltsame Abart von Demokratie?

(Beifall bei der LINKEN)

   Man kann mit dem Militär natürlich eine Stadt für die Wahltage und die Wochen danach in einen Ausnahmezustand versetzen. Das kann das Militär leisten. Aber was kommt dann? Bei unserer gestrigen Diskussion im Auswärtigen Ausschuss glaubte kaum noch jemand an die Begrenzung dieses Einsatzes auf vier Monate. Steht uns hier vielleicht ein Einsatz von den Ausmaßen wie dem in Afghanistan ins Haus? Das kann niemand voraussagen.

   Der Kongo gehört zweifelsohne zu den rohstoffreichsten Regionen der Welt. Da gibt es auch keinen Einwand, wenn Sie fordern - ich zitiere Sie, Herr Schockenhoff -,

dass der Abbau dieser Ressourcen legal und nach marktwirtschaftlichen Aspekten erfolgt.
(Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU): Und der Bevölkerung zugute kommt!)

Wenn Sie damit aber den Einsatz des Militärs begründen, fragt man doch nach der Rolle des Militärs bei der Herstellung des freien Marktes.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Schockenhoff, meinen Sie etwa, dass das Militär auch die Verstaatlichung der Rohstoffe zum Nutzen der kongolesischen Bevölkerung, wie jüngst in Bolivien geschehen, absichern wird?

   Was kommt dann nach dem Kongo? Bundesverteidigungsminister Jung möchte mithilfe der Bundeswehr die Rohstoffversorgung weltweit sichern. Sie möchten - so steht es in Ihrem Weißbuch, was wir bisher leider nur aus der Presse erfahren -, dass sich die Bundeswehr wegen der Export- und Rohstoffabhängigkeit Deutschlands besonders den Regionen zuwenden soll, in denen kritische Rohstoffe und Energieträger gefördert werden. Da übernehmen Sie das, was schon 1999 in die neue NATO-Strategie geschrieben und später, 2003, in die Europäische Sicherheitsstrategie übernommen worden ist.

   Liegt es da allzu fern, wenn man den Kongoeinsatz jetzt gleichsam als Pilotprojekt für eine neue Afrikastrategie begreift? Kommt nach zahllosen feierlich ausgerufenen und gescheiterten Entwicklungsdekaden in Afrika nun vielleicht eine Militärdekade? So wie der völkerrechtswidrige Krieg gegen Jugoslawien seinerzeit die humanitäre Intervention begründen sollte, ist der Kongoeinsatz nun vielleicht ein Pilotprojekt für eine zukünftige Ressourcenintervention?

   Man kann das auch anders ausdrücken. Hier zitiere ich die Ihnen ja sehr wohl gesonnene �Süddeutsche Zeitung�, da kritisiert Joachim Käppner:

Sie benutzt die Bundeswehr wie eine beliebig einsetzbare Interventionsarmee.

Käppner warnt:

Das Abenteuer am großen Fluss könnte der Beginn eines neuen militärpolitischen Kapitels werden, nämlich dessen der Beliebigkeit und Bedenkenlosigkeit.

Er schließt:

... gleicht der Einsatz im Kongo tatsächlich einer Reise in die Finsternis.

   Das wollen wir der kongolesischen Bevölkerung ersparen. Das wollen wir den Bundeswehrsoldaten ersparen und das wollen wir uns selbst ersparen. Deswegen sind wir gegen diesen Einsatz.

   Danke sehr.

(Beifall bei der LINKEN)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Rainer Arnold, SPD-Fraktion.

Rainer Arnold (SPD):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Es ist richtig: Europa hat in Bezug auf Afrika eine Strategie. Aus dieser Strategie erwachsen Verantwortung und Ernsthaftigkeit. Deutschland hat im Dezember zugestimmt. Wenn jetzt das wichtige und große Land Kongo uns Deutsche und uns Europäer bittet, dann gilt es nicht zu kneifen. Wer ernsthaft eine europäische Sicherheits- und Verteidigungsidentität anstrebt, muss dieses Papier mit Leben erfüllen. Darum geht es eben auch.

   Herr Paech, wir müssen aufpassen, dass wir dieses Mandat nicht falsch zeichnen, was die Sicherheit und den Auftrag anbelangt. Wir Verteidigungspolitiker analysieren sehr sorgfältig und verantwortungsbewusst, welchem Risiko wir die Soldaten aussetzen. Das lassen wir uns von niemandem absprechen. Wir wissen, dass die deutschen Soldaten hervorragend auf ihren Einsatz vorbereitet werden. Wir wissen, dass in Potsdam ein exzellentes Zentrum für europäische Friedensmissionen aufgebaut wird. Wir zollen allen Respekt und sagen den Soldaten Dank, die ihre Beiträge leisten.

