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Dauerspannung auf Korea-Halbinsel

Seoul begann Manöver mit US-Streitkräften / Pjöngjang brachte weitere Raketen in Stellung

Nach dem Artillerieschusswechsel zwischen Nord- und Südkorea vorige Woche verschärft sich der Konflikt zwischen beiden Ländern weiter.

Seoul/Peking (dpa/ND). Ungeachtet der Warnungen Nordkoreas begannen die US-Streitkräfte zusammen mit Südkorea am Sonntag ein neues Seemanöver, um militärische Stärke zu demonstrieren. Nordkoreas Militär brachte deswegen laut Medienberichten weitere Raketen nahe der umstrittenen Seegrenze in Startposition. Pjöngjang drohte mit Militärschlägen, sollte die Grenze zu seinen Hoheitsgewässern verletzt werden.

China begann unterdessen eine diplomatische Vermittlungsinitiative. Die Führung in Peking schlug multilaterale Krisengespräche unter Beteiligung der beiden koreanischen Staaten, der USA, Russlands, Japans und Chinas vor.

Das viertägige Manöver im Gelben Meer findet nach Darstellung des südkoreanischen Militärs allerdings weiter südlich der Seegrenze vor der Küstenstadt Taean statt, die etwa 150 Kilometer von Seoul entfernt ist. Mit dem Großmanöver, an dem auch der Flugzeugträger »USS George Washington« mit 75 Kampfjets und etwa 6000 Soldaten teilnimmt, wollen die beiden Bündnispartner ein Signal der Abschreckung an Pjöngjang senden. Das Manöver, das seit Langem geplant gewesen sei, sei verteidigungsorientiert, hieß es.

Nordkorea, das die gemeinsamen Truppenmanöver der USA und Südkoreas als Provokation betrachtet, warnte am Wochenende vor unkalkulierbaren Folgen.

Südkoreas Militär stelle sich auf »weitere Provokationen« des Nachbarlandes ein, zitierte die nationale Nachrichtenagentur Yonhap einen Regierungsbeamten in Seoul. Nordkorea habe an der Westküste neben Boden-Schiff-Raketen mit Reichweiten von über 90 Kilometern auch Boden-Luft-Raketen vom Typ SA-2 mit einer Reichweite bis zu 30 Kilometern an der Westküste startbereit gemacht. Nordkorea habe seine Feuerkraft an der Küste damit deutlich verstärkt, hieß es. Das Verteidigungsministerium in Seoul rief am Sonntag alle Journalisten auf Yonpyong auf, die Insel zu verlassen. Das Militär könne die Sicherheit der Reporter nicht garantieren.

China schlug vor, dass die Chefunterhändler der Sechs-Parteien-Gespräche Anfang Dezember in Peking zusammenkommen sollen. Der Unterhändler Wu Dawei betonte, dass es sich nicht um eine Wiederaufnahme der eigentlichen Sechser-Gespräche handeln würde, die im April 2009 von Nordkorea einseitig abgebrochen wurden. Südkorea reagierte zurückhaltend. Ein Treffen sollte »sehr vorsichtig« geprüft werden, so das Außenministerium in Seoul. In der Erklärung hieß es, Provokationen durch Nordkorea hätten sich auf die Bemühungen negativ ausgewirkt, die richtigen Bedingungen für die Sechser-Gespräche zu schaffen.

* Aus: Neues Deutschland, 29. November 2010


Weitere aktuelle Meldungen

Südkoreas Staatschef droht Nordkorea mit Vergeltung **

Nach Nordkoreas Artillerieangriff in der vergangenen Woche hat der südkoreanische Staatschef Lee Myung Bak dem kommunistischen Nachbarland mit Vergeltung gedroht. "Ich kann nicht umhin, meine Wut über die Brutalität des Regimes im Norden auszudrücken", sagte Lee in einer Fernsehansprache. Er werde dafür sorgen, "dass der Norden den Preis für jede seiner Provokationen bezahlen wird".

dpa zitierte Lee mit folgenden Worten: «Für jede weitere Provokation wird Nordkorea den Preis zahlen», sagte Lee in einer Fernsehansprache. Welche Konsequenzen das sein könnten, führte er nicht weiter aus.

Der Granatenangriff Nordkoreas auf die Insel Yeonpyeong am vergangenen Dienstag sei eine Provokation, welche die vorherigen übersteige. "Einen militärischen Angriff gegen Zivilisten zu verüben ist ein unmenschliches Verbrechen, das selbst in Zeiten des Krieges verboten ist", sagte Lee. Die Südkoreaner wüssten nun, "dass jede Toleranz und jede zusätzliche Geduld (gegenüber Pjöngjang) nur zu noch stärkeren Provokationen führt".

Es war die erste Ansprache des südkoreanischen Präsidenten an die Nation seit dem Angriff. Lee steht innenpolitisch unter Druck, weil seine Reaktion auf den Angriff vielfach als zu schwach kritisiert wurde. Laut einer Umfrage sind vier Fünftel der Befragten der Ansicht, die Regierung in Seoul hätte deutlich schärfer reagieren sollen, zwei Drittel bewerten das Krisenmanagement negativ.

Zum Vorschlag Chinas, Anfang Dezember eine Dringlichkeitssitzung der sechs Staaten abzuhalten, die normalerweise an den Verhandlungen zum nordkoreanischen Atomprogramm teilnehmen, äußerte sich der Präsident nicht. China, der einzige Verbündete Nordkoreas, hatte den Artillerie-Angriff nicht verurteilt.

Derweil setzten die südkoreanische und die US-Marine im Gelben Meer ihr viertägiges Seemanöver fort. Mit elf Kriegsschiffen, darunter der US-Flugzeugträger "George Washington", und mehr als 7000 Soldaten handelt es sich um das größte Seemanöver, das die beiden Staaten jemals in der Region abgehalten haben. Die Marine-Übung, bei der mit scharfer Munition Angriffe und Gegenwehr simuliert werden, war bereits vor der nordkoreanischen Attacke angesetzt worden.

Das Manöver wird in sicherer Entfernung von der zwischen beiden koreanischen Staaten umstrittenen Demarkationslinie im Gelben Meer abgehalten. Nordkorea hatte am vergangenen Dienstag 170 Granaten auf die nahe der Demarkationslinie gelegene Insel Yeonpyeong abgefeuert; 90 fielen ins Meer, 80 weitere schlugen ein und versetzten die Bevölkerung in Panik. Vier Südkoreaner starben bei dem Angriff.

** Nachrichtenagenturen AFP, dpa, 29. November 2010


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