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Seoul zeigt auf den Norden

KDVR-Torpedo soll Untergang einer Korvette verursacht haben

Von Peter Kirschey *

Am Anfang war es ein mysteriöser Schiffsuntergang im Gelben Meer, inzwischen ist Südkorea überzeugt, dass die Korvette »Cheonan« von der nordkoreanischen Marine versenkt wurde.

Am 26. März war ein südkoreanisches 1200-Tonnen-Kriegsschiff nach einer Explosion an der Seegrenze zur KDVR auseinandergebrochen und binnen weniger Minuten gesunken. 46 Seeleute starben. Die Spekulationen wucherten. Mal war von einer Explosion an Bord die Rede, dann von einer Seemine, schließlich sollen Aluminiumspuren einer unbekannten Legierung an Wrackteilen den Beweis dafür geliefert haben, dass ein nordkoreanischer Torpedoangriff Ursache für den Schiffsuntergang gewesen sei. Mit konkreten Anklagen hielt sich der Süden bislang zurück, Präsident Lee Myung Bak sprach bei einem Treffen mit der Militärspitze nur davon, dass es sich nicht »um einen simplen Unfall« gehandelt habe.

Inzwischen verdichten sich die Vermutungen, dass Nordkorea hinter dem Schiffsuntergang steht. Bei den Untersuchungen habe man einen »maßgeblichen Beweis« für einen Torpedoangriff entdeckt. Die Sprengstoffspuren sollen in ihrer chemischen Zusammensetzung einem Torpedoblindgänger entsprechen, der vor sieben Jahren an der südkoreanischen Küste angeschwemmt wurde. Danach soll es sich um ein Torpedo chinesischer oder russischer Bauart handeln.

Die KDVR hat eine Urheberschaft in gewohnter Schärfe zurückgewiesen. In einem nordkoreanischen Militärkommentar heißt es dazu: »Obwohl das versunkene Schiff zur südlichen Seite gehört, betrachten wir diese Havarie als bedauerliches Unglück, das nicht passieren durfte, weil die meisten Verschollenen und Geretteten Angehörige der gleichen Nation sind. Sie waren zum harten Wehrdienst in der Marionettenarmee gezwungen. Aber die landesverräterische Clique konnte die Ursache des Schiffsbruchs nicht feststellen. Daher versuchen sie in jüngster Zeit törichterweise, ihr Unglück auf jede erdenkliche Weise in Beziehung mit uns zu bringen.«

Die Inseln Paengnyong-do und Taechong-do, wo die Schiffskatastrophe geschah, liegt in einem Seegebiet westlich vor der Küste Nordkoreas, das seit 1953 immer wieder zum Schauplatz militärischer Auseinandersetzungen wurde. Nach dem Ende des Korea-Krieges und der Unterzeichnung des Waffenstillstandes legte der Kommandeur der von den US-Amerikanern geführten UNO-Truppen im August 1953 einseitig die nördliche Grenzlinie fest, die auf das Gelbe Meer führt. Die »Northern Limit Line« hielt sich aber nicht an den Küstenverlauf zwischen Nord und Süd, sondern umschließt einen Großteil des nördlichen Küstenstreifens im Gelben Meer, das von Nord- und Südkorea als Westmeer bezeichnet wird. Nordkorea hat diese »NLL« niemals anerkannt und 1999 eine eigene »Seedemarkationslinie« festgelegt, wonach auch die vorgelagerten Inseln zum nordkoreanischen Territorium gehören. Allerdings gab es nie ernsthafte Versuche, die Grenzziehung gewaltsam durchzusetzen.

Nord- und Südkorea befinden sich noch immer im Kriegszustand, deshalb kommt es an dieser Stelle immer wieder zu kleineren oder größeren Militäraktionen. Seit 1953 wurden über 2000 Zwischenfälle registriert, an denen Kriegsschiffe beider Seiten beteiligt waren, stets haben sich die verfeindeten Seiten gegenseitig die Schuld zugewiesen. Der jüngste Zwischenfall ereignete sich am letzten Wochenende, als ein nordkoreanisches Patrouillenboot mit Warnschüssen aus den Grenzgewässern abgedrängt wurde.

* Aus: Neues Deutschland, 19. Mai 2010


»Resolute Gegenmaßnahmen«

Knapp zwei Monate nach dem Untergang eines südkoreanischen Kriegsschiffs mit 46 Todesopfern sehen internationale Ermittler die Schuld Nordkoreas als erwiesen an. Südkoreas Präsident Lee Myung Bak drohte der Führung in Pjöngjang am Donnerstag mit »resoluten Gegenmaßnahmen«. Nordkorea wies den Vorwurf, die »Cheonan« mit einem Torpedoangriff versenkt zu haben, energisch zurück und warnte vor Krieg.

Das internationale Ermittlerteam kam zu dem Schluß, daß die Beweise für einen nordkoreanischen Torpedoangriff »überwältigend« seien. »Es gibt keine andere Erklärung«, heißt es in dem Untersuchungsbericht. Experten aus Südkorea, Schweden, Großbritannien, Australien und den USA hatten wochenlang die aus dem Meer geborgenen Beweismittel und Wrackteile der »Cheonan« untersucht. Das Schiff war am 26. März nach einer Explosion an der umstrittenen Seegrenze mit Nordkorea im Gelben Meer auseinandergebrochen und gesunken.

Lee kündigte in einem Telefonat mit dem australischen Premierminister Kevin Rudd »resolute Gegenmaßnahmen« an. Eine Entscheidung über die südkoreanische Reaktion soll bei einer Sitzung des nationalen Sicherheitsrates am Freitag fallen. Lee verlangte, Pjöngjang müsse seine Schuld anerkennen und als »verantwortliches Mitglied der internationalen Gemeinschaft« zurückkehren.

Nordkorea wies dagegen jede Verwicklung von sich. Der Untersuchungsbericht sei eine »Fälschung«. Nordkorea verlangte, die Ergebnisse von eigenen Ermittlern überprüfen zu lassen – was Südkorea umgehend ablehnte. Wie die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap unter Berufung auf nordkoreanische Medien meldete, warnte Pjöngjang »vor einem Krieg im großen Stil«, sollte es neue Sanktionen gegen das Land geben. Südkorea probte dafür am Donnerstag schon mal mit Panzern in Yeoncheon nahe der demilitarisierten Zone (Foto).

** Aus: junge Welt, 21. Mai 2010


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