   Wir sollten aber auch nicht überzeichnen. Die Soldaten gehen nicht in ein feindlich gesinntes Land, sondern sie finden ein freundliches Umfeld vor, wo die Menschen die Soldaten begrüßen. Alle Parteien, die bei der Wahl antreten, haben sich für die Präsenz der Europäer ausgesprochen. Dies macht deutlich, dass es für die Bevölkerung ein wichtiges psychologisches Zeichen ist, wenn die Europäer ihre Flagge im Kongo hissten. Es ist wichtig, dass Europa diesen weiteren Schritt - das ist nicht der einzige Schritt, sondern nur ein Mosaikstein auf dem Weg zu einem friedlichen Kongo - absichert und hinter dieser demokratischen Wahl steht. Das ist die eine Aufgabe.

(Beifall bei der SPD)

   Die zweite Aufgabe ist eindeutig: Es hat eine abschreckende Wirkung, wenn europäische Soldaten mitten in der Hauptstadt Flagge zeigen. So wissen auch diejenigen, die möglicherweise das Wahlergebnis nicht akzeptieren, weil sie in der Minderheit sind, dass sie keine Chance hätten, wenn sie zu zündeln versuchten. Das ist eine wichtige Botschaft. Diese kommt, so wie das Mandat angelegt ist, dort an.

   Die dritte Aufgabe ist die Vorsorge. Falls es irgendwo schwierig wird, müssen wir natürlich Beistand leisten. Wir dürfen nicht vergessen: Deutschland ist längst im Kongo. Nicht deswegen, weil wir 80 Millionen Euro für die MONUC bezahlen - das tun wir auch -, sondern es sind Zigtausende von Europäern im Kongo. Es werden fast 1 000 Wahlbeobachter dort sein. Es wird zivile Unterstützung und es wird bilaterale Entwicklungshilfe geleistet. Glaubt jemand im Ernst, dass es uns Deutsche nichts anginge, wenn jemand in den nächsten Monaten in Bedrängnis käme? Natürlich würden wir dort im Zweifelsfall militärisch Hilfe leisten müssen. Darum geht es.

   Deshalb überrascht es mich schon ein bisschen, was die Kollegin von der FDP hier gesagt hat. Ich habe den Eindruck, Kollegin Homburger, dass Sie etwas durcheinander bringen. Der Verteidigungsausschuss ist zwar ein geschlossener Ausschuss, er hindert Sie aber nicht daran, die Informationen, die Sie dort erhalten, zur eigenen Willensbildung in Ihrer Fraktion zu verwenden. Mir scheint, dass das überhaupt nicht bei Ihnen geschieht. Sonst hätten Sie nicht solche Dinge behauptet. Sie stützen sich auf einige Vertreter, die auch Lobbyisten sind und die bestimmte Interessen wahrnehmen.

(Walter Kolbow (SPD): Sehr wahr!)

Hören Sie einmal zu, was Wissenschaft und Politik sagen, hören Sie einmal zu, was das Zentrum für Internationale Friedenseinsätze sagt! Hören Sie vor allen Dingen den Menschen zu - das haben wir getan -, die seit Jahren im Kongo leben! Deren Rat war uns bei der Analyse und bei der Mandatsfindung sehr wichtig.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Ich werde den Verdacht nicht los, dass die FDP mit ihrer doch stolzen Tradition der Außenpolitik jetzt aus eher populistischen Gründen dieses Mandat ablehnt,

(Dr. Werner Hoyer (FDP): Das ist billig!)

dies aber im Wissen tut, dass die beiden Koalitionsfraktionen die richtige Entscheidung treffen werden.

(Jörg van Essen (FDP): Wie schlecht müssen Ihre Argumente sein!)

Das klang bei Herrn Hoyer ein bisschen an.

   Wir werden das Richtige tun, weil wir der Auffassung sind, dass dieses Mandat notwendig und sehr wohl gut zu begründen ist. Es ist humanitär zu begründen. Wir stehen den Menschen im Kongo bei dieser Etappe bei. Sie dürfen nicht in das massenhafte Morden zurückfallen.

   Dieses Mandat ist im deutschen und europäischen Interesse, weil wir ein Interesse an Stabilität nicht nur im Kongo, sondern an der gesamten Region der südlichen Sahara haben müssen. Deshalb dürfen keine Fehlinterpretationen - das sage ich an die Adresse der Kollegen von der Linken - vorgenommen werden: Mit Rohstoffsicherung durch das Militär hat das nun wirklich gar nichts zu tun.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Wahr ist aber, dass die Wirtschaft und die Bevölkerung nur in einem stabilen Land, wo kriminelle Ausbeuter der Ressourcen zurückgedrängt werden, eine Chance haben, an diesen Rohstoffen zu partizipieren.

(Beifall bei der SPD)

Es ist nun wirklich nicht unanständig, wenn wir Deutschen sagen, dass wir das unter fairen Bedingungen erreichen wollen.

   Das Mandat hat eine dritte, in sich schlüssige Begründung: Wir tun das auch aus politischen Interessen. Wer in Sonntagsreden immer davon spricht, dass wir die internationalen Organisationen und das internationale Recht stärken müssen - das tut die FDP in ganz hohem Maße bezüglich der Vereinten Nationen -, der darf das am nächsten Tag nicht vergessen. Nein, internationales Recht und internationale Organisationen zu stärken, heißt auch, dass Deutschland nicht in eine Sonderrolle gerät, sondern gemeinsam mit Partnern agiert.

