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Kolonialistische Anmaßung

US-Regierung verschärft Okkupationsplan für Kuba

Von Horst Schäfer *

Nach fast 48 Jahren Staatsterrorismus gegen Kuba mit offenem und verdecktem Krieg, Sabotage, Mordanschlägen, Psychoterror und Wirtschaftsblockade versucht die US-Außenministerin, sich bei den Kubanern anzubiedern. Auf der Internetseite des Department of State ist zu lesen (und, in Form einer Video- und Sounddatei, zu sehen und zu hören): »Sie haben keinen größeren Freund als die USA«. Das verkündete Condoleezza Rice dem »kubanischen Volk« am 10. Juli 2006, ausgerechnet an jenem Tag, an dem sie in Washington einen verschärften Okkupationsplan der USA für Kuba vorlegte (siehe: www.cafc.gov).

Wie gefährlich können Feinde schon sein, verglichen mit einem solchen Freund? Nicht zu Unrecht sagt man in Lateinamerika, unter Hinweis auf fast zwei Jahrhunderte bitterer Erfahrungen: Wenn die US-Regierung einem Land ankündigt, es mit Frieden, Demokratie, freien Wahlen, freier Marktwirtschaft und natürlich Menschenrechten à la Washington beglücken zu wollen, dann ist höchste Gefahr im Verzug. Auf die Quizfrage, warum denn im Gegensatz zu Südamerika in den Vereinigten Staaten nie ein Militärputsch stattfand, kennt man im Süden die Antwort: In Wa­shington gibt es keine US-Botschaft, und die CIA darf laut Gesetz nur im Ausland tätig werden ...

»Kuba ist nicht Ihr Land«

Der 93 Seiten umfassende neueste Plan der Regierung Bush ist – zusammen mit seinem ausdrücklich als weiterhin gültig bestätigten 500-Seiten-Vorläufer vom Mai 2004 – ein Muster an Einmischungs- und nur dürftig getarnter Staatsstreichpolitik. Ganz so, als gälte das Platt-Amendment von 1901 noch, jener Zusatz zum Armeehaushaltsgesetz, mit dem sich die US-Besatzungsmacht nach dem Spanisch-Amerikanischen Krieg (1898) das Recht auf unbeschränkte Einmischung in die inneren Angelegenheiten Kubas sicherte.

Verfasserin beider »Übergangspläne« ist die bereits 2003 von Präsident George W. Bush gegründete »Kommission für die Unterstützung eines freien Kuba«, die von Condoleezza Rice sowie US-Handelsminister Carlos M. Gutierrez – einem Großindustriellen und Sohn eines enteigneten kubanischen Plantagenbesitzers– geleitet wird. Zusätzlich zu den bisherigen Aufwendungen für den Sturz der Regierung Castro werden für die kommenden zwei Jahre weitere 80 Millionen Dollar von der Regierung bereitgestellt, davon 15 Millionen für »internationale Anstrengungen«, also der verstärkten psychologischen Kriegsführung, insbesondere in EU-Ländern, um einen sogenannten Regimewechsel herbeizuführen. Als Ziel wird der beschleunigte »Übergang« zu Demokratie und Marktwirtschaft sowie die Bildung einer Übergangsregierung für Kuba formuliert. Zusammen mit Kuba, so geht aus dem Dokument hervor, will die US-Regierung auch einen »Regimewechsel« in Venezuela erreichen. Alle Pläne wurden von Bush ausdrücklich bestätigt.

Der neue Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), José Miguel Insulza aus Chile, hat den USA im Zusammenhang mit dem neuen Dokument und der Einsetzung eines »Übergangskoordinators« für Kuba eine schallende Ohrfeige verpaßt. Wie der Miami Herald am 9. Juni berichtete, wies der Chef der bisher eher US-hörigen OAS die Einmischung der Bush-Regierung in innerkubanische Angelegenheiten mit den knappen aber eindeutigen Worten zurück: »Es gibt keinen Übergang – und es ist auch nicht Ihr Land.« Außerdem forderte Insulza von Washington, den Terroristen Luis Posada Carriles, der unter anderem 1976 am Bombenanschlag auf ein kubanisches Flugzeug – 73 Tote waren die Folge – beteiligt war und deswegen in Venezuela, seinem damaligen Wirkungsfeld, gesucht wird, an die dortige Justiz auszuliefern.

