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Freispruch für Posada Carriles

Gericht in El Paso fällt Urteil im Verfahren gegen antikubanischen Terroristen

Von Philipp Schläger, New York *

Nach nur dreistündiger Beratung wurde der antikubanische Terrorist Luis Posada Carriles von einem Gericht im texanischen El Paso in allen Anklagepunkten freigesprochen. Die überraschend schnelle Entscheidung beendete das fast drei Monate dauernde Verfahren gegen den ehemaligen CIA-Agenten.

Posada Carriles war wegen falscher Angaben gegenüber der US-Einwanderungsbehörde angeklagt worden.Neben Lügen über seine illegale Einreise in die USA 2005 ging es dabei vor allem um seine Beteiligung an einer Reihe von Bombenanschlägen auf Hotels und Restaurants in Kuba 1997. Nach Akten der CIA und des FBI soll Posada Carriles zudem 1976 ein Attentat auf ein kubanisches Passagierflugzeug organisiert haben, bei dem 73 Menschen ums Leben kamen. Die Anklagebehörde warf ihm vor, seine Rolle bei den Anschlägen geleugnet zu haben. Dafür drohte ihm eine Freiheitsstrafe von bis zu 60 Jahren.

Zum Nachweis des Vorwurfs der Falschaussage mußte die Staatsanwaltschaft seine Beteiligung an den Anschlägen belegen. Dabei kam der Journalistin Ann Louise Bardach eine Schlüsselrolle zu, die Carriles 1998 im Auftrag der New York Times interviewt hatte. Im Rahmen ihrer Recherche über Exilkubaner in den Vereinigten Staaten sprach sie damals drei Tage lang mit Carriles, der nach ihren Angaben über die US-Berichterstattung zu einer Anschlagsserie in Kuba enttäuscht war und sich mit seinem Wunsch nach mehr Aufmerksamkeit für die »heroische« Tat an Bardach wandte. Ausführlich prahlte er mit seiner Mitwirkung an den Anschlägen. Zudem bestätigte er gegenüber Bardach die Verwendung eines Tarnnamens, der auf einem Fax zur Planung eines Anschlages auf ein kubanisches Passagierflugzeug auftauchte. Bei den Bombenanschlägen auf Hotels, Restaurants und Nachtclubs in der kubanischen Hauptstadt Havanna kam ein italienischer Tourist ums Leben, Dutzende Menschen wurden verletzt.

Der Anwalt Jose Pertierra, der das Verfahren im Auftrag Venezuelas begleitete, kritisierte die Entscheidung. Die Beweislage sei angesichts Tausender Dokumente und zahlreicher Zeugen stark gewesen, schrieb er in einem Beitrag für das Internetportal CubaDebate. Das Urteil zeige jedoch, daß in US-Verfahren »Theater wichtiger ist als Beweise«. Kuba und Venezuela fordern seit Jahren seine Auslieferung – ohne Erfolg.

* Aus: junge Welt, 11. April 2011


"Schande der US-Administration"

Kuba protestiert gegen Urteil über Luis Posada Carriles und fordert Freilassung der "Cuban Five". Gespräch mit Raúl Becerra **

Raúl Becerra ist Botschafter Kubas in Berlin.

Am vergangenen Wochenende ging in den USA der Prozeß gegen den Terroristen Luis Posada Carriles zu Ende. Er wurde in allen Anklagepunkten freigesprochen. Haben Sie etwas anderes erwartet?

Vor dem Hintergrund der Verbindungen, die die USA, die CIA und das FBI mit dem Terrorismus in Kuba haben, war zu befürchten, daß dieser Prozeß so ausgehen würde. Allerdings wäre es bei den zahlreichen Informationen, über die die US-Regierung auch durch Dokumente verfügt, die ihr aus Kuba zur Verfügung gestellt wurden, nachvollziehbar gewesen, wenn er doch verurteilt worden wäre, selbst wenn es nur für die schwache Anklage gewesen wäre, die Einwanderungsbehörden in El Paso, Texas, belogen zu haben. An diesem Ort nahe der mexikanischen Grenze dauern solche Prozesse normalerweise 20 Minuten, in denen darüber entschieden wird, ob ein Einwanderer in den USA bleiben darf oder abgeschoben wird. Dieser dauerte jedoch drei Monate, um Posada dann am Ende innerhalb von drei Stunden freizusprechen, obwohl seine Schuld erwiesen ist. Das war eine große Farce. Es ist ganz offensichtlich, daß es in den USA ein Interesse gibt, diesen Terroristen zu beschützen. Gleichzeitig präsentieren sie sich als die großen Kämpfer gegen den Terrorismus. Ihr sogenannter Krieg gegen den Terrorismus hat weltweit bereits Millionen Menschenleben gefordert. Aber Posada Carriles kann sich frei in den USA bewegen, und es gibt auch noch andere wie Orlando Bosch. Wir müssen daran erinnern, daß mehr als 3450 Kubaner durch die terroristischen Aktionen in diesen Jahren ermordet wurden. Trotzdem kennen wir keinen einzigen Täter, der in den USA, wo sie alle leben, dafür zur Rechenschaft gezogen worden wäre. Posada Carriles in Freiheit zu belassen, zeigt deshalb, daß es für die USA »gute« und »schlechte Terroristen« gibt.

Welche Schritte wird die kubanische Regierung jetzt ergreifen?

Die kubanische Regierung hat diese Entscheidung verurteilt und wird diese Schande der nordamerikanischen Administration weiter anklagen. Vor allem aber verlangt die venezolanische Regierung die Auslieferung von Posada Carriles, der aus einem venezolanischen Gefängnis geflohen ist, und gegen den in Venezuela auch wegen Folterungen, Morden und anderen Gewaltverbrechen ermittelt wird.

Vor wenigen Tagen hat der frühere US-Präsident James Carter die Freilassung der fünf seit über zwölf Jahren in US-Gefängnissen inhaftierten Kubaner gefordert. Glauben Sie, daß er genügend Einfluß bei Barack Obama hat, um diese Forderung durchzusetzen?

Als ehemaliger Präsident der Vereinigten Staaten hat Carter die Möglichkeit, sich nach Auslandsreisen mit seinem Amtsnachfolger zu treffen und diesen über seine Besuche zu informieren. Es könnte zweifellos ein positiver Beitrag sein, wenn er als ehemaliger Präsident Obama seine Einschätzungen über den Fall der Fünf darlegt, und er hat ja selbst öffentlich erklärt, daß er ihre Inhaftierung für ungerecht hält.

Carter forderte aber auch die Freilassung des in Kuba inhaftierten US-Bürgers Alan Gross...

Herr Gross hat gegen seine Verurteilung Berufung eingelegt. In der kommenden Woche wird das Urteil in zweiter Instanz gefällt, und erst dann wird der Prozeß abgeschlossen sein. Es war ein vollkommen sauberes Verfahren, bei dem die Schuld des Herrn Gross nachgewiesen wurde, in Kuba Technik verteilt zu haben, um der Subversion zu helfen. Er hat alle Verfahrensgarantien genossen, hatte seine Verteidigung, Kontakt zu seiner Familie, die US-Interessenvertretung in Havanna war während des gesamten Verfahrens präsent.

Interview: André Scheer

** Aus: junge Welt, 14. April 2011


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