Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Neue Allianz Moskau - Havanna

Erfolgreicher Besuch Raúl Castros in Russland mit zahlreichen Vereinbarungen

Von Leo Burghardt, Havanna *

Als Kubas Staats- und Regierungschef Raúl Castro und seine Begleiter nach einem 7-Tage-Besuch in Russland in ihrer Iljuschin 96 Richtung Angola abflogen, hatten sie 34 mit ihren Moskauer Partnern ausgearbeitete Dokumente im Gepäck.

Fidel Castro war der letzte kubanische Präsident, den man in Moskau empfangen hatte, 1987 vor den Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag der Oktoberrevolution Als er nach Havanna zurückkehrte, berichtete er der Presse sehr zurückhaltend über seine Eindrücke. Wer Fidel Castro und seine diplomatischen Gepflogenheiten kannte, konnte den Erklärungen eine tiefe Beunruhigung über die Zukunft der UdSSR entnehmen, von der sich Kuba aufgrund der Feindseligkeit Washingtons gezwungenermaßen abhängig machen musste.

Anfangs war das eine Art Zweckehe, die sich dann jedoch zu einem freundschaftlichen, solidarischen Verhältnis entwickelte, ohne das, wie es schien, die Insel nicht überleben würde. Es war einer der zahllosen Irrtümer, dem nicht nur die USA aufgesessen waren. Denn ab 1991 stand Kuba, zwar nicht unvorbereitet, aber eben doch beinah allein da. 85 Prozent seines ökonomischen Hinterlands waren weggebrochen, und die Folgen der wirtschaftlichen, finanziellen und politischen Blockade ließen Freund und Feind fürchten bzw. hoffen, dass die letzte Stunde der kubanischen Revolution geschlagen habe. Die Anti-Castro-Industrie rund um den Erball genoss ihre Konjunktur. Und es hagelte zugleich aus aller Welt mitunter sogar gut gemeinte Ratschläge, zu kapitulieren und zu akzeptieren, dass das »Ende der Geschichte« erreicht sei.

Kuba kapitulierte nicht. Und der Direktor des Moskauer Lateinamerika-Instituts Dawydow erklärte anlässlich des Castro-Besuchs, man »kann natürlich nicht ins Vergangene zurückkehren, schon deshalb nicht, weil heute die Zusammenarbeit auf einer höheren Stufe steht«. Damit meint er nicht nur die vertraglich vereinbarte »technologisch-militärische Kooperation (Ersatzteile), weil die kubanische Armee mit sowjetischem Gerät ausgerüstet ist«, sondern vor allem die zivilen Sektoren Energie, Informatik, Schiffsbau, Biotechnologie, Transport, Tourismus, medizinische Dienstleistungen, Zucker, Landwirtschaft, Nickel, Erdöl, Joint Ventures usw.

Das Problem der Schulden, die Kuba bei der UdSSR hatte, wurden schon 2006 auf Eis gelegt. Jetzt vergab Moskau an Havanna einen 20-Millionen-Dollar-Kredit, damit Kuba in Russland einkaufen kann. Bei der Gelegenheit erfuhr man hier, dass Russland, obgleich es Milliarden Dollar investieren musste, um den Rubel zu stützen und die Schäden in der Wirtschaft so niedrig wie möglich zu halten, nach wie vor über die drittgrößten Dollarreserven aller Staaten verfügt (426,5 Milliarden).

Der russische Präsident Medwedjew, der sich mit seinem Gast mehrere Male -- teils offiziell, teils informell -- traf, erklärte, dass mit dem Besuch der Kubaner »die Beziehungen beider Länder neuen Schwung erhielten«, denn »unsere Freundschaft und unser Vertrauen haben alle Proben der Zeit überstanden und bilden ein solides Fundament«. Wie man miteinander umging, sagt mehr aus als jede Presseerklärung: konzentriert und trotzdem entspannt, herzlich, gut gelaunt, wie in besten Zeiten. Vorsichtshalber machte der russische Außenminister Lawrow mehrere Male darauf aufmerksam, dass sich »unsere Zusammenarbeit nicht gegen dritte Länder richtet. Sie ist völlig transparent.«

Gespannt war man hier darauf, wie sich das Treffen Castro-Putin in diese Landschaft des Lächelns einfügen würde. Putin war es schließlich, der im Jahr 2001, wenige Wochen nach seinem Kuba-Besuch und kurz vor seiner Visite bei George W. Bush, ohne vorherige Konsultationen mit Havanna der Welt mitteilte, Moskau werde sein größtes außerrussisches Abhörzentrum in Kuba aufgeben und demontieren. Selbst dort stationierte russische Offiziere waren geschockt, von der kubanischen Führung ganz zu schweigen. Die Filmausschnitte des Fernsehens zeigten nun völlige Normalität. Mit dem Besuch Raúl Castros in der Russischen Föderation haben beide Staaten eine neue strategische Allianz geschmiedet. Und Moskau ist seinem Ziel näher gekommen, in Lateinamerika festeren Fuß zu fassen.

