Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Kuba und der Ton des Weißen Hauses

Trotz Castros Verhandlungsangebots und Obamas Vorsätzen gibt es noch keine Annäherung

Von Leo Burghardt, Havanna **

Fidel Castro, seit Donnerstag nun 83, scheint wieder einmal recht zu behalten. Im Januar hatte er in einer seiner Reflexionen für die kubanischen Medien über den neuen US-amerikanischen Präsidenten geäußert, er halte Barack Obama für ehrenwert und ehrlich. Er werde jedoch mit vielen seiner guten Vorsätze scheitern, weil diese nicht den hegemonistischen Traditionen des »Imperiums« entsprechen.

Auch in der zwei Wochen danach veröffentlichten Analyse - er sitzt nach wie vor tagtäglich Stunden vor dem Computer, grast das Internet ab oder liest die neuesten internationalen Nachrichten -, lag er offensichtlich richtig. Obama, schrieb Fidel Castro damals, müsse sich nicht nur mit den Kontrahenten der Republikanischen Partei herumschlagen. Ihm würden ebenso kraftraubende Balanceakte mit den Rechten und Rassisten in der eigenen Partei abverlangt.

Unlängst fragte die mexikanische Tageszeitung »La Jornada«: »Wer regiert eigentlich in Washington? Das Weiße Haus, das State Department oder das Pentagon?« »La Jornada« führt den Putsch in Honduras an, zu dem das Weiße Haus als nahezu einzige Regierung der Welt keine scharfe Verurteilung formulierte. Es kam lediglich ein windelweiches »Wir glauben, dass der Staatsstreich nicht legal ist.« Inzwischen weiß man, dass US-Militärs den Coup mit vorbereitet haben.

Und Hillary Clinton, von der Presse in Washington zweimal gefragt, »ob die Wiederherstellung der demokratischen Ordnung in Honduras ohne die Wiedereinsetzung von Präsident Manuel Zelaya möglich wäre«, verweigerte beide Male eine Antwort. Das hat Obama, der ja eine neue verständnisvolle Politik mit seinen südlichen Nachbarn anstreben wollte, viel Kredit gekostet, und jetzt, nachdem es beschlossene Sache ist, dass das Pentagon in Kolumbien sieben Militärbasen etablieren wird, ist die Stimmung an einem Tiefpunkt angelangt.

»Diese Militärbasen gefallen mir als Präsident Brasiliens überhaupt nicht, weil sie auf unserem Subkontinent erneut ein Klima der Unruhe verbreiten werden«, sagte Luiz Inacio Lula da Silva in Ecuador, wo er an der 200-Jahrfeier des ersten Aufrufs zum Befreiungskampf gegen die spanischen Kolonialmacht teilnahm. Venezuelas Präsident Hugo Chavez, Nachbar Kolumbiens, der von Washington nach Fidel Castro zum Hauptfeind geadelt wurde, »riecht Krieg«.

Staatschef Raul Castro, der ebenfalls in Ecuadors Hauptstadt Quito war, bestätigte Obama persönliche Integrität und bot ein weiteres Mal Verhandlungen zwischen Havanna und Washington an: »Wir können über alles reden, wenn kein Schatten auf unsere Souveränität fällt. Von Gleich zu Gleich. Doch wieso fordern die USA als Voraussetzung für Verhandlungen Gesten von unserer Seite?« fragte er. Es sei beinahe dieselbe Tonart wie unter George W. Bush, »wenn auch ohne dessen Aggressivität und unsägliche Arroganz«. Wer macht denn die Blockade gegen Kuba? Und ohne ein gerechtes Urteil für die Miami Five, das heißt ihre Freilassung, sei an Normalisierung der Beziehungen sowieso nicht zu denken.

Völligen Stillstand gibt es allerdings nicht. Die letzten von Bush jun. befohlenen Reisebeschränkungen für Kubano-Amerikaner wurden eliminiert, ebenso die Grenze für private Geldüberweisungen nach Kuba. Die von Bush vor sechs Jahren kommentarlos abgebrochenen Emigrationsverhandlungen nahmen wieder ihren Fortgang mit »konstruktiven Ergebnissen«.

Die Interessenvertretung der USA in Havanna hat ihre meterhohen Leuchtstoffröhren mit Nachrichten, die die Kubaner gegen ihre Regierung aufwiegeln sollten, ausgeschaltet, und Kuba hat im Gegenzug polemische Wandmalereien rund um die Interessenvertretung entfernt. Vielmehr war bisher nicht. Jetzt gerade hat die kubanische staatliche Lebensmittelimportfirma Alimport sich neue Partner suchen müssen - trotz der »Seriosität der amerikanischen Unternehmer, der ausgezeichneten Qualität ihrer Produkte und der geografischen Nähe«. Aber die hohen Lebensmittelpreise, die weltweite Finanzkrise und die für Kuba kostspielige und unvorstellbar komplizierte Blockadebürokratie machen einen einigermaßen normalen Handel nahezu unmöglich. Nach Obamas Amtsantritt wurden sogar einige Erschwernisse hinzugefügt.