   Herr Hoyer, es ist falsch, dass sich alle anderen Europäer zurückhalten. Wir haben 18 Partner im Kongo.

(Jörg van Essen (FDP): Mit was denn? Mit Stabsoffizieren!)

- Natürlich kann Lettland keine Hundertschaften schicken. Das wissen Sie doch auch. Aber die Länder, die etwas leisten können, nämlich Frankreich, Spanien, Polen und natürlich auch die Bundesrepublik, interessanterweise auch die Schweden, leisten auch ihren Beitrag. Darüber bin ich sehr froh.

(Jörg van Essen (FDP): Großbritannien? Belgien? Niederlande? Italien?)

- Wenn Sie Großbritannien ansprechen, lassen Sie mich dazu eines sagen: Wir sollten mit dem britischen Partner fair umgehen. Was die britische Armee für die Staatengemeinschaft - ich rede jetzt gar nicht vom Irak, sondern von Afghanistan - in dieser schwierigen Situation in der ärmsten Region im Süden Afghanistans leistet, verdient unser aller Respekt und keine Kritik.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich denke, dieses Mandat ist auch von daher sehr begründet.

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.

Rainer Arnold (SPD):

Ich komme zum Ende. - Es gibt selbstverständlich keine Garantie - das ist immer so -, dass dieses Mandat gelingt; aber die Chancen sind gut. Eines weiß ich: Würden wir jetzt Nein sagen, würde Europa jetzt wieder einmal, wie in den vergangenen Jahren, in Bezug auf Afrika zur Seite schauen, würden wir in arge Bedrängnis geraten, wenn es im Kongo schief geht.

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Winfried Nachtwei, Bündnis 90/Die Grünen.

Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alle Vorrednerinnen und Vorredner haben betont, wie wichtig die Unterstützung der Demokratischen Republik Kongo gerade in dieser Situation ist. Das ist sehr gut. Das ist aber auch eine Selbstverpflichtung über die Wahlen und die EU-Mission hinaus. Das ist eine sehr wichtige Botschaft des Deutschen Bundestages - ich gehe dabei von 100 Prozent der Mitglieder des Deutschen Bundestages aus - gegenüber der kongolesischen Öffentlichkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Selbstverständlich geht es nicht darum, die Konflikte im Kongo militärisch zu lösen. Es hat einen mehrjährigen Friedensprozess gegeben. Es gibt ihn immer noch. Die Demobilisierung spielt dabei eine entscheidende Rolle. Immerhin konnten von 20 000 Kindersoldaten 16 000 demobilisiert werden. Das ist ein enormer Erfolg. Aber wie es auf Dauer keine Sicherheit ohne Entwicklung gibt, so gibt es auch keinen Aufbau, keine Entwicklung ohne Sicherheit. Diese beiden Erfordernisse als Alternative gegeneinander zu stellen, ist völliger Unsinn, widerspricht allen Erfahrungen in solchen Ländern und widerspricht völlig den Erfahrungen der Vereinten Nationen. Herr Gehrcke, das sollten Sie sich in der Tat einmal zu Gemüte führen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Dieser Kongoeinsatz ist ganz offensichtlich der bei weitem strittigste seit der Entscheidung über den Afghanistaneinsatz 2001. Man muss auch sagen, dass die Bundesregierung, vor allem in Gestalt des Verteidigungsministers, erheblich dazu beigetragen hat. Ginge es heute nur darum, den Zickzackkurs der Bundesregierung zu bewerten, dann könnte man mit Fug und Recht Nein sagen. Aber es geht dabei noch um ein paar andere Sachen. Ich will zu den einzelnen Fragen Stellung nehmen.

   Ist diese Mission zwingend notwendig oder überflüssig? Wer behauptet, sie sei überflüssig, ignoriert damit die eindeutigen Positionen und Forderungen der UNO in New York und der Blauhelmmission MONUC in Kinshasa; aber nicht nur diese, sondern auch die der großen Masse der kongolesischen Zivilgesellschaft. Sie wollen dies vor allem.

   Wenn Sie hier den Evangelischen Entwicklungsdienst zitieren, dann, Frau Kollegin Homburger, zitieren Sie bitte korrekt. Der Vorsitzende, Konrad von Bonin, hat festgestellt: Auch die Partner des EED im Kongo erhoffen sich überwiegend eine Absicherung der Wahlen durch die MONUC und die EU-Sondertruppe und begrüßen die deutsche Beteiligung.

(Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD): Hört! Hört!)

