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Sicherheitsrat verschärft Sanktionen gegen Nordkorea

Resolution 1874 verabschiedet: "(Nord)Korea soll alle Atomwaffen und bestehenden Atomprogramme aufgeben"

Als Reaktion auf den jüngsten Atomwaffentest hat der UN-Sicherheitsrat seine Strafmaßnahmen gegen Nordkorea verschärft. Einstimmig votierten die 15 Mitglieder des Gremiums in New York für eine Vorlage, die eine stärkere Kontrolle von Frachtlieferungen nach und aus Nordkorea und neue Finanzsanktionen vorsieht. Das UN-Gremium forderte das Land auf, sein Atomprogramm sofort zu stoppen und auf weitere Tests zu verzichten. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) begrüßte die Strafmaßnahmen.

Die Resolution verurteilt Nordkoreas unterirdischen Atomwaffentest vom 25. Mai und die anschließenden Raketentests "auf das Schärfste". Der Rat fordert Nordkorea zudem auf, "keinen weiteren Attomwaffentest mehr zu unternehmen und keine ballistischen Raketen zu starten". Alle Aktivitäten des Landes mit Nuklearbezug müssten ohne weitere Verzögerung "vollständig, nachprüfbar und unumkehrbar" eingestellt werden. Zudem müsse Nordkorea seine Erklärung zum Rückzug aus dem Atomwaffensperrvertrag zurücknehmen.

Hier geht es zur
Resolution des UN-Sicherheitsrats 1874 (2009) vom 12. Juni 2009
"Decides that the DPRK shall abandon all nuclear weapons and existing nuclear programs" (englisch)



Mehr als zwei Wochen hatten die Mitglieder des Sicherheitsrats um einen konsensfähigen Text gerungen. Die Initiatoren - die USA, Frankreich, Großbritannien, Japan und Südkorea - wollten ein Signal der internationalen Geschlossenheit setzen und dadurch den diplomatischen Druck auf Nordkorea erhöhen.

Steinmeier (SPD) begrüßte die verschärften Strafmaßnahmen als "starkes Signal". Die entsprechende Resolution sei ein "starkes Signal, dass die internationale Staatengemeinschaft die ständigen Provokationen aus Pjöngjang nicht länger hinnehmen wird", erklärte Steinmeier. Er forderte die nordkoreanische Regierung auf, ihre Atomwaffen- und Raketenprogramme einzustellen und weitere Tests zu unterlassen.

Die neue UN-Entschließung verschärft die Resolution 1718, in der der Sicherheitsrat bereits nach Nordkoreas erstem Atomwaffentest 2006 Strafmaßnahmen verhängt hatte. Unter anderem wurde das Waffenembargo ausgeweitet: Ab sofort dürfen nur noch leichte Waffen nach Nordkorea geliefert werden, und dies auch nur bei vorheriger Benachrichtigung der UNO. Alle Frachtlieferungen von und nach Nordkorea müssen inspiziert werden, wenn der Verdacht auf einen Zusammenhang mit dem Atomprogramm besteht.

Zudem dürfen Nordkorea künftig keine Finanzmittel oder andere Güter bereitsgestellt werden, wenn diese für Waffenprogramm genutzt werden können. Finanzhilfen für humanitäre Zwecke sind weiter erlaubt; die Resolution erteilt keine Ermächtigung zum Einsatz militärischer Gewalt gegen das Land.

AFP, 12. Juni 2009


Nordkorea beschwört Gefahr eines Atomkriegs herauf

Seoul (AP) Nordkorea hat nach den verschärften Sanktionen des UN-Sicherheitsrats die Gefahr eines Atomkriegs auf der koreanischen Halbinsel heraufbeschworen. In den Kommentaren staatlicher Medien, die die amtliche Nachrichtenagentur KCNA am Sonntag verbreitete, wurde den USA vorgeworfen, tausend Atomwaffen in Südkorea stationiert zu haben. Die koreanische Halbinsel sei der Ort auf der Welt, an dem die Gefahr eines Atomkriegs am größten sei, hieß es in der Wochenzeitung «Tongil Sinbo».

Ein Sprecher der US-Streitkräfte in Südkorea, Kim Yong-kyu, wies die nordkoreanischen Berichte zurück und nannte die Anschuldigungen haltlos. Washington habe keine Atomwaffen mehr in Südkorea. Die taktischen US-Atomwaffen wurden 1991 im Rahmen eines Abrüstungsabkommens nach dem Ende des Kalten Kriegs aus Südkorea abgezogen. Das südkoreanische Wiedervereinigungsministerium forderte Nordkorea am Sonntag auf, es solle aufhören mit dem Schüren der Spannungen, seine Atomwaffen aufgeben und den Dialog wiederaufnehmen.