Die Union Südamerikanischer Staaten könnte noch in diesem Monat auf Vorschlag der argentinischen Präsidentin Cristina Kirchner de Fernández ihre Außen- und Verteidigungsminister nach Buenos Aires bitten, um über die US-amerikanischen Militärbasen in Kolumbien oder anderswo auf dem Subkontinent zu diskutieren. Außer Kolumbiens Präsident, dem Ultrakonservativen Alvaro Uribe, will sie keiner, vielleicht noch der Peruaner Alán García. Sie würden immer Sand im Getriebe der sich anbahnenden Integration sein. Bogota hat nach anfänglichem Sträuben seine Teilnahme zugesagt. Höchstwahrscheinlich aber eher um zu versuchen, die Notwendigkeit US-amerikanischer Militärbasen auf seinem Territorium zu begründen.

* Aus: Neues Deutschland, 17. August 2009


Arbeitstreffen am 83. Geburtstag

Hugo Chávez gratuliert Fidel Castro. Glückwünsche auch aus dem US-Knast

Von André Scheer **


Wie die Tageszeitung Granma am Wochenende meldete, hat der frühere kubanische Präsident Fidel Castro zu seinem 83. Geburtstag am Donnerstag Besuch vom venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez erhalten. Chávez, der bis Freitag abend auf der Insel blieb, überreichte seinem Freund zwei Gemälde des venezolanischen Künstlers Edgar Álvarez Estrada, die den kubanischen Nationalhelden José Martí und den venezolanischen Freiheitskämpfer Francisco de Miranda zeigen.

Der Geburtstagsbesuch verwandelte sich Granma zufolge in ein Arbeitstreffen mit zwei »langen Sitzungen«, an denen auch der kubanische Präsident Raúl Castro teilnahm. »Die fruchtbaren Kontakte waren Ausdruck der Übereinstimmung in den analysierten Angelegenheiten, der herzlichen Beziehungen zwischen unseren Völkern und Regierungen und der ehrlichen Freundschaft, die zwischen den Führungen beider Länder besteht«, endet die im Kommuniqué-Stil gehaltene Meldung der Granma.

Der 83. Geburtstag des Comandante der kubanischen Revolution hatte in der vergangenen Woche die Medien beschäftigt, lateinamerikanische Fernsehsender strahlten Sondersendungen aus. In Havanna wurde eine Ausstellung mit 83 Fotos eröffnet, die Momente aus dem Leben Castros zeigen. »Wir müssen uns beglückwünschen, daß wir einem Volk angehören, das aus seiner Mitte einen Mann geboren hat, der in sich die besten Werte unserer Geschichte vereint«, sagte der kubanische Parlamentspräsident Ricardo Alarcón bei der Eröffnung der Ausstellung.

In persönlichen Briefen richteten auch »Los Cinquo«, die fünf in US-amerikanischen Gefängnissen inhaftierten Kubaner, Glückwünsche an Fidel. »Wir können nicht die gemeinen Erwartungen entschlüsseln, die das Imperium zu der Brutalität und zu den Rachegelüsten bei unserer Behandlung treibt«, heißt es in dem Schreiben. Doch »können wir Ihnen das Versprechen anbieten«, daß es niemals auch nur »das geringste prinzipielle Zugeständnis gegenüber einem so erbärmlichen Feind« geben könnte, schreibt René González Sehwerert, der gemeinsam mit seinen vier Genossen vor fast elf Jahren verhaftet wurde. Seither werden die fünf Kubaner gefangengehalten, weil sie exilkubanische Terrororganisationen in Miami unterwandert hatten, um Anschläge auf die Insel zu verhindern.

Zu den Gratulanten Fidel Castros gehörte auch die kolumbianische Guerrilla der FARC (Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens). In einer »in den Bergen Kolumbiens« mit Datum vom 13. August veröffentlichten Erklärung schreibt die »Internationale Kommission« der Organisation: »Ein Geburtstag hätte keine Bedeutung, wenn man nichts für das Leben und die Menschheit unternommen hätte. Aber im Fall Fidels ist das Leben ständige Kreativität und Aktion gewesen, um den Glauben an die Sache der Ausgebeuteten aufzubauen«.

** Aus: junge Welt, 17. August 2009


Zurück zur Kuba-Seite

Zurück zur Homepage