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Noch ist es ein Krieg der Worte

Auf der Koreanischen Halbinsel droht eine militärische Eskalation

Von Detlef D. Pries *

Fast 60 Jahre sind vergangen, seit der Korea-Krieg 1953 mit der Unterzeichnung eines Waffenstillstandsabkommens zu Ende zu gehen schien. Jetzt aber droht sein Wiederbeginn. Der Krieg mit Worten und Manövern jedenfalls tobt wie selten in den vergangenen sechs Jahrzehnten.

Südkoreas Präsidentin Park Geun Hye ordnete am Montag an, militärische Provokationen aus dem Norden »ohne Rücksicht auf jede politische Erwägung « sofort und strikt zu vergelten. Verteidigungsminister Kim Kwan Jin drohte für den Fall eines Angriffs mit präventiven Schlägen gegen Atomanlagen und Raketenstellungen im Norden. Die USA sagten Südkorea Beistand auch bei kleinen Provokationen zu.

Am Sonnabend hatte die Führung der Demokratischen Volksrepublik (DVRK) in Pjöngjang verlautbart, alle Angelegenheiten mit dem Süden würden »nach dem Kriegsprotokoll behandelt«. Im Kriegszustand befinden sich Nord und Süd ohnehin, denn das Waffenstillstandsabkommen von 1953 wurde nie durch einen Friedensvertrag ersetzt. Einen Nichtangriffspakt von 1992 kündigte Pjöngjang im März.

Der Norden klagt seinerseits, die USA und ihre »Seouler Marionetten« provozierten einen Atomkrieg. Tatsächlich entsandten die USA, die bereits in der vergangenen Woche Tarnkappenbomber und atomwaffenfähige B-52-Bomber über Südkorea manövrieren lassen hatten, am Sonntag weitere Kampfflugzeuge auf die Halbinsel. Dort trainieren mehr als 200 000 südkoreanische und US-Soldaten im Manöver »Foal Eagle« zwei Monate lang den Ernstfall – wie es in Pjöngjang heißt, werden Attacken in die Tiefe des DVRK-Territoriums geübt. Nordkoreas Führer Kim Jong Un versetzte daraufhin die eigenen Raketenstreitkräfte für Angriffe auf US-amerikanische Ziele in Bereitschaft.

Das russische Außenministerium hat alle Seiten zu »größter Verantwortung und Zurückhaltung « aufgerufen. In der Friedensbewegung wächst Besorgnis vor einer Eskalation. »Dieser Wettlauf in die Unvernunft kann zu einem Krieg führen, den wahrscheinlich keiner der Beteiligten wirklich gewollt hat«, erklärte der Geschäftsführer des Netzwerks Friedenskooperative, Manfred Stenner. So wie er forderte auch Xanthe Hall, Abrüstungsreferentin der Ärzteorganisation IPPNW, die USA und Südkorea zum Abbruch ihres Großmanövers und zum Rückzug der Tarnkappenbomber auf. »Aus solch einer Situation kommt man nur heraus mit einer großen Portion Glück oder durch deutliche Deeskalationsschritte. Auf Glück würde ich jetzt nicht setzen wollen«, erklärte Frau Hall. Und Stenner appellierte an Barack Obama und Südkoreas Präsidentin Park: »Gebt Kim Jong Un einen solchen innenpolitisch wichtigen Erfolg und beginnt mit – zur Not heimlichen – Verhandlungen über wirtschaftliche Hilfen für den Norden!«

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 2. April 2013


Brandgefahr in Korea

Von Detlef D. Pries **

Säbelrasseln ist ein allzu harmlos klingendes Wort dafür, was derzeit auf der Koreanischen Halbinsel stattfindet. Jedenfalls werden dort keine Ritterspiele vorbereitet. Stattdessen bringen die einen Raketen in Gefechtsstellung, während die anderen ihre atomwaffenfähigen Kampfbomber auffliegen und 200 000 Soldaten den Ernstfall üben lassen. Schon für den Fall »kleiner Provokationen« droht man der jeweils anderen Seite mit nicht weniger als der vollständigen Vernichtung.

