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Zu Ehren des "ewigen Präsidenten"

Kritik an Nordkoreas avisiertem Satellitenstart wächst *

Vor dem geplanten Raketenstart in Nordkorea wächst die Sorge über eine Zuspitzung der ohnehin angespannten Lage in der Region.

Nach den USA äußerten am Dienstag (10. April) auch Russland und China - enge Verbündete Pjöngjangs - große Besorgnis über Nordkoreas Plan, einen Satelliten ins All zu schießen. Die Regierung in Seoul sieht in dem umstrittenen Start im Nachbarland einen Fall für den Weltsicherheitsrat.

Das Außenministerium in Moskau erklärte nach Angaben der Agentur Interfax, mit dem Vorhaben ignoriere Nordkorea eine UN-Resolution. »Wir hoffen, dass diese schwierige Situation mit politischen und diplomatischen Mitteln gelöst werden kann.« China zeigte sich »besorgt und beunruhigt«. Der Sprecher des Außenministeriums, Liu Weimin, sagte in Peking, die Wahrung von Sicherheit und Stabilität auf der koreanischen Halbinsel und in Ostasien sei nicht nur im Interesse aller Beteiligten, sondern auch deren Verantwortung. China hoffe, dass alle Parteien die Gesamtlage berücksichtigen, »sich ruhig verhalten und Zurückhaltung zeigen«.

Es sei sicher, dass der Fall vor den UNO-Sicherheitsrat komme, sollte der Start erfolgen, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Seoul. Südkorea sieht wie die USA und Russland in dem Vorhaben einen Verstoß gegen die Resolution 1874, mit der der Sicherheitsrat vor drei Jahren nach einem zweiten Atomwaffentest in Nordkorea die Sanktionen gegen das Regime in Pjöngjang verschärft hatte. Darin wird das Land unter anderem aufgerufen, jegliche Tests »unter Verwendung ballistischer Raketentechnologie« zu unterlassen.

Nordkorea wird verdächtigt, mit dem neuerlichen Satellitenstart den Test einer Interkontinentalrakete zu verschleiern, die einen atomaren Sprengkopf tragen könnte.

Am Dienstag (10. April) suchte das isolierte Land, die internationalen Bedenken zu zerstreuen. Der Raketenstart sei keine Gefahr für die Region und seine Nachbarländer, sagte Paek Chung Ho vom nordkoreanischen Komitee für Raumfahrttechnologie nach Angaben der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua in Pjöngjang.

Ungeachtet der Warnungen laufen die Startvorbereitungen nach Nordkoreas Darstellung auf Hochtouren. Noch am Dienstag sollte der Satellit auf die Trägerrakete Unha-3 montiert werden, die auf einer Startrampe im Westen des Landes steht. Bei dem Flug würden zwei Raketenstufen an zwei Punkten abgeworfen, sagte Paek Chung Ho ohne Details zu nennen. Der Zeitpunkt des Raketenstarts sei noch nicht festgelegt. Er soll aber zwischen Donnerstag und Montag liegen, um den 100. Geburtstag des Staatsgründers und »ewigen Präsidenten« Kim Il Sung zu begehen.

Nach Berichten aus Südkorea, dass Nordkorea außerdem noch einen Atomtest vorbereiten könnte, hatten die USA das Land gewarnt: Neue Raketen- und Atomtests wären ein »sehr provokativer Akt«, hatte der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, in Washington erklärt.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 11. April 2012


Kims Satellit

Von Detlef D. Pries **

Pjöngjang bereitet sich auf den »Tag der Sonne« vor, den 100. Geburtstag des 1994 verstorbenen, jedoch zum »ewigen Präsidenten« erklärten Staatsgründers Kim Il Sung. Nicht nur die Nordkoreaner sollen das Ereignis gebührend begehen, also nach der von Kim begründeten Landessitte, die auf einzigartige Weise Farbenpracht mit militärischem Drill verbindet. Auch die übrige Welt soll zumindest Kenntnis nehmen von der Modernität des Landes der Morgenfrische. Deshalb will man in den Tagen um den 15. April einen Beobachtungssatelliten in die Erdumlaufbahn schießen.

Mit Fug und Recht ist zu bezweifeln, dass Nordkorea nichts dringender brauchte als einen solchen Satelliten. Die täglichen Nöte und Wünsche der Mehrheit von 24 Millionen Nordkoreanern wären aus der Nähe wesentlich genauer zu beobachten als aus dem All. Sparte man sich die kostspielige Vorführung, ließe sich womöglich auch mancher dieser Wünsche erfüllen. Immerhin betont Pjöngjang den friedlichen Charakter des Raketenstarts und überrascht durch ungekannte Offenheit: Ausländische Journalisten durften die Startrampe besichtigen, auch japanische Spezialisten waren geladen, mussten aber auf Geheiß ihrer Regierung absagen. Denn Japan sieht sich bedroht, ebenso wie Südkorea und selbst die USA. Es handle sich bei dem Satellitenstart um einen »provokativen Akt«, nämlich den verdeckten Test einer Langstreckenrakete, die irgendwann auch einen atomaren Sprengkopf tragen könnte. Möglich ist das in der Tat - wie jede Weltraumunternehmung der etablierten Mächte auch militärisch verwertbar ist.

Der UN-Sicherheitsrat hatte Nordkorea nach dem zweiten Atomversuch vor drei Jahren aufgerufen, Tests »unter Verwendung ballistischer Raketentechnologie« zu unterlassen. Doch Pjöngjang beharrt auf seinem »Recht« auf einen Satelliten und wird - wie alle Erkenntnis über die Kim-Dynastie lehrt - nicht darauf verzichten. Schon weil der junge Thronerbe Kim Jong Un Durchsetzungskraft beweisen muss, um seine Machtbasis zu stärken. Dafür setzt er selbst die versprochenen US-amerikanischen Nahrungsmittelhilfen aufs Spiel. Das mag manche Besorgnisse hervorrufen, doch lassen sich mögliche Gefahren nicht durch hysterische Reaktionen der vermeintlich Betroffenen bannen. Vernunft und Erfahrung gebieten stattdessen Besonnenheit und immer neue Dialogangebote.

** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 11. April 2012 (Kommentar)


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