* Aus: Neues Deutschland, 9. Februar 2009


Reis vom Klassenfeind

Kubaner und US-Amerikaner suchen den Dialog in Wirtschaftsfragen

Von Bernd Bieberich **


Die USA werden von Jahr zu Jahr wichtiger für Kuba als Handelspartner. Derzeit rangieren sie auf Rang fünf der kubanischen Außenhandelsstatistik. Doch sie könnten demnächst noch weiter vorrücken.

»Riceland« steht in dicken Ländern auf dem Nylonsack, der dekorativ an einer Glasvitrine am Messestand lehnt. Das Unternehmen aus Arkansas mit dem klangvollen Namen »Riceland Foods« ist der weltgrößte Reislieferant und wie selbstverständlich auf der internationalen Messe von Havanna vertreten. Lieferverträge erhofft man sich bei der in Stuttgart ansässigen Kooperative, der 9000 Farmer angehören. Wie in den Jahren zuvor fuhren die Amerikaner auch in diesem Jahr mit anständig gefüllten Auftragbüchern nach Hause. Für einige hundert Millionen US-Dollar, so wurde im Anschluss an die Messe im November berichtet, hat Alimport, die kubanische Importagentur, Lebensmittel auf der Messe geordert.

Auf die USA entfiel dabei ein großes Stück, denn seit einigen Jahren sind die Unternehmen aus Arkansas, Nebraska, Minnesota und Co. die wichtigen Lebensmittellieferanten Kubas. Schon 2007 entfielen auf die Lieferanten vom Klassenfeind 582 Millionen der rund 1,7 Milliarden US-Dollar, die Kuba offiziellen Zahlen zufolge für den Einkauf von Lebensmitteln aufwenden musste. 2008 wird es deutlich mehr sein.

Bereits im ersten Halbjahr 2008 orderte Pedro Alvárez, Direktor von Alimport, Nahrungsmittel für 425 Millionen US-Dollar. So hat es Kubas oberster Compañero Fidel Castro in einer seiner Kolumnen Anfang Oktober geschrieben und zugleich prognostiziert, dass Kuba noch weitaus mehr importieren müsse. Verantwortlich dafür machte er die »schlimmste Katastrophe in Kubas Geschichte«, die von den beiden Hurrikans »Gustav« und »Ike« verursachten Schäden von knapp zehn Milliarden US-Dollar. Das Ausmaß der Zerstörungen und der öffentliche Druck hatten in den USA dazu geführt, dass die Administration in Washington zusätzliche Exportlizenzen in Höhe von 250 Millionen US-Dollar für den Kauf von Lebensmitteln und Baustoffen genehmigte.

Für Kuba sind die USA der billigste Lieferant weit und breit, denn die Transportkosten sind aufgrund der geographischen Nähe unschlagbar günstig. Doch mit dem Amtsantritt von Barack Obama sind in Kuba noch ganz andere Hoffnungen geweckt worden. »Für die Cuban-Americans, also die ehemaligen Exil-Kubaner, bedeutet seine Wahl, dass sie zukünftig wieder öfter auf die Insel reisen und auch Geld im größeren Maßstab an Verwandte auf der Insel transferieren dürfen«, erklärt Lamrey García, ein Taxifahrer aus Havanna, dessen halbe Familie in den USA lebt. Er kann die Wahlkampfversprechungen Barack Obamas im Schlaf herunterbeten und hofft auf die Normalisierungen zwischen beiden Ländern.

Für die kubanische Wirtschaft könnte das ein Sauerstoffschub bedeuten, denn die Dollartransfers aus Miami sind schon lange ein Eckpfeiler der Überlebenswirtschaft in Kuba, so der unabhängige Ökonom Oscár Espinosa Chepe. Er diagnostiziert eine steigende Abhängigkeit von den USA und wenn -- wie im kubanischen Tourismussektor -- erhofft die Reisebeschränkungen für US-Bürger fallen sollten, dann würde der US-Einfluss weiter steigen. Das gibt auch Omar Everleny, Ökonom an der Universität Havanna, unumwunden zu. Nur macht er sich keine großen Gedanken über die Rückkehr der Abhängigkeit vom großen Nachbarn. Er vertraut auf die Regierung von Raúl Castro, die den Dialog mit Barack Obama sucht.

** Aus: Neues Deutschland, 9. Februar 2009


Zurück zur Kuba-Seite

Zur USA-Seite

Zur Russland-Seite

Zurück zur Homepage