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Fidel Castro meldet sich im Rampenlicht zurück

Kubanischer Revolutionsführer spart Innenpolitik bei Auftritten aus

Von Harald Neuber *

Fidel Castro sucht nach Jahren der Abstinenz wieder die öffentliche Bühne: Nach seinem Auftritt im Parlament legte er mit einem Fernsehinterview gleich nach.

Der überraschende Auftritt Fidel Castros bei einer Sondersitzung der Nationalversammlung Kubas am Samstag soll offenbar keine Ausnahme bleiben. Nachdem der fast 84-jährige vier Jahre auf öffentliche Auftritte verzichtet hat, strahlte das kubanische Fernsehen nun ein Interview des Revolutionsführers mit venezolanischen Pressevertretern aus. Im Gespräch mit den Journalisten Vanessa Davis, Andrés Izarra, Walter Martínez und Mario Silva warnte Fidel Castro dabei erneut vor der Gefahr einer nuklearen Auseinandersetzung. Schuld daran sei die aggressive Politik der USA gegen Nordkorea und vor allem gegen Iran.

Bereits in der Nationalversammlung hatte Castro, der an diesem Freitag seinen 84. Geburtstag feiert, mit eindringlichen Worten vor einem atomaren Schlagabtausch gewarnt. »Für die Menschheit gäbe es dann keine Rettung mehr«, warnte er. Zugleich hob er die Verantwortung Barack Obamas bei einem möglichen neuen Krieg hervor: »Ein Mann muss die Entscheidung alleine treffen: der Präsident der Vereinigten Staaten.« Seine Berater beginnen dies zu verstehen, deutete Castro an.

Die Rede des ehemaligen Staats- und Regierungschefs hat international ein immenses Medienecho nach sich gezogen. Der parlamentarische Auftritt Fidel Castros bedeutet jedoch nicht seine Rückkehr in die Regierungspolitik. Zwar trug er in der Nationalversammlung ein olivgrünes Militärhemd, das an seine Auftritte aus aktiven Regierungszeiten erinnerte. Die Abzeichen des Oberkommandierenden (»Comandante en jefe«) fehlten jedoch. Auch äußerte sich Fidel Castro nicht zu den innenpolitischen Neuerungen in Wirtschaft und Administration, die sein fünf Jahre jüngerer Bruder Raúl wenige Tage zuvor bei einer regulären Parlamentssitzung angekündigt hatte. Stattdessen widmete er sich – wie in seinen sporadisch erscheinenden Kolumnen – ausschließlich außenpolitischen Themen.

Neben dem drohenden Konflikt zwischen den USA und Nordkorea sowie Iran sprach er dabei auch den Fall der »Cuban Five« an. Die fünf Kubaner werden seit zwölf Jahren in den USA gefangen gehalten, weil sie terroristische Gruppierungen des kubanischen Exils in den USA unterwandert haben. Er sei davon überzeugt, dass diese politischen Gefangenen in den kommenden Monaten in die Freiheit entlassen werden, so Castro. Eine Haftentlassung binnen einer Woche wäre überraschend kurz, fügte er zu Wochenbeginn im Gespräch mit den venezolanischen Medienvertretern an, bis spätestens Dezember aber rechne er mit einer tiefgreifenden Wendung in dem Fall, der das Verhältnis zwischen Washington und Havanna seit Jahren schwer belastet. Von einer aktiven Rolle in der bilateralen Politik zwischen Kuba und den USA will Fidel Castro dennoch nichts wissen. »Das ist nicht meine Sache«, sagte er im Gespräch mit den venezolanischen Journalisten: »Ich spreche die Dinge nur aus.«

Natürlich aber hat Fidel Castros Stimme in Kuba ein großes Gewicht. Als er am Wochenende den Plenarsaal betrat, brachen die 610 Abgeordneten minutenlang in stürmischen Beifall aus, berichteten Korrespondenten. Doch es ist nicht nur das Charisma des Revolutionsführers, das ihm Autorität verschafft. Fidel Castro ist nach wie vor Erster Sekretär der regierenden Kommunistischen Partei Kubas und er hat – ob mit Abzeichen oder ohne – den Posten des »Comandante en Jefe« inne. Als er sich im Juli 2006 aus gesundheitlichen Gründen abrupt aus der Regierungspolitik zurückziehen musste, unterstrich Nachfolger Raúl Castro diese Rolle seines Bruders. Er werde sich vorbehalten, Fidel Castro »in wichtigen Fragen« zu konsultieren, sagte der amtierende Staatschef damals.

Fidel Castro scheint die neue Arbeitsaufteilung zu liegen. Er werde die Zeit nutzen, um am zweiten Teil seiner Memoiren zu schreiben, kündigte er nun an. Der erste Band mit 900 Seiten war vor einer Woche in Havanna vorgestellt worden. Und, wer weiß, vielleicht gewinne er ja noch einen Literaturpreis, fügte er. Der spanische Prinz-von-Asturien-Preis soll ja recht gut dotiert sein, scherzte er – nicht ohne Hintergedanken. Die Auszeichnung war in den vergangenen Jahren mehrfach an rechte Propagandisten aus Lateinamerika verliehen worden, um sie finanziell und politisch zu unterstützen.

* Aus: Neues Deutschland, 11. August 2010


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