Es ist in allen Gesprächen aber auch deutlich geworden, dass für sie die Beteiligung der EUFOR im Kongo nur ein kleiner Teil dessen ist, was sie längerfristig von der Europäischen Union und insbesondere von Deutschland im Rahmen der Politik der EU erwarten. Das ist völlig richtig. Denn beides gehört zusammen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

   Handelt es sich hier um eine Showveranstaltung, wie zum Beispiel der Vorsitzende des Bundeswehr-Verbandes sagt, oder ist es abenteuerlich? Herr Westerwelle, man muss es immer wieder feststellen: Seit Wochen ziehen Sie durchs Land und verzerren mutwillig den Auftrag dieser Mission.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Sie tun so, als sei diese Mission für die gesamte Stabilisierung verantwortlich. Das ist Unsinn. Wir und auch Sie wissen es besser: EUFOR ist nur ein Teil eines ganzen Stabilisierungspakets. Es geht um die Unterstützung von MONUC in einer kritischen Phase, vor allem in der Region Kinshasa.

   Zu den Risiken. Die anfänglichen Festlegungen haben auch bei mir Zweifel geschürt, ob diese Mission glaubwürdig und verantwortbar ist. So, wie sie jetzt gestaltet ist - mit stärkeren Kräften und dem jetzigen Einsatzkonzept -, meine ich, ist sie glaubwürdig verantwortbar und richtig.

(Jörg van Essen (FDP): Beeindruckend: �stärker�!)

Man muss auch feststellen, dass alle Experten in UN-Friedensmissionen, die Sie fragen, sagen: Auch mit einer recht kleinen, aber professionellen Truppe kann man eine ganz erhebliche abschreckende Wirkung hinbekommen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der SPD)

Außerdem sollte man bei den Risiken auch bedenken, welchen Risiken wir denn die ungeschützten Wahlbeobachter aussetzen. Von unseren Zivilexperten, die dort arbeiten, wird gar nicht gesprochen.

   Diese EU-Mission ist notwendig, aber keineswegs hinreichend für die friedlichen Wahlen und eine nachhaltige Stabilisierung. Die Bundesregierung und die EU müssen alles für die politische Deeskalation im Vorwahlkampf tun. Nach den Wahlen - das ist mehrfach festgestellt worden; wir können es nur bekräftigen - geht die Arbeit allerdings erst richtig los. Dies wurde in Kinshasa von verschiedenen Organisationen betont, jetzt auch richtigerweise von humanitären und Entwicklungsorganisationen.

   Dann geht es zum Beispiel um dieses Hemd, das ich aus einem Demobilisierungscamp im Kongo mitgebracht habe. Die Demobilisierung, die Reintegration von Milizionären und Kindersoldaten ist ein entscheidender Punkt bei der Stabilisierung des Kongo über die Wahlen hinaus. Hier leistet die kongolesische Zivilgesellschaft fantastische Arbeit.

   Ich meine, dass wir in dieser Situation die kongolesische Zivilgesellschaft, die große Erwartungen an die Europäische Union und auch an die Bundesrepublik richtet, nicht enttäuschen und nicht entmutigen sollten, sondern nach besten Kräften jetzt, im nächsten Jahr und in den Folgejahren unterstützen sollten. Deshalb bitten wir um Ihre Zustimmung, auch wenn wir Gegenstimmen selbstverständlich respektieren.

   Danke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Hans Raidel, CDU/CSU-Fraktion.

Hans Raidel (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer sich mit dem Kongo beschäftigt, wer die Menschen dort ein bisschen kennt, wer Afrika ein bisschen kennt, weiß ganz genau, wie sehr sich der Kongo jetzt nach Frieden sehnt, wie er diese Wahlen herbeiwünscht. Gerade wir in Europa, gerade wir in Deutschland können einen Beitrag dazu leisten. Auch das wird ganz besonders begrüßt. Wer Afrika insgesamt helfen will, der muss jetzt helfen, dieses Signal geben und im Rahmen dieser Mission im Kongo präsent sein.

   Wir führen eine erstaunliche Debatte. Diejenigen, die verbal ständig die helfende Hand ausstrecken, ziehen sie in dem Moment, in dem die helfende Hand ergriffen werden soll, zurück. Das ist scheinheilig und wird auch der Würde dieses Hauses nicht gerecht.

(Walter Kolbow (SPD): Sehr wahr!)

   Ich bitte Sie sehr herzlich, sich die Fakten anzusehen; sie wurden alle schon aufgezählt. Die UNO hat die EU darum gebeten, ein Kontingent zu stellen. Auch die Afrikanische Union ist dafür. Im Kongo haben sich selbst die politisch Verantwortlichen dazu bereit erklärt, diesen Prozess zu unterstützen, damit die Demokratisierung voranschreiten kann. Dennoch führen wir - in ganz Europa nur wir - diese quälende Debatte über diesen Einsatz. In keinem anderen Land, weder in Frankreich noch sonst wo, wird eine derartige Debatte geführt.

   Wir sollten uns schon von den positiven Vorgängen beeindrucken lassen, die im Kongo mittlerweile geschehen sind. Das ganze Land steht vor einer entscheidenden politischen Weichenstellung. Der Kollege Kolbow hat zu Recht den südafrikanischen Präsidenten zitiert, der festgestellt hat: Der afrikanische Kontinent wird sich nur stabilisieren lassen, wenn der Kongo stabilisiert werden kann. Damit sind auch die Interessenlagen der internationalen Gemeinschaft prägnant beschrieben.