Gleich auf den ersten Seiten des US-Dokuments wird Kuba beschuldigt, »aktiv die Interessen der USA in der Region zu unterminieren«, »demokratische Regierungen zu stürzen«, einen »Nuklearkrieg gegen unsere Nation« befürwortet zu haben und die Bürger der USA sowie die Sicherheit der Vereinigten Staaten zu »bedrohen«. Wie bekannt, haben den USA schon weit geringere Gründe ausgereicht, einen Krieg zu beginnen und ein Land mit Gewalt und Terror zu überziehen.

Der US-Übergangsplan für Kuba, so heißt es im Papier, sei »das Ergebnis der monatelangen Arbeit von mehr als 100 Teilnehmern aus 17 Bundesbehörden und Agenturen«.

Die Sorgen der USA

Unter der Überschrift »Unterminierung der Nachfolgestrategie des Regimes« wird Kuba und Venezuela vorgeworfen, sich gegen die US-Aggressionspläne aktiv zu wehren und dem Druck der USA entgegenzutreten. Dieser Widerstand beider Staaten, so der Report, unterstreiche sogar die Dringlichkeit der geplanten US-Maßnahmen.

»Das Castro-Regime sucht in Übereinstimmung mit den Gegnern eines friedlichen, demokratischen Wandels, angeführt von der Chávez-Regierung in Venezuela, den Übergang aktiv zu kontrollieren«, heißt es dort. »Das Regime unternimmt eine Informations- und Beeinflussungskampagne, um außerhalb Kubas Unterstützernetzwerke zu schaffen ... Diese Netzwerke unterminieren die Möglichkeiten für eine demokratische Zukunft Kubas, sie unterminieren die nationalen Interessen der USA in Kuba und in dritten Ländern sowie unsere Interessen an einem demokratischen und stabilen Venezuela ... Das Regime in Havanna arbeitet mit gleichgesinnten Regierungen, insbesondere mit Venezuela, zusammen, um ein Netzwerk politischer und finanzieller Unterstützung zu schaffen, das dazu dient, jedem Druck von außen für einen Wechsel (in Kuba, H. S.) entgegenzutreten. Dieser Zustand unterstreicht die Dringlichkeit von Maßnahmen, um sicherzustellen, daß es wirklich einen Übergang (gemeint ist: zum Kapitalismus, H. S.) gibt, und daß die Nachfolgestrategie des Castro-Regimes nicht erfolgreich ist.«

Die Regierung Bush beklagt sich auch darüber, daß Kuba und Venezuela in der Region bei Regierungen und in der Bevölkerung Rückhalt finden – und nennt das besonders bedrohlich. So heißt es in dem Papier, die »Castro-geführte Achse« unterminiere auch »die demokratischen Regierungsformen und die Institutionen überall in der Region. Gemeinsam fördern diese Länder einen alternativen Rückwärtskurs und eine anti-amerikanische Agenda für die Zukunft der Hemisphäre, und sie finden einige Resonanz bei populistischen Regierungen und der entrechteten Bevölkerung in der Region ... Die kubanische Diktatur ist eine destabilisierende Kraft in der Region, ein Beweis für die Bedrohung unserer Bürger und ihrer eigenen ... Da gibt es ›Brunnenvergifter‹ in der internationalen Gemeinschaft, die der kubanischen Diktatur und ihrer Nachfolgestrategie gefällig sind oder sie anderweitig unterstützen – auf Kosten des demokratischen Übergangs in Kuba und der nationalen Interessen der USA.«

Dann greift die US-Regierung noch tiefer in den Topf mit Verleumdungen und Lügen und behauptet, Kuba ignoriere auf Kosten seiner »Destabilisierungspolitik« in der Region die Nöte des kubanischen Volkes.
»Es gibt Beweise, daß das Regime das Geld, das die Chávez-Regierung von Venezuela zur Verfügung stellt, dazu benutzt, um sein Netzwerk in der Hemisphäre wieder zu aktivieren, um demokratische Regierungen zu stürzen. Diese internationale Einmischung des Castro-Regimes geschieht auf Kosten der Bedürfnisse des kubanischen Volkes ... Das Castro-Regime kümmert sich nicht um die grundlegenden humanitären Nöte des kubanischen Volkes. Chronische Unterernährung, verseuchtes Trinkwasser und nichtbehandelte chronische Krankheiten sind immer noch ein Problem für einen großen Prozentsatz des kubanischen Volkes. Diese Bedingungen werden sich nicht verbessern, solange Fidel Castro an der Macht ist.«

