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Nordkoreas Militär erhöht Alarmbereitschaft

Südkorea hält an umstrittenem Manöver fest, UN-Sicherheitsrat berät in New York *

Wegen der Spannungen auf der koreanischen Halbinsel ist eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates anberaumt worden. Südkorea will ein Manöver mit scharfer Munition trotz Warnungen Nordkoreas vor einer explosiven Entwicklung durchführen.

Nordkorea hat nach Medienberichten im Streit um geplante südkoreanische Schießübungen seine Artillerieeinheiten an der Westküste in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. Zudem habe Nordkorea die Militärpräsenz im Küstengebiet verstärkt, berichtete die nationale südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap am Sonntag. Mehrere Kampfjets seien aus dem Hangar geholt worden.

Die für Sonntag (19. Dez.) geplante Sitzung des UN-Sicherheitsrates in New York wurde auf Antrag Russlands angesetzt, das den Termin aber als zu spät kritisierte. Bis Redaktionsschluss erbrachte sie noch keine Ergebnisse. Ein Sprecher der US-Vertretung bei der UNO sagte, der Zeitpunkt sei so gewählt, weil einige Botschafter sich vor der Sitzung noch mit ihren Regierungen austauschen wollten.

Russland hatte die Sitzung für Samstag (18. Dez.) beantragt und zeigte sich verärgert über den späteren Termin. Die Entscheidung der amtierenden Ratsvorsitzenden des höchsten UN-Gremiums, USBotschafterin Susan Rice, sei »bedauerlich« und ein Abweichen von der geltenden Praxis, sagte der russische UN-Botschafter Witali Schurkin. Anlass des russischen Antrags war eine weitere Verschärfung der Spannungen zwischen Nordkorea und Südkorea. Das Außenministerium in Pjöngjang hatte am Samstag erklärt, wenn Südkorea an seinen Plänen für ein Manöver mit Artilleriegeschossen festhalte, werde die Situation auf der koreanischen Halbinsel »explodieren«. Südkorea hatte die eintägige Militärübung auf der Insel Yeonpyeong im umstrittenen Grenzgebiet für die Zeit zwischen Samstag und Dienstag angesetzt. Am Sonntag (19. Dez.) flog ein südkoreanischer Kampfjet über der Insel, Kriegsschiffe waren rund um Yeonpyeong auf Patrouille. Nordkorea hatte die Insel am 23. November mit Granaten beschossen und dabei vier Südkoreaner getötet.

Trotz Nordkoreas Drohungen sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Seoul der Nachrichtenagentur AFP, es gebe »keine Änderung in unserer Haltung bezüglich der Übung mit scharfer Munition«. Rückendeckung bekam Südkorea von seinem Verbündeten, den USA. Das geplante Manöver sei keine Bedrohung für Nordkorea und dürfe nicht zum Vorwand für »neue Provokationen« genommen werden, hatte das US-Außenministerium am Freitag erklärt.

Der Gouverneur des US-Bundesstaates New Mexiko, Bill Richardson, rief bei Gesprächen mit Vertretern des nordkoreanischen Außenministeriums und der Armee in Pjöngjang zu »einem Maximum an Zurückhaltung« auf. Laut einem Bericht des US-Fernsehsenders CNN schlug der US-Demokrat und Vertraute von US-Präsident Barack Obama eine Telefonleitung zwischen der nordkoreanischen und der südkoreanischen Armee für Zwischenfälle an der umstrittenen Grenze und eine gemeinsame Kommission der beiden Länder sowie der USA zur Kontrolle umstrittener Gebiete im Gelben Meer vor. Richardson sagte dem Sender CNN, die Gespräche in Pjöngjang seien »sehr hart«, es gebe allerdings Fortschritte. Richardson ist nach offiziellen Angaben nicht im Auftrag der US-Regierung in Nordkorea, sondern im Rahmen eines privaten Besuchs.

Der chinesische Außenminister Yang Jiechi und sein russischer Kollege Sergej Lawrow führten ein Telefonat über die Lage in Korea und drängten Südkorea zum Verzicht auf das Manöver, wie das chinesische Außenministerium am Sonntag mitteilte. Yang rief Nordkorea und Südkorea zur Zurückhaltung auf und warnte vor Handlungen, welche »die Lage verschlimmern könnten«.

* Aus: Neues Deutschland, 20. Dezember 2010


Noch ist Waffenstillstand

Von Peter Kirschey **

Es ist gespenstisch, was sich da in Fernost im Gelben Meer abspielt. Die Südkoreaner wollen heute oder morgen von der Insel Yongpyong aus mit scharfer Artilleriemunition um sich schießen, die Nordkoreaner drohen hysterisch mit Vergeltung und kündigen eine Katastrophe an. Kriegsschiffe umkreisen das Areal, Kampfjets jagen über die Küstenstreifen. Schiffe versenken, Inseln beschießen – keine Inszenierung für einen miesen Kriegsfilm. Realität an der Grenze zwischen den beiden koreanischen Staaten. Noch gilt der Waffenstillstand von 1953. Wie lange noch?

Es scheint eine Frage der Zeit, wann das Spiel mit dem Feuer außer Kontrolle gerät. Und der UN-Sicherheitsrat tagt. Chinesen und Russen rufen beide Seiten diplomatiegerecht zur Mäßigung auf, die US-Amerikaner unterstützen die »legitimen« südkoreanischen Kriegsspiele und drohen den Nordkoreanern zurück. Alles wie gehabt. Doch die Politik des öffentlichen Empörtseins, des gleichmäßigen Verteilens, des gegenseitigen Nichtwehtuns haben den Frieden auf der koreanischen Halbinsel so instabil gemacht wie schon lange nicht mehr. Nordkorea hat immer weiter aufgerüstet, ist ins Kartell der Atommächte aufgestiegen. Mit Drohungen ist dem Regime in Pjöngjang nicht beizukommen. Das muss auch Friedensnobelpreisträger Obama verstehen. Mit Nordkorea muss ohne Wenn und Aber verhandelt und auf alles verzichtet werden, was die Lage weiter anheizt. Vor allem auf Kriegsmanöver jeder Art.

** Aus: Neues Deutschland, 20. Dezember 2010 (Kommentar)


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