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Ende des "Terminators"

Anführer kongolesischer Miliz an Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag übergeben

Von Simon Loidl *

Einer der Anführer der im Osten des Kongo operierenden M-23-Miliz ist am Freitag an den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag überstellt worden. Ein Flugzeug mit IStGH-Mitarbeitern brachte Bosco Ntaganda von der ruandischen Hauptstadt Kigali nach Europa. Für Dienstag vormittag ist eine erste Voranhörung geplant.

Ntaganda, von seinen Kampfgefährten aufgrund der zahlreichen Verbrechen, die er während der letzten Jahre begangen hat, auch »Terminator« genannt, war am vergangenen Montag in der US-Botschaft aufgetaucht, um sich zu ergeben. Er forderte selbst seine Überstellung an den IStGH, der im Juli 2012 Haftbefehl gegen den M-23-Kommandeur erlassen hatte. Er soll für die Rekrutierung von Kindersoldaten, Mord und sexuelle Versklavung von Mädchen verantwortlich sein. Der Kapitulation waren Machtkämpfe innerhalb der Rebellengruppe vorausgegangen, die Ntaganda schließlich zur Flucht nach Ruanda veranlaßt hatten.

M23 besteht vorwiegend aus Mitgliedern der früheren Miliz »Nationalkongreß zur Verteidigung des Volkes« (CNDP). Diese war 2006 gegründet worden und hatte vorübergehend größere Territorien im Osten des Kongo kontrolliert. Eine der Aufgaben der Miliz war der Schutz kongolesischer Tutsis vor den aus Ruanda geflohenen Hutus. Die Organisation fungierte aber auch als bewaffneter Arm der ruandischen Regierung. 2009 wurde CNDP im Rahmen eines Friedensabkommens als politische Partei anerkannt und die bewaffneten Teile in die reguläre Armee des Landes eingegliedert. Im April 2012 gründeten ehemalige CNDP-Angehörige die Gruppe M23 und nahmen den Kampf gegen den kongolesischen Staat erneut auf. Sie warfen der Regierung vor, Vereinbarungen nicht eingehalten zu haben.

In den folgenden Monaten kam es zu schweren Kämpfen in der Region, zeitweise kontrollierte M23 große Teile in der Region um den Kivu-See im Osten des Kongo. Vorübergehend konnte die Miliz die Stadt Goma erobern. Kin­shasa warf Kigali vor, die Gruppe zu unterstützen. Im Herbst kam ein UN-Bericht zu dem Schluß, daß Ruanda und Uganda M23 mit Waffen und Truppenverstärkung unterstützen würde. Der Leiter der UN-Gruppe, die den Bericht erstellte, sprach damals von M23 als einer »ruandischen Schöpfung«. Kigali wies die Vorwürfe zurück.

Vermittlungsbemühungen hatten Mitte März schließlich zu einem von der UN initiierten Friedensabkommen zwischen der Regierung des Kongo und der M23 geführt. Zwei Wochen zuvor hatten Staats- und Regierungschefs elf zentral- und südafrikanischer Länder – unter anderem auch Kongo, Ruanda und Uganda – in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba ein gemeinsames Abkommen unterzeichnet. Darin erklärten die Länder, sich in Konflikte der Nachbarländer nicht einzumischen.

Beobachter gehen davon aus, daß die Machtkämpfe, die offenbar während der vergangenen Wochen innerhalb der M23-Führung eskaliert sind und die Einigung mit der Regierung begleiteten mit dem zwischenstaatlichen Abkommen in Zusammenhang standen. Dieses sieht unter anderem eine stärkere Präsenz von UN-Truppen in der Kivu-Region vor, was eine Veränderung des militärischen Kräfteverhältnisses mit sich bringen würde. Die neue Situation ließ die Auseinandersetzungen innerhalb der Rebellengruppe eskalieren und führte zu einer neuen Gewaltwelle. Vor eineinhalb Wochen schließlich überquerte Ntaganda den Angaben zufolge die Grenze nach Ruanda, wo er sich kurz darauf in der US-Botschaft stellte. Beobachter vermuten, daß er einiges zur Rolle Ruandas in den Kämpfen im Ostkongo aussagen könnte und sich deshalb nur noch in Haft halbwegs sicher fühlte.

* Aus: junge Welt, Montag, 25. März 2013


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