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Tauwetter in Kaesong

Nord- und Südkorea einigen sich auf Wiederaufnahme der Produktion in gemeinsam betriebener Industriezone

Von Knut Mellenthin *

Die beiden koreanischen Staaten machen bei ihrer Annäherung Fortschritte. Am Mittwoch einigten sich Vertreter der Regierungen in Pjöngjang und Seoul auf die Wiedereröffnung der gemeinsam betriebenen Industriezone von Kaesong, die rund 10 Kilometer nördlich der Grenze liegt. Vorausgegangen waren seit dem 7. Juli sechs erfolglose Verhandlungsrunden. Das Treffen in dieser Woche war von südkoreanischer Seite als letzter Verständigungsversuch deklariert worden. Besitzer und Manager der in Kaesong tätigen 123 südkoreanischen Firmen hatten mit dem Abzug aus der Industriezone gedroht, falls es nicht sehr schnell zu einer konkreten Vereinbarung kommen würde. Auch war auf beiden Seiten offenbar aus historischen Gründen viel guter Wille vorhanden, am Mittwoch zu einem konstruktiven Abschluß zu kommen. Der Mittwoch war der Vortag des 15. August, der in Nord- und Südkorea als Tag der Befreiung von der japanischen Herrschaft gefeiert wird.

Die Kooperation in Kaesong ist der wichtigste Überrest einer Phase der Annäherung zwischen der Demokratischen Volksrepublik (DVRK) im Norden und der Regierung in Seoul, die im Jahr 2000 vom damaligen südkoreanischen Präsidenten Kim Dae Jung unter dem Namen »Sonnenscheinpolitik« eingeleitet worden war. Der Konservative Lee Myung Bak, der 2008 Kims Nachfolge antrat, demontierte diese Politik Stück für Stück. Seit Februar dieses Jahres hat Südkorea mit Park Guen Hye eine neue Präsidentin, die zwar auch zu den Konservativen gehört, aber offener für die Zusammenarbeit mit dem Norden zu sein scheint.

In der 2004 vereinbarten und im Frühjahr 2005 eröffneten Industriezone von Kaesong arbeiten normalerweise 53000 Nordkoreaner. Die Volksrepublik hatte die Arbeitskräfte jedoch Anfang April abgezogen und schließlich auch den rund 800 Südkoreanern, die dort die Produktion leiten, den Zugang verweigert. Begründet wurden diese Maßnahmen mit wochenlangen amerikanisch-südkoreanischen Militärübungen, in deren Verlauf auch US-Flugzeuge nach Korea verlegt wurden, die zum Einsatz von Atomwaffen geeignet sind. Infolge des vier Monate langen Stillstands in Kaesong ist dort ein erheblicher Wartungs- und Reparaturbedarf entstanden. Er muß als erstes beseitigt werden, bevor mit der Wiederaufnahme der Produktion begonnen werden kann. Wann damit zu rechnen ist, wurde nicht bekanntgegeben. Ein detaillierter Zeitplan scheint nicht Teil der am Mittwoch erreichten Vereinbarungen zu sein, über deren Inhalt insgesamt nur wenig mitgeteilt wurde.

Daß es zu entscheidenden Verhandlungsfortschritten kommen würde, war aber schon am Mittwoch voriger Woche zu erwarten gewesen. An diesem Tag hatte das federführende nordkoreanische »Komitee für die Friedliche Wiedervereinigung Koreas« die einseitige Bereitschaft zu wichtigen Schritten bekanntgegeben. Dazu gehörten die Öffnung der Zone für südkoreanische Geschäftsleute und deren Vertreter, das Wiedererscheinen von Nordkoreanern zur Arbeit sowie eine Garantie für die persönliche Sicherheit und das Eigentum von Südkoreanern in Kaesong. Besonders wichtig war aus südkoreanischer Sicht die Zusicherung, daß es in Zukunft nicht wieder zur einseitigen Einstellung und Blockade der Arbeit in der Industriezone kommen werde. Auch in diesem Punkt scheint Pjöngjang sich in den Verhandlungen für Südkorea zufriedenstellend festgelegt zu haben.

Beide Staaten bewerten die am Mittwoch zustande gekommenen Vereinbarungen als ausbaufähigen »Startpunkt für ein neues Verhältnis zwischen Süden und Norden«, wie es Park nannte. Die südkoreanische Präsidentin hat vorgeschlagen, im September über die Zusammenführung von Familienangehörigen zu verhandeln, die sich zum Teil seit dem Koreakrieg vor 60 Jahren nicht mehr treffen konnten

* Aus: junge Welt, Samstag, 17. August 2013


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