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Unter Hausarrest

Ostkongolesischer Tutsi-General Nkunda in Ruanda überraschend festgenommen. Auseinandersetzungen innerhalb der Rebellenarmee. Verhandlungen am Sonntag

Von Raoul Wilsterer *

Von einer »unerwarteten Wende« war am Freitag (23. Jan.) die Rede, nachdem am Abend zuvor der Tutsi-Rebellengeneral Laurent Nkunda auf ruandischem Territorium gefangengenommen worden war. Und in der Tat drängt sich die Frage auf, warum ausgerechnet die Armee seines langjährigen Kampfgefährten, Ruandas Präsident Paul Kagame, den in der Demokratischen Republik Kongo (DRK) per Haftbefehl gesuchten 42jährigen festsetzte und am Freitag im grenznah zur DRK gelegenen Ort Gisenyi unter Hausarrest hielt. Ist die Person Nkunda Teil eines Deals zwischen den – bisher verfeindeten – Regierungen in Kin­shasa und Kigali?

Von einer Annäherung von DRK und Ruanda war bereits in der vergangenen Woche die Rede gewesen; und davon, daß deren Armeen gemeinsam gegen Hutu-Gruppierungen im Ostkongo vorgehen, die vorgeblich an den genozid­artigen Massakern zum Ende des ruandischen Bürgerkriegs 1994 beteiligt gewesen waren. Von einem Vorgehen gegen Nkundas Tutsi-Rebellengruppe CNDP (Nationalkongreß zur Volksverteidigung) war indes zu keinem Zeitpunkt die Rede.

Im Kampf um die Vorherrschaft in der bodenschatzreichen Region hatte der CNDP seit August erneut kriegerische Auseinandersetzungen begonnen und in der Folge einen großen Teil von Nordkivu unter seine Kontrolle gebracht. Zehntausende Menschen starben, Hunderttausende flohen damals. Nach Angaben sowohl aus Kinshasa als auch der UN und von Augenzeugen waren Nkundas Söldner von ruandischen Truppen unterstützt worden. Nkunda galt seit seiner Teilnahme am Tutsi-Aufstand ab 1990, der von Paul Kagame angeführt wurde, als dessen Freund und – nach den Kongo-Kriegen 2003 – als dessen Stellvertreter auf kongolesischem Gebiet.

Allerdings schien Nkundas Position im CNDP jüngst durch einen internen Machtkampf geschwächt. Am 16. Januar erklärten ranghohe Kommandeure einseitig »das Ende des Krieges« gegen die kongolesische Regierungsarmee, und am 20. Januar rückten ruandische Truppen im Ostkongo ein. Nkunda soll seine Kämpfer im Stich gelassen und mit einigen Gefolgsleuten nach Ruanda geflohen sein. Es folgte seine Verhaftung.

Die Regierung in Kinshasa sei »zufrieden« mit der Festnahme, sagte der DRK-Regierungssprecher Lambert Mende am Freitag (23. Jan.). Nkunda habe viel Blutvergießen verursacht, vor allem in Nord- und Südkivu. »Er hat systematisch jegliche Friedensbemühungen unterwandert.« Daß Nkunda nicht mehr an der Spitze des CNDP steht, könnte den bevorstehenden Gesprächen um einen Frieden im Ostkongo guttun. Diese sollen am Sonntag unter UN-Vermittlung in Nairobi fortgesetzt werden.

* Aus: junge Welt, 24. Januar 2009


Laurent Nkunda

(...) Laurent Nkunda, der in wenigen Tagen 42 Jahre alt wird, ist im Kongo geboren. Er ist verheiratet und Vater von sechs Kindern. Er studierte einige Semester Psychologie in Kisangani und arbeitete als Lehrer. Später kämpfte er in der Rebellen-Armee RPF unter Führung des Tutsi-Generals Paul Kagame, der 1994 die Macht im ruandischen Kigali übernahm. Vor der RPF flohen die Hutus, die in Ruanda Völkermord begangen hatten, in den Kongo. Dort wurden sie später von Kagames Soldaten gejagt. So kam Nkunda zurück in den Kongo.

Der General kommandierte dort nicht nur seine Truppe. Ihm gehören in den Hügeln von Kivu auch einige Farmen, auf denen große Kuhherden grasen. Seine Kämpfer sollte er schon mehrmals in die Armee integrieren, doch der General ließ die Versuche platzen. Stets warnte er vor einem neuen Genozid, den die Hutu-Milizen angeblich an den kongolesischen Tutsi verüben wollten. Um seine Macht zu festigen, ging er mehrfach in die Offensive, zuletzt im Herbst 2008, mit verheerenden Folgen für die Zivilisten. Er selbst sprach von Selbstverteidigung.

Kongos Präsident Joseph Kabila betrachtet Nkunda als erbitterten Feind, nun verkündet die Regierung in Kinshasa, dass durch die Festnahme des Rebellenchefs ein großes Hindernis für den Frieden weggeräumt sei. Aber noch ist die Lage zu verworren, um Laurent Nkundas Haft tatsächlich als Wende zu feiern.

Auszug aus Süddeutsche Zeitung, 24. Januar 2009 (Arne Perras: Rebellen-Chef mit intellektuellem Image)




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