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Wer wirklich zündelt

Nach Nordkoreas Atomtest verstärken Israel und US-Neocons Polemik gegen Iran

Von Knut Mellenthin *

Israelische Politiker sind zuversichtlich, daß sie den koreanischen Atomtest für ihre Kampagne gegen Iran ausschlachten können. Tel Avivs Botschafter bei den Vereinten Nationen, Dan Gillerman, sagte am Dienstag im israelischen Fernsehen: »Ich habe das Gefühl, daß dieser Test und das internationale Meinungsklima uns zur Hoffnung berechtigen, daß wir auch gegenüber Iran mit entschiedeneren Aktivitäten des Sicherheitsrats rechnen können... Die Welt versteht weitgehend, was jetzt in Nordkorea passiert. Was Iran zu tun im Begriff ist, könnte noch weitaus schlimmer, sehr viel furchterregender und sehr viel gefährlicher sein.«

General Ephraim Sneh, ein einflußreicher Politiker und Militärexperte der israelischen Arbeitspartei, kommentierte im Rundfunk den Atomtest ähnlich: »Vielleicht läßt sich die Welt diese Sache in Nordkorea eine Lehre sein, was das Thema Iran angeht... Die israelische Politik muß sich den Vorgang zunutze machen, um die internationale Gemeinschaft zu überzeugen, indem sie sagt: Tut etwas, bevor es zu spät ist.«

Israelische Politiker sind bemüht, den koreanischen Atomtest als »gefährliches Präzedenz« darzustellen. Iran könne sich dadurch ermutigt fühlen, das ihm unterstellte Atomwaffenprogramm beschleunigt fortzusetzen. Kabinettsminister Binjamin Ben-Eliezer erklärte, der Test erhöhe die Bedrohung Israels: »Iran wartet jetzt, wie die Welt darauf reagiert. Wenn die Welt nicht stark reagiert, kann das zum Beschleuniger für den Anreicherungsprozeß des iranischen Atomprogramms werden.«

Israelische Politiker äußerten darüber hinaus Befürchtungen, daß Nordkorea dem Iran jetzt Material und Technologie für die Entwicklung eigener Atomwaffen zur Verfügung stellen könnte. Regierungssprecherin Miri Eisin verwies in diesem Zusammenhang auf die Lieferung koreanischer Raketentechnik an Iran.

Prominente Neokonservative in den USA äußerten sich ähnlich. Dan Blumenthal vom American Enterprise Institute (AEI), einer Schaltstelle zwischen Regierung und Neokonservativen, sagte mit deutlichem Bezug auf Iran, daß der koreanische Atomtest die Vergeblichkeit von Verhandlungen mit »Schurkenregimen« zeige. Jetzt müsse die »Doktrin der Präventivschläge« im Vordergrund stehen. Auch Michael Rubin vom AEI erklärte, daß der Test »allen Argumenten, man könne sich mit Diktatoren arrangieren, den Boden entzogen hat«. Die US-Regierung stehe jetzt vor einer »Wegscheide« in ihren Beziehungen zu anderen Staaten. »Die Krise betrifft nicht nur Korea, sondern auch Iran, Syrien, Venezuela und Kuba«, so Rubin. Präsident George W. Bush müsse »kraftvoll antworten und zeigen, daß Widersetzlichkeit Konsequenzen hat«.

David Frum, der frühere Redenschreiber von Bush und Erfinder der »Achse des Bösen«, schlägt jetzt vor, Japan zum Aufbau einer eigenen Atommacht zu drängen. Das wäre, so Frum, auch eine Warnung an Iran, daß die USA künftig Israel noch stärker militärisch unterstützen könnten.

* Aus: junge Welt, 13. Oktober 2006

Sanktionen im Alleingang

Japan stoppt alle nordkoreanischen Importe. Pjöngjang macht Wiederaufnahme von Gesprächen über sein Atomprogramm vom Verhalten der USA abhängig

Japan betätigte sich am Mittwoch als Vorreiter für Sanktionen gegen Nordkorea (KDVR). Obwohl der UN-Sicherheitsrat bisher keinen diesbezüglichen Beschluß gegen Pjöngjang wegen dessen angeblichem Atomtest vom Montag beschlossen hat, stoppte Tokio alle nordkoreanischen Importe. Die Regierung des neuen Ministerpräsidenten Shinzo Abe verfügte in einer Dringlichkeitssitzung außerdem, alle Häfen für Schiffe aus Nordkorea zu sperren. Die Einreise von Nordkoreanern ist nur noch mit einer Sondergenehmigung möglich. Das Einfuhrverbot trifft vor allem den Handel mit Pilzen und Muscheln. Japan ist mit 24,7 Prozent aller Exporte (2003) Pjöngjangs drittgrößter Handelspartner.

Zuvor hatte die KDVR nach nicht bestätigten Angaben der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap vor der Verhängung von Sanktionen gewarnt. Zudem erklärte die Nummer zwei in der Führung Nordkoreas, Kim Yong Nam, so die japanische Nachrichtenagentur Kyodo News, daß die Frage einer Durchführung weiterer Atomtests von der US-Politik abhänge. »Wenn die USA weiterhin eine feindliche Haltung einnehmen und Druck auf uns ausüben, werden wir keine andere Wahl haben, als konkrete Gegenmaßnahmen zu ergreifen«, sagte der Vorsitzende des Präsidiums der Obersten Volksversammlung der Agentur zufolge in Pjöngjang. Auch eine Wiederaufnahme der Sechser-Gespräche über das nordkoreanische Atomprogramm machte Kim vom Verhalten der USA abhängig. Die Verhandlungen blieben solange ausgesetzt, wie Sanktionen gegen sein Land bestünden.

Vor der neuen Verhandlungsrunde im UN-Sicherheitsrat am Mittwoch (nach jW-Redaktionsschluß) deutete China erstmals an, daß »Strafen« gegen Pjöngjang denkbar seien. Chinas UN-Botschafter Wang Guangya betonte, diese müßten »hart, konstruktiv und angemessen« sein, aber zugleich »bedacht«.

* Aus: junge Welt, 12. Oktober 2006




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