   Diese Wahlen bieten dem Kongo endlich die Chance, das Land in wirtschaftlicher, kultureller und sozialer Hinsicht wieder aufzubauen und für ein besseres Leben der Bevölkerung zu sorgen. Deswegen braucht der Kongo gerade jetzt viele helfende Hände.

   Wir haben uns die Entscheidung über die Rahmenbedingungen dieses Einsatzes nicht leicht gemacht. Der Kollege Siebert hat darauf hingewiesen, dass der Verteidigungsminister auf europäischer Ebene dafür geworben hat, dass nicht, wie eigentlich vorgesehen war, das Battle-Group-Konzept reinrassig zum Einsatz kommt, sondern dass sich Europa breit aufstellt und viele Länder durch die Bereitstellung von Kontingenten helfen.

   Wir helfen schon jetzt - auch das sollte noch einmal erwähnt werden - mit sehr vielen Programmen. Es ist einfach nicht wahr, dass wir noch ganz am Anfang stehen. Vielmehr handelt es sich hier um einen Prozess, der mit den bevorstehenden Wahlen seinen vorläufigen positiven Abschluss findet, der aber auch zu einem Neubeginn beitragen soll. Wir müssen alles tun, um dafür zu sorgen, dass das bisherige Engagement nicht umsonst gewesen ist.

   Die politischen Rahmenbedingungen für diesen Einsatz sind geschaffen. Das deutsche Kontingent, das wir im Rahmen der EU stellen, ist das Beste vom Besten. Die deutsche Truppe besteht im Wesentlichen aus Fallschirmjägern, die bestens auf ihre Aufgaben vorbereitet, gut ausgebildet und gut ausgerüstet sind. Auch die medizinische Versorgung - darauf haben wir sehr großen Wert gelegt - hat einen hohen Standard und ist gewährleistet.

   Im Verteidigungsausschuss haben wir uns sehr genau und im Detail mit diesen Dingen befasst. Wer sie ordentlich einordnet und auch den militärischen Wert richtig beurteilt, der kann feststellen, dass die gesamte Mission sowohl in strategischer als auch in einsatztaktischer Hinsicht - einschließlich einer guten Notfallplanung - hervorragend und sehr fürsorglich geplant worden ist, um die Gefährdungen, die unzweifelhaft vorhanden sind, zu minimieren. Ich habe im Ausschuss dem Generalinspekteur und dem Verteidigungsminister ausdrücklich für die fürsorgliche Planung gedankt und ich habe festgestellt, dass wir diesem Einsatz bei diesen Maßgaben, bei diesen Einsatzplänen, mit gutem Gewissen zustimmen können.

   Ich möchte das zurückweisen, was Herr Gertz, der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, gesagt hat. Das Parlament betreibt kein �politisches Showbusiness� mit militärischen Mitteln. Wir gehen verantwortungsvoll mit unseren Soldaten um,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

sei es in Afghanistan, sei es auf dem Balkan oder jetzt im Kongo. Recht hat er allerdings, wenn er feststellt, dass die europäische Afrikastrategie wieder mehr in den Mittelpunkt gestellt werden muss. Das geschieht meiner Auffassung nach mit der heutigen Abstimmung über dieses Mandat. Es gibt objektiv kaum einen Grund, gegen diesen Einsatz zu stimmen, es gibt aber viele Gründe für diesen Einsatz. Wer dem Kongo wirklich helfen will, der muss heute mit Ja stimmen.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Gert Winkelmeier.

Gert Winkelmeier (fraktionslos):

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine ablehnende Haltung im Hinblick auf eine Beteiligung deutscher Streitkräfte an einem Einsatz in der Demokratischen Republik Kongo hatte ich bereits in der letzten Debatte begründet. Ich möchte mich jetzt einmal mit den fünf Bedingungen auseinander setzen, die Minister Jung in der letzten Debatte dargestellt hat. Meines Erachtens werden diese Voraussetzungen, die er für einen robusten Einsatz nannte, in der Öffentlichkeit bewusst falsch dargestellt.

   Erstens. Ein Votum der Vereinten Nationen gibt es. Das erfolgte aber erst, als die Entscheidungen auf Regierungsebene längst getroffen waren; das war bereits Ende 2005.

   Zweite Voraussetzung war die Zustimmung der kongolesischen Regierung. Tatsache ist aber, dass diese so ziemlich als letzte gefragt wurde; Herr Solana musste Herrn Kabila regelrecht drängen. In der Europäischen Union war zu dieser Zeit der Hauptgrund für den Einsatz - die Demonstration eigener militärischer Handlungsfähigkeit - schon längst beschlossene Sache.

   Die dritte Bedingung sollte eine breite europäische Beteiligung sein. Auch da lügt man sich in die Tasche: Von den 1 500 Soldaten der Einsatzkräfte - ich lasse hier einmal die 280 zusätzlichen deutschen Soldaten beiseite - stellen Deutschland und Frankreich jeweils ein Drittel, das letzte Drittel teilen sich 16 andere EU-Nationen; das ist reine Symbolik.

