Reiches Land, armes Land
Kongo: Der Friedensprozess kommt nur langsam voran
Im Folgenden dokumentieren wir Auszüge aus einem Hintergrundbericht über die Bedeutung der Bodenschätze für den Bürgerkrieg im Kongo. Der vollständige Artikel erschein am 4. April 2002 in der Schweizer Wochenzeitung WoZ.
Von Ruth Weiss
...
Nächstes Mal, wenn wir unser ach so
praktisches Mobiltelefon benutzen,
sollten wir uns daran erinnern, dass es
an einem Krieg mitschuldig ist – am
Krieg in der Demokratischen Republik
Kongo (DRK), dem früheren Zaire.
Vielerlei Rebellengruppen kämpfen seit
den neunziger Jahren gegen das
Regime in der Hauptstadt Kinshasa.
Zweifellos wurde dieser Krieg dadurch
verlängert, dass Kongo über
Bodenschätze verfügt, zu denen auch
Coltan (Columbo-Tantal) gehört – ein
bis vor kurzem unverzichtbarer Bestandteil von Mobiltelefonen. Dieser
Reichtum weckte die Profitgier von vielen, auch in den Nachbarländern.
So kommt es, dass viele Staaten in der Region in den Konflikt verstrickt
sind. So stehen Angola, Namibia und Simbabwe der Regierung von Joseph
Kabila bei. Die Nachbarn im Osten dagegen – Burundi, Ruanda und
Uganda – unterstützen verschiedene Rebellengruppen. Jedes der
beteiligten Länder hat seine eigenen Interessen: So wollen etwa die
Regimes von Angola und Ruanda verhindern, dass die Demokratische
Republik Kongo zum Rückzugsort für ihre Feinde wird, also für die
Unita-Rebellen aus Angola beziehungsweise für die früheren, in den
Genozid verwickelten ruandischen Streitkräfte. Daneben verfolgen die
verschiedenen Hauptakteure wie auch ihre Hintermänner eigene materielle
Interessen. Im Rahmen eines Friedensprozesses wurde Mitte Februar
2001 in der sambischen Hauptstadt Lusaka ein Friedensabkommen
erzielt, doch die Umsetzung ist harzig und kommt nicht voran. Nur mit
Mühe wurde der so genannte «interkongolesische Dialog» im Februar
dieses Jahres im südafrikanischen Ferienresort Sun City aufgenommen.
Mehrfach mussten die Verhandlungen unterbrochen werden, an denen die
Regierung der DRK, bewaffnete Rebellengruppen, die politische Opposition
und VertreterInnen der Zivilgesellschaft teilnehmen – nicht aber die am
Konflikt beteiligten Nachbarländer. ...
Die Kämpfe der vergangenen Monate drehten sich um die Kontrolle des
Handels mit den lukrativen Rohstoffvorkommen Ostkongos, vor allem Gold
und eben Coltan. ... Der Konflikt zwischen der Mayi-Mayi-Miliz, die von Präsident Kabila mit Hilfe aus Simbabwe aufgebaut wurde, der Ugandischen
Volksverteidigungsarmee (UPDF) und der Bewegung zur Befreiung des
Kongo (MLC) und auch die Einmischung der ruandischen Armee betraf
immer die Kontrolle der Ostprovinz. Die CRD-ML, eine Splittergruppe der
von Ruanda unterstützten Kongolesischen Sammlung für Demokratie
(CRD), hat dabei mit Hilfe Ugandas einen grossen Teil der Ostprovinz
wiedererobert, in dem sich auch die Goldminen von Kilo-Moto befinden.
Andere Gruppen bemühen sich um Zugang zu den Coltan-Reserven, was
heftige Kämpfe unter ihnen ausgelöst hat.
Coltan ist ein relativ seltenes Hartmetall, ein sehr gut leitendes Material,
das in der Hightech- und der Raumfahrtindustrie sehr gefragt ist. Wie bei
anderen Rohstoffen liegt ein grosser Anteil davon im Boden der
Demokratischen Republik Kongo – rund achtzig Prozent der bekannten
weltweiten Reserven von 60.000 Tonnen. Der grösste Teil davon liegt im
Osten, im Kivu-Distrikt, einer unbeständigen Region, um die seit je
bewaffnete Rebellengruppen streiten. Die östlichen Grenzen zu Uganda,
Burundi und Ruanda sind weder von der Regierung noch von
internationalen Uno-Truppen zu kontrollieren. Die Schattenwirtschaft des
Kongo beruht daher seit langem auf Schmuggel, Tausch und
betrügerischem Handel. Die Nachfrage nach Coltan vor allem zu Zeiten des
Mobiltelefonie-Booms liess dessen Preis in den Jahren 2000 und 2001 auf
1.000 und gar 1.400 Franken pro Kilo hochschnellen. Damit wurde Coltan zu
einem ebenso begehrten Schmuggelgut wie Gold und Diamanten.
