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Vor der Nase Washingtons

Während in Miami die Freunde von Luis Posada Carriles dessen Prozeßerfolg feiern, outen sich Konterrevolutionäre in Kuba als Angehörige der Staatssicherheit

Von André Scheer *

Mit einem Festbankett in dem Nobelclub »Big Five« im Zentrum von Miami haben die Freunde von Luis Posada Carriles am Mittwoch den Prozeßerfolg des Terroristen und CIA-Agenten gefeiert. Posada war am vergangenen Wochenende im texanischen El Paso von dem Vorwurf freigesprochen worden, die US-Einwanderungsbehörden belogen zu haben, als er gegenüber deren Beamten seine Beteiligung an einer Serie von Bombenanschlägen auf kubanische Hotels Mitte der 90er Jahre leugnete. Venezuela fordert außerdem Posadas Auslieferung wegen dessen Beteiligung an dem Attentat auf ein kubanisches Verkehrsflugzeug 1976, bei dem 73 Menschen ums Leben kamen. Wegen dieses Anschlags, der sich in venezolanischem Luftraum ereignete, saß Posada neun Jahre lang in Venezuela im Gefängnis, bevor ihm 1985 offenbar mit Hilfe der CIA die Flucht gelang.

Ohne den juristischen Erfolg Posadas hätten die antikommunistischen Gruppen in Miami dieser Tage wenig zu feiern gehabt. Der 50. Jahrestag der Invasion in der Schweinebucht, an deren Vorbereitung Posada Carriles selbst beteiligt war, ist für diese Leute jedenfalls kein Grund zum Jubeln. Rund 1500 vom US-Geheimdienst CIA trainierte und ausgerüstete Exilkubaner waren damals, am 17. April 1961, an der Playa Girón, einem Strand in der Schweinebucht, gelandet, um die revolutionäre Regierung Kubas militärisch zu stürzen. Der Plan scheiterte, weil es den kubanischen Milizionären in weniger als 72 Stunden gelang, die Konterrevolutionäre zurück ins Meer zu jagen.

In Kuba steht »Playa Girón« seither für die »erste militärische Niederlage des Imperialismus in Lateinamerika«, wie es das kleine Museum in der ehemaligen Zuckerfabrik Central Australia stolz verkündet. In dem damaligen Befehlsstand Fidel Castros sind heute die Reste abgeschossener Flugzeuge der Invasoren und Fotos der damals getöteten Milizionäre ausgestellt. Ausdrücklich weist das Museum auch darauf hin, daß die Kubaner damals bereits den Sozialismus verteidigten. Am 15. April hatten US-amerikanische Flugzeuge, die zur Tarnung mit den kubanischen Hoheitszeichen bemalt worden waren, die Flughäfen von Ciudad Libertad, San Antonio de los Baños und Santiago de Cuba bombardiert. Bei einer Trauerfeier für die dabei Getöteten proklamierte Fidel Castro am folgenden Tag den sozialistischen Charakter der Kubanischen Revolution: »Was sie uns nicht verzeihen können, ist, daß wir hier, direkt vor der Nase der Vereinigten Staaten, eine sozialistische Revolution durchgeführt haben! Und diese sozialistische Revolution werden wir mit diesen Gewehren verteidigen!« Tausende Milizionäre streckten ihre Gewehre in den Himmel und bejubelten die Worte ihres Comandante en Jefe.

Mehr als 700 Konterrevolutionäre wurden im Zuge der Kämpfe verhaftet und später im Austausch gegen Medikamente in die USA ausgeflogen. Dort wurden sie von US-Präsident John F. Kennedy empfangen, der die Fahne der »Brigade 2506« entgegennahm und pathetisch erklärte, dieses Banner werde den Kämpfern »in einem freien Havanna zurückgegeben«. »Gibt es in Miami eine Kneipe, die Freies Havanna heißt?« fragte die kubanische Wochenschau damals ironisch, und tatsächlich ist es Washington auch ein halbes Jahrhundert später nicht gelungen, sich der sozialistischen Revolution vor seiner Nase zu entledigen.

Statt dessen mußte die CIA zuletzt immer neue Tiefschläge verkraften. Im kubanischen Fernsehen läuft Woche für Woche die Reihe »Las Razones de Cuba« (Die Gründe Kubas). In nahezu jeder Folge treten dort teilweise hochrangige Vertreter der in Kuba aktiven konterrevolutionären Gruppen auf, die sich plötzlich als Angehörige der kubanischen Staatssicherheit outen. Zuletzt war es in der vergangenen Woche der Schriftsteller Raúl Capote, dessen Kolumnen in der von Miami aus betriebenen Internetplattform Cubanet und in der Tageszeitung Miami Herald erschienen. Im kubanischen Fernsehen berichtete Capote nun, wie die CIA in Kuba aktiv ist, um geeignete Leute künstlich zu Führungspersönlichkeiten aufzubauen, die den regierungsfeindlichen Aktivitäten ein Gesicht geben sollen. Zuvor hatte bereits der Internetdienst Wikileaks enthüllt, daß die US-Interessenvertretung in Havanna keinerlei Hoffnung mehr in die »alten Köpfe« der zerstrittenen kubanischen Dissidentenszene setzt.

Trotz der vielen wirtschaftlichen Probleme, mit denen das Land zu kämpfen hat, herrscht in Kuba also durchaus eine optimistisch stimmende Atmosphäre, wenn am Samstag in Havanna der VI. Parteitag der Kommunistischen Partei Kubas eröffnet wird.

* Aus: junge Welt, 14. April 2011


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