Wie sehr die Darstellung der US-Regierung– wider besseres Wissen – die Realitäten in Kuba verfälscht, ist selbst schon dem Springer-Blatt Die Welt, der sozialistischen Insel nicht gerade freundlich gesonnen, aufgefallen. Am 18. August konnte man dort lesen:
»Kubas Wirtschaft wächst so kräftig wie noch nie. Der Grund: Fidel Castro hat 2006 zum ›Jahr der energetischen Revolution‹ erklärt. Seitdem wird auf Kuba renoviert und modernisiert ... Das Ergebnis: 12,5 Prozent Wirtschaftswachstum im ersten Halbjahr 2006– so etwas hat es noch nie gegeben in den 47 Jahren seit Beginn der Revolution.«
Weiter zitiert die Zeitung einen Experten der Handelskammer Hamburg: »Kuba baut sein Gesundheitssystem gerade stark aus.«

Koordinierter »Übergang«

Kolonialistische Anmaßung, Aggressivität sowie der alarmierende Umfang der weitreichenden und detaillierten Vorbereitung eines baldigen sogenannten Regimewechsels werden auch in anderen Kapiteln des neuen »Übergangsprogramms« der USA für Kuba deutlich. Selten wurde so klar wie in diesem Dokument, wie sich die USA »ihr« Kuba vorstellen:

Zu den »unentbehrlichen Sofortmaßnahmen« rechnet die US-Regierung »die Schaffung eines Komitees für die Koordinierung der Übergangspolitik in Kuba«, das nicht nur von dem von Bush 2005 eingesetzten Übergangskoordinator Caleb McCarry, sondern auch vom Nationalen Sicherheitsrat (NSC) geleitet werden soll. Der NSC ist das höchste Regierungsorgan in Sicherheitsfragen und untersteht direkt dem Präsidenten. US-Dokumente belegen, daß die meisten Aggressionsakte gegen Kuba zwischen 1959 und 1964 im NSC beschlossen wurden. Zahlreiche Unterkomitees sollen nun gebildet werden zu Themen wie Sicherheitsfragen, Demokratie, Rechtsstaat und wirtschaftliches Wachstum. Zu Recht erinnert der ehemalige Diplomat und Leiter der US-Vertretung in Kuba Wayne S. Smith daran, daß für den Irak auch ein »Übergangskoordinator« eingesetzt wurde – nach dem Überfall durch die USA 2003.

Das Außenministerium wird aufgefordert, umgehend »eine Liste mit Angestellten der US-Regierung vorzubereiten und zu führen, die einschlägige Kuba- oder andere Aufbauerfahrungen haben«. Eine spezielle Ausbildung über Kuba soll in die Lehrpläne des auswärtigen diplomatischen Dienstes eingegliedert werden, »um sicherzustellen, daß dieses Wissen erhalten bleibt«. Weiter heißt es: »Das Handelsministerium soll einen Beraterausschuß von Kuba-Experten aus dem ganzen Land (USA, H. S.) für den privaten Sektor einrichten, um sicherzustellen, daß die US-Regierung bei der Vorbereitung ihrer Unterstützung einer kubanischen Übergangsregierung die bestmögliche Beratung erhält.« Die Ministerien für Handel und Landwirtschaft, der US-Handelsbeauftragte und das Außenministerium werden angewiesen, »mit US-Unternehmen eine Reihe von Seminaren durchzuführen, um ... letztlich mit einem freien, demokratischen Kuba Geschäfte machen zu können.«

Dazu sei natürlich, so das US-Dokument, eine weitgehende Privatisierung der Wirtschaft und Industrie, insbesondere der großen Staatsbetriebe, der Landwirtschaft und auch der Bodenschätze wie z. B. Nickel und Kobalt, nötig, die in die »Marktwirtschaft« überführt werden müßten. Wie das vonstatten gehen könnte, steht auch im Report: »Die Erfahrungen der ehemals kommunistischen Staaten in der erfolgreichen Handhabung der früheren Eigentumsrechte und der Privatisierung sollten bei der technischen Hilfe zugrunde gelegt werden.« Bis zur Enteignung und Privatisierung der kubanischen Nickel- und Kobalt-Minen will die US-Regierung verstärkt den kubanischen Export der Metalle an dritte Staaten überwachen und verhindern und gründet dafür entsprechende interministerielle Einsatzgruppen.