Bisher ist das weitgehend ein Krieg der Worte. Und an Wortkriege in Fernostasien scheint sich die Welt gewöhnt zu haben. Doch selten zuvor waren die Worte so maßlos und die Gefahren so real, dass daraus ein Funke schlägt, der die Halbinsel - 60 Jahre nach dem opfer- und zerstörungsreichen Korea-Krieg - abermals in Brand setzt.

Die USA und ihre südkoreanischen Verbündeten behaupten, sie wollten nur Frieden. Jahr für Jahr aber bereiten sie sich mit Großmanövern auf den Krieg vor, den atomaren eingeschlossen. Angeblich, um sich vor dem gerne »unberechenbar« und »kommunistisch« genannten Regime im Norden zu wappnen. Dessen Führer wiederum glauben, sich nur mit einer eigenen Atomstreitmacht Respekt verschaffen zu können. Das mag angesichts der Wirtschaftskraft und der Lebenslage des Volkes höchst unvernünftig sein. Wenn sich die Gegenseite indes für die vernünftigere hielte, dürfte sie nicht länger an der Eskalationsspirale drehen, sondern müsste den Krieg durch Gesten und Taten der Entspannung abwenden.

** Aus: neues deutschland, Dienstag, 2. April 2013 (Kommentar)


Säbelrasseln in Korea

Verwirrung um "Kriegszustand" ***

USA schicken Kampfflugzeuge Südkorea hat dem Norden mit einem massiven und raschen militärischen Schlag gedroht. Wenn es eine Provokation gegen Südkorea gebe, werde darauf entschlossen geantwortet – ohne politische Abwägungen, sagte Südkoreas Präsidentin Park Geun Hye am Montag bei einem Treffen mit dem Verteidigungsminister. Nach dem Beschuß einer südkoreanischen Insel 2010 hat die Regierung in Seoul die militärische Einsatzplanung geändert. Örtliche Einheiten dürfen jetzt umgehend auf Angriffe reagieren, ohne auf eine Genehmigung warten zu müssen.

Die Regierung in Pjöngjang hat Südkorea und dessen Verbündeten USA in den vergangenen Tagen wiederholt gedroht. Am Samstag erklärte Nordkorea internationalen Medien zufolge den Kriegszustand mit dem Süden. Die russische Nachrichtenagentur Ria Nowosti meldete jedoch, daß es sich dabei um einen Übersetzungsfehler gehandelt haben könnte. Demnach hieß es in der Erklärung aus Pjöngjang lediglich, daß man entsprechend dem Kriegsrecht handeln werde, sollte Nordkorea angegriffen werden. Von diesem Zeitpunkt an, so die Stellungnahme laut Ria Nowosti, würden die Nord-Süd-Beziehungen in einen »Kriegszustand« treten. Allerdings befinden sich die beiden Länder seit dem Koreakrieg (1950–1953) formell ohnehin im Kriegszustand. Damals wurde zwar ein Waffenstillstandsabkommen, aber kein Friedensvertrag unterzeichnet.

Inmitten der angespannten Lage schickten die USA am Sonntag Kampfjets zu einem gemeinsamen Manöver mit dem Verbündeten nach Südkorea. Die Kampfflugzeuge vom Typ F-22 Raptor, die vom Radar nicht erfasst werden können, seien auf dem Luftwaffenstützpunkt Osan stationiert worden, teilte das US-Militär mit.

In Pjöngjang ist unterdessen ein neuer Regierungschef ernannt worden. Wie die staatliche Nachrichtenagentur ­KCNA am Montag meldete, legte der Wirtschaftsfunktionär Pak Pong Ju vor dem Parlament, der Obersten Volksversammlung, den Amtseid ab. Er folgt auf Choe Yong Rim, der seit Juni 2010 Vorsitzender des Ministerrats war. Der 73jährige Pak gilt als zentrale Figur der Wirtschaftspolitik und als enger Vertrauter des am 17. Dezember 2011 verstorbenen früheren Staatschefs Kim Jong Il, des Vaters des derzeitigen Machthabers Kim Jong Un. Pak war bereits von September 2003 bis April 2007 Regierungschef, mußte das Amt dann aber aus unbekannten Gründen abgeben.

*** Aus: junge Welt, Dienstag, 2. April 2013


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