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Exgeneral Nkunda macht mobil

Von Befriedung ist in Kongo bisher keine Spur

Von Juakali Kambale, Kinshasa

In der kongolesischen Ostprovinz Nord-Kivu können die Menschen nicht mehr ruhig schlafen. Jetzt wurden sechs Ortschaften in der Umgebung der an Ruanda grenzenden Stadt Rutshuru von abtrünnigen Truppen der Armee eingenommen.

Die rebellierenden Soldaten widersetzen sich den Bemühungen der Zentralregierung, ehemalige Bürgerkriegskämpfer zu einer politisch und ethnisch integrierten nationalen Armee zusammenzuschweißen. Jetzt werden sie von dem berüchtigten Exgeneral Laurent Nkunda befehligt, der wegen Kriegsverbrechen mit internationalem Haftbefehl gesucht wird.

Nkuma, ein Offizier der ehemaligen Rebellenbewegung Kongolesische Sammlung für die Demokratie (RCD-Goma), hatte im Juni 2004 Bukavu, die Hauptstadt der Provinz Süd-Kivu, unter dem Vorwand angegriffen, er wolle das bedrohte Volk der Banyamulenge, zu dem auch die Tutsi gehören, vor der Ausrottung schützen. Wegen des Überfalls degradierte Staatspräsident Joseph Kabila den rebellischen General, der daraufhin untertauchte. Es ist allerdings weithin bekannt, dass er in Kitchanga lebt, 80 Kilometer nordwestlich von Goma, der Hauptstadt der Provinz Nord-Kivu. Dort rekrutiert Nkunda, ein Tutsi, Soldaten seines Volkes und fordert sie auf, ihrem bisherigen Oberbefehlshaber in Kinshasa den Befehl zu verweigern. Aus Militärkreisen in Goma ist zu erfahren, dass fast 600 Angehörige einer in Sake, 30 Kilometer westlich von Goma, stationierten Brigade, ihren Posten verlassen haben und Nkunda in den Busch gefolgt sind.

»Das sind nicht gerade die Voraussetzungen, unter denen sich vor den Wahlen eine Befriedung erreichen lässt«, kommentierte Masika Yalala die brisante Lage in Ostkongo. Viele Kongolesen teilen die Meinung des Professors. Die in den rohstoffreichen Provinzen Orientale und Katanga herrschende Unsicherheit wie die Überfälle auf Rutshuru, Bukavu und Kanyabayonga haben politische und wirtschaftliche Gründe. Der an Sudan grenzende Nationalpark von Garamba, wo Ende Januar acht Angehörige der in Kongo operierenden UNO-Friedenstruppe (MONUC) erschossen und fünf weitere verletzt worden waren, dient bewaffneten Gruppen verschiedener Nationalitäten als Zufluchtsort. Hier halten sich kongolesische und sudanesische Kämpfer auf. Auch Angehörige der ugandischen Rebellenarmee Lord Resistance Army (LRA) haben hier seit Monaten ein Rückzugsgebiet gefunden. Die Hauptquartiere der ehemaligen Rebellen unterstehen immer noch nicht der Zentralregierung in Kinshasa. Im Nordteil der Bergbauprovinz Katanga kommt es immer wieder zu Zusammenstößen zwischen der Armee und einheimischen Mai-Mai-Milizen. Auch im Bezirk Ituri in der wegen ihrer Bodenschätze nicht minder begehrten Provinz Orientale lassen sich die Milizionäre nicht entwaffnen und terrorisieren die Zivilbevölkerung.

Bislang ist nicht bekannt, wer an der Grenze zu Sudan für das Feuergefecht mit patrouillierenden UNO-Soldaten aus Guatemala verantwortlich war. Bei den Kämpfen kamen acht Blauhelme und 15 Angreifer ums Leben. »Das sind die Folgen einer schlecht durchgesetzten Integration der kongolesischen Armee. Nach dem offiziellen Kriegsende hatte man die Probleme des Bürgerkriegs falsch eingeschätzt«, meint Hauptmann José Ebenga. Der ausgewiesene Militärstratege betonte, in einem Land, in dem sich ehemalige Rebellenarmeen nicht in eine neue Nationalarmee integrieren ließen, gebe es keine Garantie für eine Befriedung.

Die Bemühungen um eine politische Integration ehemaliger, jetzt an der Übergangsregierung beteiligter Rebellengruppen in die Armee waren bislang erfolglos. Von einem neuen Nationalgefühl ist selbst bei den Truppen nichts zu spüren, die dieser Armee inzwischen angehören. Einige weigern sich, Befehle des Oberkommandierenden zu befolgen. Dabei haben ihre ehemaligen Anführer wiederholt geschworen, sich in den militärischen Integrationsprozess einzubringen. Zugleich jedoch halten sie ihre Gefolgsleute bei der Stange, indem sie ihnen einen neuen Bürgerkrieg versprechen.

IPS

* Aus: Neues Deutschland, 7. Februar 2006


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