Exilkubaner sollen nach US-Plänen im »freien« Kuba eine entscheidende Rolle spielen, die »neuen Unternehmer« sowie US-kubanische Unternehmen unterstützen. »Kubaner im Ausland mit militärischer Erfahrung könnten von der kubanischen Übergangsregierung eingeladen werden und ein Team bilden, um die kubanische Verteidigungs- und Militärführung während der Übergangsperiode auszubilden und zu beraten.« Wie viele Batista-Offiziere leben eigentlich noch in den USA? Die Durchsetzung der US-Blockademaßnahmen gegen Kuba auch gegenüber Drittstaaten sowie der Psychoterror über US-Radio- und TV-Stationen Richtung Kuba werden weiter verstärkt.

Als Gegenmaßnahme gegen die zunehmende internationale Anerkennung der Erfolge Kubas soll eine diplomatische Kampagne insbesondere in Richtung europäische und südamerikanische Staaten forciert werden. Sie werden aufgefordert, Führer der Opposition Kubas in ihre Länder einzuladen und sich aktiver für die Übergangspolitik der USA einzusetzen. Die »Erfahrungen der osteuropäischen Bürgerbewegungen« könnten hilfreich für die Entwicklung der »Oppositionsbewegung in Kuba« und der »Organisierung des Widerstandes« sein.

Auch die von der US-Regierung finanzierte »Nationale Stiftung für Demokratie« (NED) spielt in den letzten Jahren eine zunehmende Rolle bei der Förderung von Umsturzbewegungen in Kuba, Venezuela und anderen Ländern. Sie unterstützt terroristische Organisationen, mischt sich in Wahlprozesse ein, kurz: sie ist das »trojanische Pferd« der USA. Die NED, der Millionen Dollar Steuergelder zur Verfügung stehen, wird jetzt beauftragt, Parteien in Kuba zu bilden und so eine wichtige Rolle im Übergangskonzept der USA zu spielen. Dazu heißt es: »Die Außenministerin ermutigt die NED und andere Nichtregierungsorganisationen, die von der US-Regierung Geld bekommen, die Demokratie in Kuba zu unterstützen und befriedigende Pläne zur sofortigen Unterstützung bei der Schaffung politischer Parteien in Bereitschaft zu haben.« Darüber hinaus soll die Außenministerin sicherstellen, »daß eine Organisation mit erwiesener Fähigkeit in der Durchführung von Wahlen detaillierte Pläne und Personal bereitstellt, um einer Übergangsregierung beim Organisieren glaubwürdiger Wahlen zu helfen.« Vielleicht wie in Florida im Jahr 2000?

Der geheime Anhang

All das läßt nicht darauf hoffen, daß Washington in naher Zukunft die Beziehungen zu Kuba normalisiert und insbesondere zivilisiert, wie es in den vergangenen Wochen in zunehmendem Maße selbst in den USA gefordert wurde. Wie sehr der US-Plan nicht nur die Existenz Kubas, sondern Frieden und Sicherheit in der ganzen Region gefährdet, wird auch dadurch deutlich, daß Washington einen wesentlichen Teil seiner Absichten bewußt im dunkeln läßt. So hat die US-Regierung dem ersten Kapitel ihres Machwerks den bedrohlichen Satz – in Kursivschrift hervorgehoben – vorangestellt: »Aus Gründen der nationalen Sicherheit und der wirksamen Durchführung (des Übergangsplans für Kuba) sind einige Vorschläge in einem gesonderten geheimen Anhang enthalten.«

Obwohl die offiziell verkündeten Maßnahmen gegen Kuba und auch Venezuela schon gegen das im Völkerrecht festgeschriebene Einmischungsverbot verstoßen, heizt die Bush-Regierung die Spannung weiter an, indem sie bewußt offenläßt, welche übleren Pläne bis hin zu einer Invasion sie noch verfolgt. Wen wundert es da, daß Kuba Reservisten einberuft und sich – und hier verfügt die Insel über einen bitteren Erfahrungsschatz – auf das wirklich Schlimmste, nämlich eine militärische Aggression, vorbereitet.