Lukrativer Schmuggel
Die Coltan-AbnehmerInnen sitzen vor allem in den USA und in
Westeuropa. Tantal-Kondensatoren sind ein wichtiger Bestandteil von
Handys, und Coltanerz wird zu deren Herstellung verwendet. Der Abbau
erfolgte früher durch Firmen, die sich jedoch im Laufe des Krieges
zurückgezogen haben. Seither graben Bauern, die aus finanziellen
Gründen zu Minenarbeitern wurden, unter Aufsicht von Warlords nach dem
Erz. Auf die Umwelt nehmen sie dabei ebenso wenig Rücksicht wie auf die
Sicherheit. Erst im Januar kamen 33 Mineure bei einem Unglück ums
Leben.
Das Metall wird an Sammelstellen gebracht, gewogen und von
Mittelsmännern in Säcken über die Grenze nach Uganda oder Ruanda
transportiert, von wo aus es seine AbnehmerInnen im Westen erreicht.
Dort erzielt es Preise, die die Vorstellungskraft der kongolesischen Bauern
bei weitem übersteigen. Sie haben auch keine Ahnung davon, warum das
schwarze Zeug so begehrt ist und dass ihr Anteil an diesem Wohlstand
nicht mehr als eine Brosame darstellt. Dies ist umso bedauerlicher, als der
Ostkongo die vernachlässigste Region eines vernachlässigten Landes ist.
Zweieinhalb Millionen Menschen sollen seit Ausbruch des Krieges in
dieser Region gestorben sein. Die Gegend ist schwer zugänglich für
internationale Hilfsorganisationen. Diese schätzten in einem Mitte letzten
Jahres veröffentlichten Bericht, dass es etwa einem Drittel der Bevölkerung
der DRK, sechzehn Millionen Menschen, in kritischem Maße an
Nahrungsmitteln mangelt – die Hälfte davon lebt im Ostkongo. Dem
Bericht zufolge muss die Hälfte der Gesamtbevölkerung von rund fünfzig
Millionen mit zwanzig US-Cents pro Tag auskommen – als Armutsgrenze
gilt ein Tageseinkommen von einem US-Dollar.
Umstrittener Uno-Bericht
Die Warlords und Mittelsmänner im Kongo wie in den Nachbarländern
dagegen haben mit Coltan ihr Geschäft gemacht. Auch Simbabwe, das
einige Coltan-Reserven hat und wo der Abbau in kleinem Rahmen blüht,
verdiente gut; Namibia baut Coltan ebenfalls für den internationalen Markt
ab. Nun jedoch scheint der Rausch vorbei – und damit rückt Friede
vielleicht tatsächlich in Griffnähe –, aus drei Gründen.
Zum einen hat ein vor einem Jahr veröffentlichter und im Oktober
aktualisierter Bericht der Vereinten Nationen die Verantwortlichen benannt.
Der Bericht hielt fest, wie die Ausbeutung der Rohstoffe im Kongo den
Krieg fördert und finanziert. Dabei wies er nicht nur auf die Rolle der
Rebellengruppen beim Holzhandel und beim Abbau der Bodenschätze hin,
sondern hielt auch fest, welchen Anteil Ruanda und Uganda an diesem
Handel haben. Er nannte weiter deutsche, kanadische und
US-amerikanische Firmen, die am ostkongolesischen Mineralabbau
beteiligt sind. Der Bericht schlug Sanktionen gegen diese Firmen vor und
empfahl den Vereinten Nationen ein Embargo auf Mineralexporte aus
Burundi, Ruanda und Uganda und die Isolation der kongolesischen
Rebellengruppen.
...
.. der Bericht führte offenbar auch dazu, dass sich einige europäische
und US-Firmen aus dem Geschäft mit dem «Blut-Tantal» aus dem
Ostkongo zurückzogen. Die Nachfrage schwand rapide. Der Zusatzbericht
im Herbst konnte festhalten, dass US-Firmen Bestellungen bei
Unternehmen, die Coltan aus der DRK verwendeten, stornierten. Eine
belgische Minenfirma beendete ihre Beziehungen mit ihrem
kongolesischen Coltan-Lieferanten in Bukavu, das US-Repräsentantenhaus
hat vorübergehend den Import von Coltan aus Ländern, die in den Krieg im
Kongo verwickelt sind, verboten.
Sinkende Preise als Chance
Zudem wurden weitere Coltan-Lager in Australien gefunden. Und drittens
wurde eine Alternative gefunden, die einfacher erhältlich und billiger
scheint: Niobium tut den gleichen Dienst. Die Forschung läuft auf
Hochtouren, noch in diesem Jahr könnten die neuen Kondensatoren auf
den Markt kommen. Die bekannten Niobium-Reserven betragen weltweit
rund 5,5 Millionen Tonnen. Diese Entwicklung hatte einen dramatischen
Preiszerfall zur Folge – das Kilo Coltan kostet inzwischen kaum noch
einen Zehntel der früheren Rekordpreise, rund 110 Franken.
Das mag für einige keine gute Nachricht sein, doch langfristig wird sie die
Arbeit der Friedensstifter erleichtern. Sobald sich das hitzige
Coltan-Geschäft abkühlt, können die Kriegsparteien nachgiebiger werden,
Allianzen eingehen oder sich gar zusammenschliessen. ...
Aus: WoZ, 4. April 2002
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