Kuba und der Fall Alan Gross
Der US-Amerikaner hofft auf Gefangenenaustausch
Von Leo Burghardt, Havanna *
Gibt es eine Chance zur Verbesserung
der Beziehungen zwischen Washington
und Havanna? Derzeit scheint unter
anderem der Fall Alan Gross dagegen
zu sprechen.
Die mexikanische Nachrichtenagentur
Notimex überraschte mit
der Meldung, »eine hohe Funktionärin
der amerikanischen Regierung
« habe gesagt: »Präsident Barack
Obama ist bereit, mit Kuba
und Venezuela zu kooperieren,
wenn beide Länder sich öffnen.«
Beginnen könne man mit dem
notwendigen gemeinsamen Kampf
gegen den illegalen Drogenhandel.
Die Dame, so Notimex, habe anonym
bleiben wollen und hinzugefügt:
»Immer wenn sich eine USRegierung
anschickt, die Beziehungen
zu Kuba zu verbessern,
passiert etwas, was dies verhindert.«
Die Dame erinnerte an 1996,
als zwei Kleinflugzeuge der von
Miami aus operierenden konterrevolutionären
»Rettungsbrüder«
(Hermanos al Rescate), die Kubas
Luftraum verletzt hatten, abgeschossen
wurden, wobei die Piloten
umkamen. Eindringliche Ersuchen
Havannas an Washington,
solche Provokationen zu unterbinden,
waren fehlgeschlagen. Präsident
Bill Clinton, der seine Fühler
ausgestreckt hatte, um das Terrain
für Verhandlungen mit Kuba zu
erkunden, musste schließlich sogar
die Helms-Burton-Blockadegesetze
unterzeichnen.
Noch eklatanter war, was 1963
geschah. Präsident John F. Kennedy
und Fidel Castro hatten
streng geheim gehaltene Kontakte
aufgenommen, um zu erkunden,
wie die beiden Nachbarn vernünftig
miteinander auskommen
könnten. Es endete mit der Ermordung
Kennedys.
Heute gibt es den Fall Alan
Gross. Der heute 63-jährige USAmerikaner
war von einer Filiale
der dem Außenministerium zugehörigen
USAID unter Vertrag genommen
worden, um der jüdischen
Gemeinde in Kuba (1500
Mitglieder) behilflich zu sein, einen
Zugang zum Internet einzurichten.
Viermal reiste er ohne Schwierigkeiten
in Kuba ein, beim fünften
Versuch wurde er 2009 verhaftet.
Im Gepäck hatte Gross ein Dutzend
Medienabspielgeräte, elf Smartphones,
drei Notebooks, dazu hoch
entwickelte Geräte für den Bau von
Kommunikationszentren und spezielle
Chips für Mobiltelefone, die
zur Ausrüstung von Pentagon und
CIA gehören. Einfuhr und Einsatz
dieser Chips nach und in Kuba sind
ausdrücklich verboten.
Im Prozess kam zur Sprache,
dass Gross in den USA Helfer angeworben
hatte, die Teile seiner
Fracht in Kuba einflogen. Er selbst
wollte nicht wegen allzu umfangreichen
Gepäcks die Aufmerksamkeit
der Zollbehörden erregen.
Seine Kontaktaufnahme zu einem
kubanischen Doppelagenten war
ebenfalls nicht dazu angetan,
Gross als Unschuldslamm erscheinen
zu lassen. Er wurde 2011 wegen
subversiver Aktivitäten gegen
Kubas nationale Sicherheit zu 15
Jahren Haft verurteilt. Im Prozess
hatte er geklagt, er sei betrogen
und ausgenutzt worden. Gross bat
die kubanische Regierung um
Verzeihung. Ein Vertreter der Jüdischen
Gemeinde sagte übrigens,
den Internetzugang habe man
längst gehabt.
Sarah Stephens, Exekutivdirektorin
des Zentrums für Demokratie
beider Amerikas in Washington,
sieht in Gross ein Opfer verfehlter
USA-Politik. Die USAID sein ein
trauriges Erbe aus dem Kalten
Krieg. Die Agentur wurde tatsächlich
immer wieder fern ihres offiziellen
Auftrags, Demokratie und
Entwicklung zu fördern, zu Spionage-
und Unterwanderungszwecken
in der Dritten Welt eingesetzt.
Als USAID-Sprecher Baily befragt
wurde, ob man Gross die bewussten
Chips geliefert habe, antwortete
er freilich empört: »Wir sind
eine Agentur für Entwicklungshilfe,
keine Agentur der Geheimdienste.«
Gross und seine Frau verklagten
die USAID-Filiale, für die er
unterwegs war, und die USA-Regierung
auf Schadenersatz in Höhe
von 60 Millionen Dollar. Begründung:
Sie hätten Gross nicht angemessen
ausgebildet und auf die
Risiken seiner Mission in Kuba
hingewiesen.
Seit ein paar Wochen eskaliert
die antikubanische Kampagne im
Fall Gross erneut. Beklagt wird eine
besorgniserregende Verschlechterung
seines Gesundheitszustands,
obgleich Gross sich
in den Händen eines erstrangigen
kubanischen Ärzteteams befindet.
Rabbiner Elie Abadie von der Edmund
J. Safra-Synagoge in New
York, selbst Mediziner, war zwei
Stunden mit Gross zusammen und
sagte danach: »Er ist guter Stimmung,
fühlt sich physisch fit. Natürlich
will er raus.« Krebs habe
Gross nicht, »es ist ein Hämatom
infolge seiner Gymnastikübungen,
das von allein verschwinden wird.
Ich denke, er sieht das ebenso.«
Rabbiner David Shneyer besuchte
Gross ebenfalls. In einem
Blog teilte er mit, dass der Gefangene
nach dem Austausch der
1000 Palästinenser gegen den israelischen
Soldaten Gilad Shalit
gefragt habe, ob so etwas in seinem
Fall nicht auch möglich sei.
Jedem Kenner fallen dabei die
»Cuban Five« ein. Rabbi Abadie
wusste noch eines: Kubanische
Funktionäre seien mehr als bereit
zu Verhandlungen.
* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 20. Dezember 2012
Zurück zur Kuba-Seite
Zurück zur Homepage