   Die vierte und fünfte Bedingung sollten die räumliche und die zeitliche Begrenzung sein. Selbst Militärangehörige sagen, dass dies, falls es zu Kampfhandlungen kommt, nicht einzuhaltende Bedingungen sind.

   Verteidigungsminister Jung, ich stelle fest, Sie haben mit Ihrem berühmten Vorgänger im Amt nicht nur den Vornamen gemeinsam, sondern auch die Art und Weise, sich die Bedingungen so hinzubiegen, wie es im Interesse der großen global agierenden Konzerne gebraucht wird. Das ist auch der Grund, warum die Bundesregierung um ein Mandat für diesen Einsatz gebeten hat. Wie es in der Rede, die Minister Jung in der letzten Sitzung hielt, heißt - man kann es im Protokoll nachlesen -, hat die Bundesregierung um einen solchen Einsatz gebeten.

   Der Bundesregierung werfe ich vor, dass sie die Unterstützung von demokratischen Wahlen im Kongo von Anfang an unter dem militärischen Aspekt diskutiert hat. Es ist zu erfahren, dass lediglich rund 200 zivile Wahlbeobachter aus der EU eingesetzt werden sollen - und das in einem Land, das fast siebenmal so groß ist wie die Bundesrepublik Deutschland, in dem es ca. 50 000 Wahllokale geben wird, in dem sich fast 28 Millionen Wähler haben registrieren lassen, in dem Bedingungen herrschen, unter denen sogar der An- und Abtransport der Wahlmaterialien die heimische Bevölkerung logistisch vor große Probleme stellte.

   Unter diesem Aspekt ist die Zahl der zivilen Wahlbeobachter schlicht lächerlich. Mehrere zehntausend Wahlbegleiter wären notwendig, wie alle kirchlichen und entwicklungspolitischen Organisationen sagen. Unser Land hätte sich weltweit als helfende Nation einen guten Namen machen können, wenn es Initiativen ergriffen hätte, damit mehr Wahlhelfer und Wahlbeobachter die Wahl im Kongo absichern.

   Stattdessen hat es die Bundesregierung zugelassen, dass im Zusammenhang mit dieser Wahl immer nur in militärischen Kategorien gedacht wird. Mit dem robusten Militäreinsatz im Kongo tritt die Bundesregierung in eine neue Phase der Militarisierung der Außenpolitik ein. Diese Phase wird irgendwann einmal in einem Fiasko enden; davon bin ich überzeugt.

   Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Christoph Strässer, SPD-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Christoph Strässer (SPD):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei solchen Debatten ist es nicht unüblich, dass man Kronzeugen bemüht. Ob sie einem ansonsten in das politische Konzept passen oder nicht, ist dabei meist zweitrangig. Ich möchte zwei Kronzeugen benennen, die aus meiner Sicht unverdächtig sind, in ein bestimmtes politisches Lager einsortiert zu werden.

   Als Ersten nenne ich Denis M. Tull. Er ist Afrika-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin und hat in Bezug auf den Bundeswehreinsatz gesagt:

Man hat in die UN-Mission Milliarden investiert und in Aufbauhilfe, die nun langsam Erfolg trägt. Die Wahlen sind jetzt eine kritische Schwelle, über die das Land gehen muss. Wenn man in diesem Moment durch einen relativ kleinen Beitrag zum Erfolg beitragen kann, halte ich das für eine gute Investition.

Diese Aussage ist zutreffend.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Die zweite Aussage kommt von Ross Mountain, dem Nothilfekoordinator der Vereinten Nationen, der, wie ich denke, auch unverdächtig ist, irgendeinem Lager zugeordnet zu werden. Er hat am 17. Mai 2006 im ZDF Folgendes gesagt - ich bitte all diejenigen, besonders zuzuhören, die so wie der Kollege eben der Meinung sind, wir würden das alles ausschließlich unter militärischen Aspekten diskutieren -:

Die Europäische Union hat sich schon lange im Kongo engagiert, es ist wichtig, dass sie während der Wahlen Verantwortung zeigt� Ein paar hundert Soldaten können einen großen Unterschied machen. Abschreckung ist wichtig.

Meine Damen und Herren, wir sollten diese Stimmen ernsthaft zur Kenntnis nehmen und sie in der Debatte berücksichtigen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

   Ich möchte auf den Kollegen Hoyer eingehen, der mehr oder weniger unterstellt hat, die Regierungsfraktionen würden dem Votum der Bundesregierung folgen, weil sie dazu gezwungen seien. Nein, lieber Kollege Hoyer, das Gegenteil ist richtig: Wir haben in unserer Fraktion sehr intensiv über dieses Thema diskutiert und haben die Argumente ausgetauscht. Ich habe großen Respekt vor den Kolleginnen und Kollegen, die heute Nein sagen werden. Wir haben aber bei uns Argumente gehört, die tiefer gegangen sind und die zutreffender sind als die, die hier heute von der FDP und der Linkspartei vorgebracht wurden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Ich will drei Punkte ansprechen, von denen ich glaube, dass sie bewusst oder unbewusst desorientierend wirken:

