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Keine Illusionen über Obama in Havanna

Kuba weiter auf Washingtons "Terrorliste"

Von Leo Burghardt, Havanna *

Fidel Castro schreibt seit März 2007 für das Internetportal CubaDebate »Reflexiones« (Überlegungen), in denen er alles, was ihm international relevant erscheint, faktenreich und klarsichtig kommentiert. Die Beiträge werden von den kubanischen Medien im Wortlaut veröffentlicht. Aus nationalen Fragen hält sich Fidel Castro im Wesentlichen heraus. Unlängst ist sein 200. Artikel erschienen.

Sein »Gespür für Kommendes«, so einst Pentagonchef Robert McNamara, ist intakt geblieben. Kurz nach dem Wahlsieg Barack Obamas bescheinigte Fidel Castro dem neuen Mann im Weißen Haus Intelligenz und Ehrenhaftigkeit, zugleich jedoch, dass er keine grundsätzlichen Veränderungen des Systems, dem er angehört, herbeiführen könne. »Analysieren wir vorsichtig alle Schritte der USA-Regierung«, empfahl er ein paar Wochen später. Man könne noch nichts Endgültiges sagen, »obgleich es sowohl objektiv als auch subjektiv neue Elemente gibt«. Wie auch immer: »Wir sind keine Brandstifter, wie manche denken, aber ebenso wenig unbedarft, um hinters Licht geführt werden zu können. Wir alle sind verpflichtet, für den Frieden zu kämpfen, es gibt keine Alternative dazu. Unsere Widersacher sollten aber auch nicht der Illusion anheim fallen, dass Kuba kapituliert.«

Und an Illusionen fehlte es ja nicht. Präsident Obama hat zwar im Falle Kubas einige der niedrigsten Hürden beseitigt – Reisebeschränkungen, Geldüberweisungen zum Beispiel –, aber die Blockade bleibt, und er verteidigt ihren Bestand mit fast den gleichen Worten wie seine Vorgänger. Das heißt, fände Kuba wieder auf den »rechten Weg« zurück, würden ihm die USA auch großzügig die jahrzehntelange Rebellion verzeihen. Die Wiedereingliederung Kubas in die Gemeinschaft der amerikanischen Nationen »erfordert jede nur mögliche Unterstützung«, sagte dieser Tage der Präsident des UN-Menschenrechtsrates. Der Satz war kaum verklungen, da legte das Washingtoner Außenministerium wieder einmal seine unsägliche Liste der »Terroristenstaaten« vor – und dort fand sich auch Kuba wieder.

Ausgerechnet, ist die Insel doch selbst seit Jahrzehnten Zielscheibe von Terroristen, die von den Vereinigten Staaten aus mit dem logistischen Beistand der CIA operieren. Es gab Hunderte Anschlagsversuche gegen Fidel Castro, die Invasion in der Schweinebucht, Brandstiftungen in Zuckerrohrplantagen, Kaufhäusern und Lagerhallen, über der Insel abgeworfene Spezialbehälter mit Schweinepest- und anderen Viren usw. usf. Luis Posada und Orlando Bosch etwa, bei Interpol als Top-Terroristen geführt, laufen in Miami frei herum. Die USA-Behörden verzögern ihre Auslieferung an Venezuela, wo sie ihr scheußlichstes Verbrechen einfädelten: den Bombenanschlag 1976 auf ein Zivilflugzeug der kubanischen Fluggesellschaft, bei dem 73 Menschen ums Leben kamen.

Und die Begründung des State Department für die Einstufung Kubas? Dort hätten sich wiederholt Angehörige der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens aufgehalten und ehemalige Mitglieder der baskischen ETA Unterschlupf gefunden. Dabei hat Kolumbiens Präsident Alvaro Uribe in Madrid die kubanische Regierung gerade erneut gelobt, weil sie »ein wesentlicher Faktor für die Herstellung des Friedens« in seinem Land sei. Denn Havanna spielt in den Verhandlungen zwischen Regierung und Guerilla eine wichtige Rolle. Und die inzwischen längst ergrauten ETA-Leute wurden einst auf Wunsch der spanischen Regierung unter Felipe González nach Kuba verfrachtet, das sie seitdem nicht wieder verlassen durften.

* Aus: Neues Deutschland, 11. Mai 2009



KUBA, EIN TERRORISTISCHES LAND?

Von Fidel Castro Ruz **

Donnerstag, der 30. April war unglückselig für die Vereinigten Staaten. Es fiel ihnen an jenem Tag ein, Kuba ein weiteres Mal in die Liste der Länder aufzunehmen, die den Terrorismus unterstützen. So verwickelt wie sie in ihren eigenen Verbrechen und Lügen sind, konnte sich vielleicht nicht einmal Obama selbst jener Intrige entledigen. Ein Mann, dessen Talent niemand bezweifelt, muss sich über diesen Lügenkult des Imperiums beschämt fühlen. Fünfzig Jahre Terrorismus gegen unser Vaterland kommen in einem einzigen Augenblick ans Tageslicht.