Die Führung in Pjöngjang hatte zuvor am Samstag angekündigt, sie werde die gesamten Plutoniumvorräte in Waffen umwandeln. Sie räumte auch erstmals offiziell ein, dass sie ein Programm zur Urananreicherung betreibe. Dies werde wiederaufgenommen und nie aufgegeben, hieß es. Für den Fall, dass die Vereinigten Staaten oder ihre Verbündeten versuchen sollten, das Vorhaben Nordkoreas zu blockieren, drohte die Regierung zudem mit «entschlossenen militärischen Aktionen». Konkrete Einzelheiten dazu wurden nicht genannt.

Der Weltsicherheitsrat hatte am Freitag (12. Juni) als Reaktion auf den unterirdischen Atombombentest im Mai unter anderem beschlossen, das Waffenembargo gegen Pjöngjang zu verschärfen und die Auflagen für Finanzgeschäfte zu erhöhen. Die USA kündigten ferner an, Schiffe mit mutmaßlicher Schmuggelware für Nordkorea stoppen zu wollen.

Die neuen Sanktionen des Sicherheitsrats, in dem Nordkoreas engster Verbündeter China ein Vetorecht hat, nannte Pjöngjang «ein Produkt der US-geführten Offensive» gegen das kommunistische Land. Ihr Ziel sei es, Nordkorea zu entwaffnen und «die Wirtschaft zu ersticken», hieß es bei KCNA.

US-Außenministerin Hillary Clinton bezeichnete die Sanktionen unterdessen als das richtige Mittel, um gegen Nordkorea vorzugehen. Die Resolution des UN-Sicherheitsrats stelle eine geeinte Antwort der Weltgemeinschaft auf Pjöngjangs Provokationen dar, sagte sie am Samstag in Kanada. Die USA würden nun mit anderen Ländern zusammenarbeiten, um die Sanktionen entschlossen umzusetzen.

Plutonium für ein halbes Dutzend Atombomben

Nordkorea testete 2006 erstmals einen Atomsprengsatz, im Mai folgte der zweite Versuch. Das Atomprogramm sei eine notwendige Abschreckung gegen die atomaren Drohungen seitens der USA, hieß es dazu. Es wird vermutet, dass Nordkorea schon jetzt genug Plutonium für mindestens ein halbes Dutzend Atombomben besitzt.

Ein 2007 im Rahmen der Sechs-Parteien-Gespräche erreichtes Abkommen sah vor, dass Nordkorea seine Atomanlage in Yongbyon nördlich von Pjöngjang stilllegt und dafür im Gegenzug eine Million Tonnen Treibstoff und andere Hilfen erhält. Das Abkommen scheiterte letztlich an der Frage, wie die Umsetzung kontrolliert werden kann. Verhandlungen dazu im Dezember vergangenen Jahres kamen zu keinem Ergebnis. An den Gesprächen sind neben den Nord- und Südkorea noch China, Japan, Russland und die USA beteiligt.

AP, 14. Juni 2009


Sanktionen treffen nicht

Von Peter Kirschey *

Das Imperium schlägt zurück. Auf verschärfte UN-Sanktionen gegen den nordkoreanischen Atomtest reagiert die Führung der KDVR erwartungsgemäß mit der Intensivierung des Atomprogramms. Ein Narr, der glaubt, Kim Jong Il würde in die Knie gehen, wenn die Welt bellt. Nein, der nördliche Teil der koreanischen Halbinsel lebt in einer anderen und schwer zu fassenden Dimension. Mit handelsüblichen Sanktionen ist einem System, dass sich seit 55 Jahren in der Isolierzelle befindet, nicht beizukommen. Nordkorea ist, das muss die restliche Welt wohl oder übel erkennen, ein Sonderfall. Jeder Staat ist anders, doch die KDVR ist noch viel mehr anders. Und deshalb müssen andere Wege gegangen werden, um Nordkorea vom atomaren Wahn zu heilen. Druck und Repressalien bringen nichts, Verhandlungen sind der einzige Weg.

Die USA und ihre verbündeten Freunde haben jahrzehntelang diesen kleinen Staat nicht ernst genommen, ihn wegen seiner Absurditäten belächelt und mit beleidigenden Synonymen belegt. »Schurkenstaat«. Das rächt sich nun und Nordkorea scheint sich zu einer ernsten Gefahr für den Weltfrieden zu entwickeln. Deshalb hilft nur eines: Die US-Amerikaner müssen den Nordkoreanern Verhandlungen anbieten. Ohne Wenn und Aber, ohne Vorbedingungen, ohne Scheuklappen. Dabei geht es nicht nur um das nordkoreanische Atomprogramm. Schon diese Einschränkung ist diskriminierend und einseitig. Es geht um Sicherheit auf der koreanischen Halbinsel. Kim Jong Il und die ihn stützenden Militärs müssen so genommen werden wie sie sind: eine Macht, die mit dem Rücken zur Wand steht. Nach hinten gibt es nichts mehr.

* Aus: Neues Deutschland, 15. Juni 2009 (Kommentar)


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