Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Kuba wehrt sich gegen die Blockade

McCain lehnt Gespräche kategorisch ab, Obama scheint zu Verhandlungen bereit zu sein

Von Martin Ling *

Zum 17. Mal wird die UNO-Vollversammlung am 29. Oktober die Blockade der USA gegen Kuba verurteilen. Bisher blieb das ohne Wirkung. Kubas Botschafter Gerardo Peñalver Portal zeigte sich gestern (22. Okt.) in Berlin dennoch optimistisch: Eine der nächsten USA-Regierungen werde wegen des wachsenden Widerstandes um die Aufhebung der Blockade nicht mehr herumkommen.

Fidel Castro hat neun USA-Präsidenten politisch überlebt und 46 Jahre USA-Blockade. Physisch war der Comandante gestern in Berlin nicht anwesend, wohl aber durch seine gerade auf Deutsch erschienene Biografie »Mein Leben«. Besonders geschätzt habe Castro John F. Kennedy, erzählte Programmchef Moritz Kienast, der den Rotbuch-Verlag auf die Idee brachte, sich um die Lizenzrechte für das bereits in 24 Sprachen übersetzte Buch zu bemühen. Kubas Botschafter Gerardo Peñalver Portal bestätigte, dass Fidel Castro und John F. Kennedy sich bereits in Vorgesprächen befanden, als der US-Präsident Opfer eines Attentats wurde.

Barack Obama eilt zuweilen der Ruf eines neuen Kennedys voraus. Im Gegensatz zu John McCain, der mit einer kubanischen Regierung nur nach einem Systemwechsel zu diskutieren bereit ist, habe Obama auf das Angebot Raúl Castros, auf Augenhöhe und ohne Vorbedingungen über das Verhältnis USA-Kuba zu sprechen, positiv reagiert, berichtete Peñalver. Doch das ist Zukunftsmusik -- Gegenwart ist das Embargo der USA.

Zum 17. Mal hat die kubanische Regierung eine Resolution bei der UNO-Vollversammlung eingereicht, in der die Aufhebung der Blockade verlangt wird. Seit 1992 stimmt innerhalb der UNO eine wachsende Mehrheit für die Aufhebung der Handels-, Wirtschafts- und Finanzblockade seitens der US-Regierung. »2007 waren es 184 Staaten«, machte Peñalver die wachsende Isolation der USA und ihrer rigiden antikubanischen Politik deutlich.

Die Kosten für Kuba sind immens. »Konservativ berechnet hat die wirtschaftliche, kommerzielle und finanzielle US-Blockadepolitik gegen Kuba bis Dezember 2007 Wirtschaftsverluste im Wert von über 93 Milliarden Dollar verursacht«, heißt es in dem Bericht Kubas zur Resolution 62/3 der UNO-Vollversammlung, die am 29. Oktober zur Abstimmung steht. Allein im Berichtszeitraum von Mai 2007 bis April 2008, in dem die Weltmarktpreise für Nahrungsmittel auf Rekordhöhen kletterten, »verursachte die Blockade Auswirkungen auf die Nahrungsmittelbranche in Höhe von über 174 Millionen Dollar«. So ist es dem land- und viehwirtschaftlichen Sektor nicht möglich, hochwertiges zertifiziertes Saatgut bei spezialisierten US-Unternehmen zu kaufen. Die Einfuhr von Saatgut aus Europa, Japan und aus dem Mittleren Osten kann sich bis zu zwei Monate verzögern, wodurch die vorgesehenen Anbauzyklen bei einigen Arten nicht eingehalten werden könnten.

Neben dem Nahrungsmittelsektor ist pekuniär das Gesundheitswesen am stärksten betroffen: Auf 25 Millionen Dollar wird der Schaden von Mai 2007 bis April 2008 beziffert, der durch erhöhten Aufwand beim Waren- und Geräteeinkauf auf weiter entfernt liegenden Märkten und die Inanspruchnahme von Vermittlern entsteht. Und das US-Embargo wirkt nach wie vor exterritorial: Die deutsche Firma Siemens weigerte sich, eine eingebaute Gamma-Kammer zu reparieren. Das Argument des Multis: Die Ersatzteile seien US-amerikanischer Herkunft und dürften in Kuba wegen des Helms-Burton-Gesetzes nicht eingesetzt werden. Die Gamma-Kammer, ein Spitzentechnologie-Gerät, ist sehr nützlich für die Krebsbehandlung und die Forschung. Das 1996 verabschiedete Helms-Burton-Gesetz schreibt unter anderem die Ausweitung der USA-Sanktionen auf Drittländer und internationale Finanzorganisationen fest. Welche kuriosen Blüten das treibt, musste jüngst gar der Rotbuch-Verlag erleben. Das kubanische Konsulat in Bonn wartete vergeblich auf eine Lieferung von Fidel Castros »Mein Leben«. Als Moritz Kienast nachhakte, kam die Erklärung. Der US-amerikanische Zusteller UPS weigerte sich, Bücher auf exterritoriales, sprich kubanisches Gebiet, auszuliefern. Die Angst vor Washington reicht bis nach Bonn.

Gerardo Peñalver hegt jedoch nicht nur in Bezug auf die Abstimmung in der UNO Zuversicht: »Unter einer der kommenden USA-Regierungen wird das Embargo fallen. Der Widerstand dagegen wächst international und in den USA.« Fidel Castro hat schon vieles erlebt, warum nicht auch noch das Ende des Embargos?

* Aus: Neues Deutschland, 23. Oktober 2008


Zurück zur Kuba-Seite

Zur Embargo-Seite

Zurück zur Homepage