   Erstens. Frau Kollegin Homburger hat die Entscheidung der Vereinten Nationen angesprochen und gesagt, man müsse nicht alles übernehmen, was von den Vereinten Nationen komme. Richtig! Wir haben gesagt - das ist vernünftig und soll in diesem Hohen Hause auch so bleiben -: Ein Militäreinsatz kann unter völkerrechtlichen Aspekten nur dann stattfinden, wenn es eine entsprechende Entscheidung des Weltsicherheitsrates gibt. Dies ist die Kernaussage. Ohne eine solche Entscheidung würden wir die Diskussion in diesem Hohen Hause nicht führen. Das sollten wir bedenken.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Zweitens. Ich will etwas anführen, was deutlich macht, dass diese Argumente schlecht sind: Auf das Bezug zu nehmen, was im Irak passiert ist, zeigt, dass Sie die Dimensionen dieses Einsatzes und des Irakkrieges völlig durcheinander bringen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der Irakkrieg war ein Angriffskrieg, dem wir mit guten Gründen widerstanden haben. Das mit der Wahlbeobachtung und der Unterstützung von Wahlen zu vergleichen, ist aus meiner Sicht schon zynisch. Das möchte ich an dieser Stelle deutlich sagen. Das kann man nicht als politischen Grund nennen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Drittens. Diese Bemerkung richte ich an Sie, Herr Kollege Gehrcke. Ich finde, es ist desorientierend und unwahr, wenn man sagt, die Bundesrepublik Deutschland hätte sich besser darauf verstanden, zu unterstützen, dass die MONUC-Truppe aufgestockt wird. Aber Sie wissen doch wohl - das muss der Ehrlichkeit, der Fairness und der Transparenz wegen an die Kritiker gesagt werden -: Der Weltsicherheitsrat hat die Aufstockung des MONUC-Mandats zweimal abgelehnt und uns gegenüber auf der Grundlage einer MONUC-Entscheidung die Bitte geäußert, das zu tun, worüber wir heute entscheiden. Das alles sollte man nicht durcheinander schmeißen und dadurch den Eindruck erwecken, es hätte Alternativen gegeben.

(Beifall bei der SPD)

   Ich möchte noch etwas sagen, was mir wirklich sehr am Herzen liegt. Hier ist schon wieder behauptet worden, wir würden diese ganze Veranstaltung ausschließlich unter militärischen Aspekten sehen. Dies ist unzutreffend. Ich darf nur eine Zahl nennen, damit man eine kleine Vorstellung von der Dimension erhält, welche europäische nichtmilitärische und zivile Hilfe und Unterstützung in diesem Land bereits geleistet worden ist. 640 Millionen Euro wurden für Bewässerungsprojekte, für Demobilisierungsprojekte und für viele gute zivile Maßnahmen zur Verfügung gestellt, die richtig sind und die fortgesetzt werden müssen. Dazu dient auch dieser Einsatz.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Ein letzter Punkt: Natürlich sollten wir die zivile Konfliktbewältigung präferieren. Ich sage aber: Es kann nicht richtig sein, dass wir Menschen in einen Failing State wie den Kongo schicken, die dort in Lebensgefahr geraten. Wir erleben gerade in Osttimor, dass zivile Hilfsorganisationen evakuiert werden müssen, weil die Sicherheitslage in diesem Land so ist, dass man sie nicht dort belassen kann.

   Deshalb ist das, was wir dort tun, eine klare und deutliche Unterstützung für den zivilen Aufbau. Wir brauchen diese Maßnahme. Aus meiner Sicht kann ich diesem Antrag nur aus vollem Herzen und nicht gezwungen zustimmen.

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Ich erteile Kollegen Hartwig Fischer das Wort und bitte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, herzlich, dem Kollegen Fischer die Chance zu geben, gehört zu werden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU):

Herzlichen Dank. - Herr Präsident! Ich bemühe mich auch, die Aufmerksamkeit des Hauses zu erhalten, und sage als Erstes, dass ich es für ungeheuerlich halte, dass sich jemand von den Linken, der niemals im Kongo gewesen ist - niemand aus Ihrer Fraktion war dort -, hier hinstellt und von �irgendwelchen Pakistanis� spricht, die dort im Rahmen der UN ihren Einsatz leisten und im Osten des Kongo mit zur Befriedung beigetragen haben.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Wer hier behauptet, es gebe kein Gesamtkonzept, der spricht wider besseres Wissen. Es war nicht allein die Operation ARTEMIS, sondern es war die Völkergemeinschaft, die die verfeindeten Truppen zueinander gebracht und eine Übergangsregierung, zusammengesetzt aus den gegensätzlichen Truppen, geschaffen hat. Durch die Operation ARTEMIS wurde dann dafür gesorgt, dass insbesondere im Osten des Kongo eine Grundbefriedung eingetreten ist. Nach dem Zeitplan hat es dann das Verfassungsreferendum gegeben.