Daß solche Befürchtung nicht aus der Luft gegriffen ist, macht auch ein anderes Beispiel deutlich. Am 18. August 2006 informierte der direkt dem Präsidenten unterstellte oberste Chef aller 16 US-Geheimdienste, John D. Negroponte, darüber, daß die Regierung einen »Einsatzmanager« (mission manager) für Kuba und Venezuela ernannt habe, »um den Herausforderungen zu begegnen«, die die beiden Länder »für die amerikanische Außenpolitik darstellen«. Negroponte war unter anderem in die Contra-Affäre zum Sturz der sandinistischen Regierung in Nicaragua verwickelt. Auf seiner mit dem offiziellen US-Siegel versehenen Pressemitteilung wird in einem besonderen Anhang erklärt, daß die Schaffung von »Einsatzmanagern« von der Kommission für Massenvernichtungswaffen (!) empfohlen und vom Präsidenten unterstützt worden ist, und daß diese eine »neue und wichtige Rolle spielt«. Außerdem wird in dem Anhang darauf verwiesen, daß es nur noch für zwei weitere Länder besondere »Einsatzmanager« gibt, nämlich für Iran und Nordkorea. Da ist sie also wieder, die »Achse des Bösen«.

Den für die US-Kuba-Politik wichtigen Posten erhielt der langjährige Geheimdienstexperte für Lateinamerika, J. Patrick Maher. Außerdem werde er weiterhin, so die offizielle Mitteilung, seinen bisherigen Job als Verantwortlicher aller US-Geheimdienste für Lateinamerika und die Karibik ausüben. Maher gehöre seit 32 Jahren der CIA an und habe vor dem Beginn seiner aktiven Geheimdiensttätigkeit für das »US-Friedenkorps« in Kolumbien gearbeitet, mehrere Universitäten besucht und sei später – schon in CIA-Diensten – im US-Kongreß und für das Außenministerium tätig gewesen. Hugo Chávez nannte Maher wegen seines »J.« (für Jack) im Vornamen »Jack the Ripper«.

Muß man sich jetzt darauf einstellen, daß die USA demnächst in Kuba oder Venezuela – wie vor fast dreieinhalb Jahren in Irak – Massenvernichtungsmittel finden werden? Oder was hat die beim Erfinden von Kriegsgründen sehr erfahrene US-Regierung sonst noch in petto? Insbesondere am heutigen 1. September drängt sich ein historischer Vergleich auf: Vor 67 Jahren, am Vorabend des deutschen Überfalls auf Polen, wurde der deutsche Sender Gleiwitz von SS-Leuten in polnischen Uniformen überfallen, woraufhin Hitler erklären konnte: »... seit 5.45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen«.

Diesen März hatte die New York Times berichtet, daß Präsident Bush bei einem Treffen mit dem britischen Premierminister Anthony Blair im Januar 2003 – drei Monate vor dem Überfall auf Irak – zugeben mußte, daß man keine Massenvernichtungswaffen gefunden habe. Stattdessen könne man doch, so Bush zu Blair, mit einem US-Spionageflugzeug in den Farben der UNO über irakischem Gebiet einen Zwischenfall provozieren, um dadurch einen Rechtfertigungsgrund für einen Krieg zu bekommen. Für welche Art Provokation wird Bush sich entscheiden, um einen Überfall auf Kuba und Venezuela zu legitimieren?

Nach dem blutigen US-Putsch gegen die demokratisch gewählte Regierung von Guatemala im Jahre 1954 triumphierte die CIA-Leitzentrale– wie später bei der Schweinebucht-Invasion gegen Kuba 1961 war auch sie in Miami angesiedelt – in einem Telegramm an das CIA-Hauptquartier in Washington: »Es sieht jetzt so aus, als ob die gegenwärtige Regierung von Guatemala vollständig von der CIA gestaltet ist.«

Die »Übergangspläne« für Kuba und die Schaffung der neuen Leitstelle zur Koordinierung aller Geheimdienstaktionen der USA gegen Kuba und Venezuela machen deutlich: Washington kann es offenbar nicht erwarten, aus Havanna und Caracas ähnliche Telegramme zu empfangen.

* Horst Schäfer ist Autor des Buches »Im Fadenkreuz: Kuba« (Kai Homilius Verlag, Berlin 2004). Darin wird anhand von Originaldokumenten der CIA, des Nationalen Sicherheitsrates, des Weißen Hauses und des US-Außenministeriums die Aggressionspolitik der Vereinigten Staaten gegen Kuba detailliert rekonstruiert

Aus: junge Welt, 1. September 2006


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