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Umsturz in Zaire

Vor 15 Jahren endete die Mobutu-Diktatur in dem zentralafrikanischen Land. Regionale Konflikte prägen seither die Entwicklung der Demokratischen Republik Kongo

Von Simon Loidl *

Im Mai 1997 veränderte sich die politische Landschaft im Kongo – damals noch Zaire – grundlgegend. Die fast 32 Jahre andauernde Diktatur Joseph-Désiré Mobutus endete, der Rebellenführer Laurent-Désiré Kabila übernahm die Macht.

Bereits Anfang Mai hatten auf Vermittlung des Präsidenten Südafrikas, Nelson Mandela, Verhandlungen zwischen den beiden politischen Hauptprotagonisten stattgefunden. Der nicht nur politisch, sondern auch gesundheitlich stark geschwächte Mobutu traf auf dem südafrikanischen Militärschiff SAS Outeniqua mit dem Anführer der »Allianz der demokratischen Kräfte zur Befreiung des Kongo« (AFDL) zusammen. Kabila hatte sein Erscheinen zunächst hinausgezögert. Er beklagte mangelnde Sicherheitsvorkehrungen und ließ den ersten Termin einfach platzen. Die schließlich einen Tag später beginnenden Gespräche waren zu diesem Zeitpunkt beinahe nur mehr Formsache – Kabilas Triumph war bereits absehbar, und Mobutu formulierte die Bedingungen für seinen Rücktritt bereits aus der Position des Verlierers. Sein Vorschlag, die Macht an einen neu zu wählenden Präsidenten zu übergeben, hätte ihm sein Amt noch für einige Monate gesichert. Doch die Rebellen ließen sich angesichts der Kräfteverhältnisse nicht ernsthaft auf einen Waffenstillstand als Voraussetzung für Wahlen ein. Unmittelbar nach den Verhandlungen rückten ihre Einheiten weiter auf die Hauptstadt Kin­shasa vor. Am 16. Mai floh Mobutu ins Exil, einen Tag später ernannte sich Kabila zum Präsidenten, erklärte die Verfassung für ungültig und benannte Zaire in Demokratische Republik Kongo um.

»Lumumbistische« Revolte

Die AFDL, gegründet im Oktober 1996, war ein Bündnis der Mobutu-Gegner und versammelte Anhänger unterschiedlicher Parteien. Kabila selbst sah sich in der Tradition des 1961 unter CIA-Anleitung ermordeten Patrice Lumumba.

Mobutu, der in den Wirren nach Lumumbas Ermordung die Macht übernommen hatte, beendete dessen antikolonialen Kurs und orientierte sich an seinen Gönnern in den USA, Frankreich und Belgien. Allerdings enthielten Mobutus Weichenstellungen auch Elemente, die eine Stärkung der Souveräntität des Landes mit sich brachten. Es gelang ihm zunächst, nationale Interessen, jene der alten und der neuen Kolonialmächte mit seinen persönlichen zumindest ansatzweise zu verknüpfen. So verstaatlichte er etwa die Minengesellschaft, sorgte aber gleichzeitig dafür, daß durch die Zusammensetzung des Führungspersonals des Unternehmens belgische Interessen gewahrt blieben.

An den Gewinnen aus der Rohstoffförderung, von denen fortan mehr im Land verblieben als zuvor, bediente sich Mobutu schließlich im Verlauf seiner Herrschaft immer großzügiger. Dabei steckte er auch Gelder ein, die der Absicherung westlicher Interessen dienen sollten. Dies führte dazu, daß Mobutu vor allem in den USA zunehmend in Ungnade fiel. Hinzu kam, daß die Ausbeutung der mineralischen Ressourcen des Landes ineffizient durchgeführt wurde. Mobutu wurde im Westen bald als unfähig angesehen, die ihm zugedachte Rolle einzunehmen. Da sich gleichzeitig Kabila als weit weniger radikal erwies, als seine Vergangenheit und auch das AFDL-Programm vermuten ließen, wurde der Diktator schließlich von seinen Unterstützern in Washington endgültig fallengelassen. Dabei spielte auch die Konkurrenz zwischen den USA und Europa eine Rolle. War der zentralafrikanische Raum traditionell von Frankreich und Belgien kontrolliert worden, begannen die USA seit den 1990er Jahren verstärkt, ihren Anspruch auf Mitsprache in der Region zu artikulieren.

Kabilas Politik erschien vielen Beobachtern des Aufstands zunächst als »lumumbistische« Revolte gegen die Diktatur. Viele waren deshalb erstaunt über die raschen Abkommen, die die Rebellen mit internationalen Rohstoffkonzernen abschlossen. Noch vor der Machtübernahme durch Kabila wurden in den bereits befreiten Regionen des Landes Förderrechte an internationale Minengesellschaften veräußert.