   Meine Damen und Herren, was ist denn eigentlich eine nachhaltige zivile Friedenspolitik? Das ist das, was die europäische und die deutsche Entwicklungspolitik in den vergangenen Jahren im Kongo geleistet haben. Es waren Deutsche und Europäer, die beim Aufbau der Justiz mit dazu beigetragen haben, dass es inzwischen auch im Ostkongo funktionierende Gerichte gibt. Durch EUPOL - dazu gehören auch deutsche Polizisten - wurde dazu beigetragen, dass die Polizei langsam aber sicher wieder nach rechtstaatlichen Prinzipien arbeitet. Im Rahmen von EUSEC wurde seit der Operation ARTEMIS dazu beigetragen, dass die Armee demobilisiert und neu aufgestellt wurde. Wir sind aber noch längst nicht am Ende dieses Prozesses. Deutsche Entwicklungshelfer und Organisationen haben dazu beigetragen, dass es inzwischen nicht mehr 30 000, sondern weit unter 15 000 Kindersoldaten gibt. Die anderen sind demobilisiert und zurückgeführt worden, sodass sie wieder eine Chance auf eine Zukunft haben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Aus Ihrer Fraktion waren keine Parlamentarier im Kongo und Sie haben nicht mit den vergewaltigten Frauen und mit den Kindern gesprochen, die dort misshandelt worden sind und einen Teil ihrer Identität verloren haben. Nur jemand, der das nicht erlebt hat, kann so sprechen, wie Sie das hier im Parlament getan haben. Das EU-Mandat im Auftrag der UN unter Führung der deutschen Bundeswehr ist ein Friedensmandat, ein Stabilisierungsmandat. Es ist eine militärische Komponente neben der zivilen Sicherung, die wir in den vergangenen Jahren bereits aufgebaut haben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist doch eben deutlich gemacht worden, dass es auch die europäische und deutsche Beteiligung gewesen ist, die dazu geführt hat, dass friedlich und mit großer Mehrheit ein Verfassungsreferendum überhaupt erst einmal vorbereitet werden konnte. Die Europäische Union, aber auch die GTZ und die Konrad-Adenauer-Stiftung haben vor Ort für dieses Verfassungsreferendum nicht nur geworben, sondern es ist bis ins Detail hinein auch informiert worden. Ich sage Ihnen ganz offen: Ich habe in den Gesprächen mit allen Nichtregierungsorganisationen, mit Opposition und Regierung zusammen mit meiner Kollegin Schäfer feststellen können, dass die Menschen in vielen Fällen nicht gewusst haben, worüber sie im Detail bei dieser Verfassung abstimmen. Aber die Menschen haben gewusst, dass dies die Grundvoraussetzung für Wahlen ist.

   Wir stehen jetzt am Vorabend von Entscheidungen, die dazu beitragen können, dass ein zentraler Unruheherd in Afrika befriedet wird. Keiner von uns kann eine Garantie geben. Aber wir können versuchen, die Kongolesen bei dieser zum ersten Mal stattfindenden freien und geheimen Wahl einen Anflug von Sicherheit spüren zu lassen.

   Wir sind als neutrale Partner im Kongo angesehen, weil wir keine koloniale Vergangenheit haben. Dies müssen wir in die Waagschale werfen. Deshalb bitte ich alle hier im Hause, heute bei der Abstimmung daran zu denken, dass es die Völkergemeinschaft gewesen ist, die einst dem Genozid in Ruanda tatenlos zugesehen hat. Wir haben jetzt die Gelegenheit, mit einem kurzen militärischen Einsatz einem Volk die Chance zu geben, in freier Verantwortung seine Parlamentarier und seinen Präsidenten zu wählen. Dann kommt auf uns gemeinsam die schwierige Aufgabe zu, diesen Prozess zu begleiten, weil die Hoffnungen der Bürgerinnen und Bürger enorm sind. Deshalb bitte ich Sie ganz herzlich, nicht nach Fraktionszwang, sondern nach Ihrem Gewissen zu handeln und mit der blauen Karte abzustimmen.

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Ich schließe die Aussprache.

   Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Drucksache 16/1649 zu dem Antrag der Bundesregierung zur Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Operation in der Demokratischen Republik Kongo auf Grundlage der Resolution 1671 (2006) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 16/1507 anzunehmen.

   Es ist namentliche Abstimmung verlangt. Bei der Stimmabgabe bitte ich alle Kolleginnen und Kollegen, sorgfältig darauf zu achten, dass die Stimmkarten, die Sie verwenden, Ihren Namen tragen. Es liegen inzwischen von 47 Kolleginnen und Kollegen schriftliche Erklärungen zur Abstimmung vor; die Zahl steigt ständig. Ich will zudem ausdrücklich darauf hinweisen, dass im Anschluss an die namentliche Abstimmung noch fünf weitere Abstimmungen zu diesem Thema stattfinden.

   Ich bitte nun die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Das ist passiert. Dann eröffne ich die Abstimmung.

   Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit dem Auszählen zu beginnen. Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.

   Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, ihre Plätze wieder einzunehmen, weil wir nun noch eine Reihe von Abstimmungen durchführen müssen.



Quelle: www.bundestag.de


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