Was soll man denjenigen erläutern, denen die grauenhafte Tat der Sprengung während des Fluges von einem Flugzeug mit dessen Passagieren und der Besatzung bekannt ist, und die Teilnahme der Vereinigten Staaten an den Geschehnissen, die Rekrutierung von Orlando Bosch und Posada Carriles, und die Versorgung mit Sprengstoffen, Fonds und die Beihilfe der Geheimdienste und Behörden jenes Landes? Wie kann man die Terrorkampagne erklären, die der Söldnerinvasion auf die Schweinebucht voranging und im Anschluss darauf folgte, die Angriffe auf unsere Küsten, Ortschaften, Handels- und Fischereischiffe, die terroristischen Aktionen innerhalb und außerhalb der Vereinigten Staaten? Wie kann man die gescheiterten Attentatspläne in dreistelliger Größenordnung auf das Leben von kubanischen führenden Persönlichkeiten erklären? Und was soll man bezüglich der Einführung solcher Virus wie dem des hämorrhagischen Dengue-Fiebers und des Schweinefiebers sagen, die es genetisch gesehen in unserer Hemisphäre nicht einmal gab? Ich mache weiter nichts, als nur einige der Terrorakte zu nennen, welche die Vereinigten Staaten begangen haben, welche in ihren eigenen verlautbarten Dokumenten festgehalten sind. Beschämen diese Tatsachen die jetzige Regierung nicht?

Die Liste der widerlichen Aktivitäten, die ich aufzählen könnte, wäre endlos.

Auf meine Bitte, schickte mir Bruno Rodríguez, Außenminister von Kuba, den genauen Wortlaut der Frage, die ihm ein Reporter von France-Presse am 30. April stellte, und den seiner schlagkräftigen Antwort.

Rigoberto Díaz, von AFP: „Zeitlich übereinstimmend mit dem Ende dieses Treffens und auch mit einem Thema, das bei diesem Event behandelt wurde, hat die Regierung der Vereinigten Staaten Kuba erneut in die Liste derjenigen Länder aufgenommen, die den Terrorismus fördern, zusammen mit Sudan, Iran und Syrien. Ich würde gern ihr Meinung hierzu hören.“

Antwort von Bruno:

„Wir anerkennen der Regierung der Vereinigten Staaten weder eine politische noch eine moralische Autorität, um auch nur irgendeine Liste zu irgendeinem Thema aufzustellen, noch um gutes oder schlechtes Verhalten zu ‘bescheinigen’.


Die Bush-Regierung wurde von der Weltöffentlichkeit als eine das Völkerrecht verletzende, aggressive, kriegstreiberische Regierung ‘bescheinigt’, als eine Regierung, die foltert, als eine Regierung, die verantwortlich für außergerichtliche Hinrichtungen ist.

Bush ist der einzige Präsident gewesen, der sich öffentlich gebrüstet hat - und zwar im US-amerikanischen Kongress - außergerichtliche Hinrichtungen ausgeführt zu haben, eine Regierung, die Menschen auf illegale Weise entführt und befördert hat, die geheime Gefängnisse geschaffen hat, von denen niemand weiß, ob sie weiterhin bestehen, die auf dem der Republik Kuba usurpierten Gebiet ein Konzentrationslager geschaffen hat, wo gefoltert wird.

Auf dem Gebiet des Terrorismus kann die Regierung der USA historisch betrachtet auf eine lange Akte von Aktionen des Staatsterrorismus verweisen, und nicht nur gegen Kuba.

In den Vereinigten Staaten laufen Orlando Bosch und Posada Carriles frei herum, die für zahlreiche Terrorakte verantwortlich sind, einschließlich der Sprengung eines kubanischen Zivilflugzeuges während des Fluges. Der Auslieferungsantrag von Venezuela bezüglich Posada Carriles wird nicht beantwortet. Über diesen wird wegen verschiedenen Anklagen Gericht gehalten, aber nicht als namhafter internationaler Terrorist.

Die Regierung der Vereinigten Staaten hat einen geschickt gedeichselten Prozess gegen die jungen fünf kubanischen Antiterror-Kämpfer geführt, die heute weiterhin als politische Gefangene in ihren Gefängnissen sind.

Die Regierung der Vereinigten Staaten gibt Staatsterrorismus-Handlungen von Israel gegen das palästinische Volk und die arabischen Völker Schützenhilfe. Sie bewahrte Schweigen bezüglich der im Gazasteifen begangenen Verbrechen.

Sodass den Vereinigten Staaten nicht die geringste moralische Autorität zuzuerkennen wäre und ich bin, offen gesagt, der Meinung, dass niemand jene Dokumente beachtet bzw. liest, unter anderem, weil ihr Verfasser ein internationaler Verbrecher bezüglich vieler der Themen ist, die er kritisiert.

Die Haltung von Kuba gegen jede Erscheinungsart und Form des Terrorismus, wo sie auch begangen wird, egal gegen welchen Staat sie begangen wird, in welcher Form sie ausgeführt wird und welche Absicht dafür verkündet wird, ist klar und konsistent mit seiner Handlungsweise.

Kuba ist viele Jahre lang Opfer des Terrorismus gewesen und hat eine vollkommen saubere Personalakte in dieser Materie. Das kubanische Gebiet wurde niemals dazu verwendet, um Terrorakte gegen die Vereinigten Staaten von Amerika zu organisieren, zu finanzieren oder auszuführen. Das State Department, welches diese Berichte herausgibt, könnte nicht dasselbe behaupten.”

Diese Erklärung, die während des Treffens der Außenminister der Blockfreien Staaten verlautbart wurde, ist noch nicht sehr bekannt in der Bevölkerung, die in diesen Tagen umfangreiche Nachrichten aller Art erhalten hat. Wenn das State Department mit Bruno diskutieren möchte, dann sind genügend Beurteilungsmaßstäbe vorhanden, um es mit seinen eigenen Lügen zu begraben.

2. Mai 2009

** Reflexionen des Genossen Fidel, Website der Kubanischen Regierung; www.cuba.cu/gobierno/reflexiones




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