Erst später wurde das Ausmaß der US-amerikanischen Unterstützung des Aufstandes bekannt. Der US-Botschafter in Ruanda, Peter Whaley, etwa hielt seit der Gründung der AFDL engen Kontakt zu der Organisation. Heute ist von einer massiven Finanzierung und militärischen Unterstützung von Kabilas Bewegung durch die USA auszugehen. Hinzu kam die Einmischung der Nachbarstaaten des Kongo. So kämpften etwa ruandische und ugandische Soldaten an Kabilas Seite, Offiziere aus diesen Ländern befehligten AFDL-Einheiten. Innerhalb kürzester Zeit überrannten die Rebellen das Riesenland und stießen dabei auf verhältnismäßig wenig Widerstand. Das alte Regime befand sich in einem fortgeschrittenen Auflösungsprozeß. Selbst die Einnahme Kinshasas ging relativ rasch vonstatten, bei den Kämpfen gab es um die 200 Tote – Beobachter hatten zuvor vor einem lang andauernden Blutbad mit Tausenden Opfern gewarnt.

Kupfer, Gold, Diamanten

Die Zeit zwischen Kabilas Regierungsantritt und seiner bis heute nicht vollständig aufgeklärten Ermordung im Januar 2001 ist zu kurz, um einschätzen zu können, welche längerfristigen Strategien er für die Demokratische Republik Kongo verfolgte. Er war der bislang letzte afrikanische Politiker, der mit Hilfe einer sich antikolonial artikulierenden Bewegung an die Macht kam, um dann eine de-facto-Einparteienherrschaft zu errichten, deren Politik liberal und Kompromissen mit den Akteuren des Imperialismus nicht abgeneigt war. Laurent-Désiré Kabilas Sohn und Nachfolger, Joseph Kabila, profitiert bis heute von der Reminiszenz an den antikolonialen Kampf, die bereits bei seinem Vater vor allem ein gut gepflegtes Image war.

Laurent-Désiré Kabilas Präsidentschaft war vor allem durch den zweiten Kongokrieg geprägt. Hunderttausende starben und Millionen flohen vor den Kampfhandlungen zwischen verschiedenen Rebellengruppen und Regierungstruppen. Unter anderem unterstützten Angola, Namibia, Simbabwe, Sudan, Tschad und die Zentralafrikanische Republik die Regierung Kabila militärisch, während Ruanda, Uganda und Burundi auf der Seite der Rebellengruppen eingriffen. Hinzu kam die militärische und politische Einmischung durch westliche Regierungen und Geheimdienste. Bis heute sind bewaffnete Gruppen in den unkontrollierbaren Urwaldregionen des Riesenlandes aktiv, immer wieder flackern Kämpfe auf.

Ursache der Auseinandersetzungen sind die reichen Vorkommen an Gold, Diamanten, Kupfer und Coltan, aus welchem das in der Mikroelektronik unentbehrliche Tantal gewonnen wird. Über die teilweise direkte Finanzierung von Rebellengruppen durch internationale Konzerne wird immer wieder berichtet – in der tagesaktuellen Berichterstattung werden Kämpfe in der Region dennoch meist als ethnisch motivierte Fehden dargestellt.

* Aus: junge Welt, Samstag, 12. Mai 2012

Quelle: Der Tycoon aus Schweden

Meldung der südafrikanischen Presseagentur SAPA vom 4. Mai 1997

Wie andere Minenunternehmer aus aller Welt ist auch der schwedische Tycoon Adolf Lundin erpicht darauf, mit den Rebellen, die bereits drei Viertel des ressourcenreichen Zaire kontrollieren, Geschäfte zu machen. Lundin unterschrieb im vergangenen Jahr ein Abkommen mit der staatlichen Minengesellschaft Gécamines. Aber nun, da die von Laurent Kablia angeführte Rebellenallianz die Tenke-Fungurume-Mine kontrolliert, ist Lundin bereit, der Allianz die ersten 50 Millionen Dollar eines 250-Millionen-Dollarvertrages für »die größte Kupfermine der Welt« zu bezahlen.

(...) Lundin sah das Gelände 1994 zum ersten Mal – zwanzig Jahre, nachdem in Untersuchungen auf das Potential des Gebietes hingewiesen wurde. Er brachte die ersten 86,5 Millionen Dollar für ein Joint Venture mit der staatlichen Minengesellschaft auf. Der Aufstand hat einige von Lundins Unterstützern verunsichert. Er versprach den Investoren, daß ihre Anlagen sicher seien.

(...) Der Bergbauminister der Rebellen, Kambale Mututulo, nannte das Projekt eines der wichtigsten in Zaire. »Dies wird andere ermutigen herzukommen, wenn sie wissen, daß große Investoren keine Angst davor haben, sich hier zu engagieren«, so Mututulo. Während es vielen Sorge bereitet, in einem Land in Aufruhr zu investieren, beruhigt Lundin bereits ein Blick von der Kwatebala-Anhöhe über seine Besitztümer. »Es ist ein unglaubliches Abenteuergefühl – und nicht allein Abenteuer«, sagt er und fügt hinzu: »Das Kupfer ist da. Die einzige Beschränkung sind unsere eigenen Fähigkeiten, etwas zu tun.«




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