Gute Perspektiven, mangelhafter Service
Kubas Tourismus ist trotz der Finanzkrise im Aufwind, auf Massenansturm aber nicht vorbereitet
Von Bernd Bieberich *
Auf ein Plus von mindestens zehn Prozent hat sich Kubas
Tourismusministerium eingestellt, langfristig hofft man auf Reisegäste
aus den USA. Dafür müssen allerdings Service und Infrastruktur deutlich
besser werden.
»No hay«, lautet die Antwort des Kellners schulterzuckend. »Gibt es
nicht«, heißt die Floskel, die in Kuba überall zu hören ist. Hilflos
blickt der junge Mann in dem sorgsam gestärkten weißen Hemd den Gast an,
der genervt vor dem leeren Buffet steht. Auf eine einsame Scheibe Käse,
etwas Butter und kaltes Rührei beschränkt sich das Frühstücksangebot.
Obst ist genauso wenig zu finden wie frisches Brot und sichtlich
irritiert blicken die Hotelgäste auf das spartanische Buffet im Hotel
Villa Las Brujas. Frühstück inklusive steht auf der Buchungsbestätigung,
doch heute morgen hat die Küche nichts mehr zu bieten. Peinlich für den
Manager, der die Abreise von gleich sechs hungrigen Gästen in Kauf
nehmen muss. »Ich kann doch nur mit dem arbeiten, was ich erhalte«,
jammert Abturo de la Torre entschuldigend in seinem klimatisierten Büro.
Kein Einzelfall, denn die Versorgungsprobleme auf der Insel machen auch
vor dem Touristensektor nicht halt. Obendrein schläft die Konkurrenz
nicht, weiß Omar Everleny. »Wir haben unter der Konkurrenz der
Dominikanischen Republik, Jamaikas und Mexikos zu leiden. Die bieten
meist mehr für das gleiche Geld und haben überaus motivierte
Mitarbeiter«, analysiert der Wirtschaftswissenschaftler von der
Universität Havanna. Das ist in Kuba oft deutlich anders, obwohl die
Jobs in Varadero, Holguín oder auf den Cayos, den Inseln, sehr begehrt
sind. Doch ist man erst einmal angestellt, wird Dienst nach Vorschrift
geschoben. »Der Service ist oft so schlecht, dass die Touristen nicht
wiederkommen«, sagt Everleny und verweist auf die Statistik.
Gleichwohl funktioniert das den Hochglanzbroschüren von
Reiseveranstaltern zugrunde liegende Konzept von Sonne, Palmen,
Oldtimern und Revolutionsromantik nunmehr seit Beginn der 90er Jahre.
Für 2008 erwarten Kubas Tourismusmanager erstmals seit drei Jahren
wieder einen dicken Zuwachs. Dreizehn Prozent prognostizierte Kubas
Tourismusminister Manuel Marrero Ende September in Havanna. Seitdem hat
die internationale Finanzkrise der Reiselust zwar einen Dämpfer
verpasst, doch ist die Zahl der Stornierungen trotz Hurrikan und knapper
Kassen überschaubar.
Mit zehn Prozent Zuwachs zum Jahresende und knapp 2,3 Millionen
Besuchern rechnet Everleny. »Mittelfristig erwartet das Ministerium
USA-Touristen in Kuba, und darauf muss man sich vorbereiten.« Rund 50
000 Amerikaner sind es Schätzungen zufolge, die derzeit alljährlich
meist illegal über Mexiko oder die Bahamas nach Havanna reisen. Die Zahl
könnte schnell steigen, wenn Barack Obama, wie im Wahlkampf angekündigt,
Reisen für Exilkubaner erleichtert. Auch die Reisebeschränkungen für
US-Amerikaner könnten über kurz oder lang fallen, denn schon länger
zeichnen sich parlamentarische Mehrheiten für die Aufhebung des Verbots ab.
Darauf hofft auch Minister Marrero. Auf der Homepage seines Ministeriums
beruft man sich auf die US-amerikanische Gesellschaft der
Reiseveranstalter. Die rechnen im ersten Jahr nach Aufhebung der
Reiseverbote mit bis zu 1,3 Millionen Touristen. Obendrein kann die
Insel noch mit 500 000 Tagesbesuchern rechnen, die den
Kreuzfahrtschiffen in Havanna und Santiago de Cuba entsteigen werden.
Für Kuba hätte das einen beispiellosen Tourismusboom zur Folge, auf den
die Insel nicht eingestellt ist. »Gerade vier internationale Flugplätze
haben wir, und die könnten die zusätzlichen Besucher kaum abfertigen«,
meint Everleny. Zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur seien
nötig, denn mittelfristig wird sogar mit fünf Millionen US-Touristen pro
Jahr kalkuliert.
In Havannas Altstadt stellt man sich auf den Ansturm aus den USA ein.
»Die Kapazitäten von Restaurants und Hotels werden von Stadthistoriker
Eusebio Leal ständig erweitert, obwohl derzeit viel leer steht«, hat
Gabriel Calaforra beobachtet. Der ehemalige Diplomat ist ein Kritiker
der Regierung und kein Freund der drohenden touristischen Invasion aus
den USA. »Zum einen profitieren wir Kubaner viel zu wenig vom Tourismus,
denn das Gros der Produkte, die die Touristen konsumieren, wird aus der
Region importiert. Unsere Bauern gehen dabei leer aus. Zum anderen droht
bei so vielen US-Touristen eine neuerliche Amerikanisierung«, warnt
Calaforra. Ein Argument, das im Ministerium scheinbar keine Relevanz
hat. Dort muss man in erster Linie an US-Dollars interessiert sein.
* Aus: Neues Deutschland, 22. Dezember 2008
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