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Die Cuban Five sind frei!

Kuba und USA wollen Beziehungen normalisieren. Obama kündigt Lockerung der Blockade an, Raúl Castro fordert vollständiges Ende des Wirtschaftskrieges

Von André Scheer *

Durchbruch in den Beziehungen zwischen Kuba und den USA: Am heutigen Mittwoch sind die bislang in den Vereinigten Staaten inhaftierten Kubaner Gerardo Hernández, Ramón Labaniño und Antonio Guerrero aus dem Gefängnis entlassen worden und in ihre Heimat zurückgekehrt. Das bestätigte der kubanische Präsident Raúl Castro in einer Fernsehansprache. Er habe am Vortag mit seinem nordamerikanischen Amtskollegen Barack Obama telefoniert. Dabei sei dann nicht nur vereinbart worden, die letzten drei der als »Cuban Five« international bekanntgewordenen und in ihrer Heimat als Helden verehrten Aufklärer nach Hause zurückkehren zu lassen. Havanna habe im Gegenzug mehrere Gefangene entlassen, um deren Freiheit Washington gebeten habe. Zu diesen soll ein seit 20 Jahren in Kuba inhaftierter Spitzenspion der US-Amerikaner gehören. Zudem sei der zu 15 Jahren Haft verurteilte US-Agent Alan Gross aus humanitären Gründen freigelassen und seiner Heimat »zurückgegeben« worden.

Castro dankte dem Vatikan und Papst Franziskus sowie der Regierung Kanadas für deren Vermittlung. Dadurch sei auch eine Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern erreicht worden. Allerdings seien damit nicht alle Probleme zwischen Washington und Havanna gelöst, betonte Castro. Noch immer führten die USA ihre seit mehr als 50 Jahren aufrechterhaltene Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade gegen die Insel fort.

Für eine Beendigung des Wirtschaftskrieges gegen die Insel bräuchte Obama eine Mehrheit im Kongress. Dort aber verhindern die Republikaner mit ihrer Mehrheit in beiden Kammern fortschrittliche Lösungen. Deshalb will Obama zu schrittweisen Verbesserungen greifen, die er auch im Alleingang durchsetzen kann. Diese kündigte er in einer Ansprache an, die parallel zu der Rede Castros im US-Fernsehen übertragen wurde. Auch Obama bestätigte die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen. Washington werde »in den nächsten Monaten« wieder eine Botschaft in der kubanischen Hauptstadt eröffnen. Zudem solle die Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern in Bereichen von gegenseitigem Interesse ausgebaut werden, etwa in Fragen der Einwanderung, der Drogenbekämpfung, des Umweltschutzes und des Kampfes gegen den Menschenhandel.

Reisebeschränkungen der USA gegen Kuba sollen aufgehoben oder gelockert werden, kündigte Obama in seiner teilweise auf Spanisch gehaltenen Rede an. Dadurch solle das kubanische Volk »ermächtigt« werden, indem durch mehr Kontakte zwischen den Menschen die »Zivilgesellschaft« auf der Insel gestärkt werde. Dadurch solle der »freie Informationsfluss zu den, von den und zwischen den Menschen in Kuba« gestärkt werden. Durch eine leichtere Genehmigung von Reisen nach Kuba sollten US-Bürger in die Lage versetzt werden, zum »Wachsen der Zivilgesellschaft« auf der Insel beizutragen und kubanische Geschäftsleute beim Aufbau privater Unternehmen zu unterstützen. Auch der Handelsverkehr zwischen beiden Ländern solle ausgebaut werden.

Die extreme Rechte in Miami protestiert wütend gegen die sich abzeichnende Entspannung zwischen Havanna und Washington. Wie das den Antikommunisten nahestehende Blatt El Nuevo Herald auf seiner Internetseite berichtete, protestierten mehrere Gruppen von Exilkubanern in den USA umgehend gegen die Lockerung der Blockade. Eine Ángel Desfana wird von der Zeitung mit den Worten zitiert, Obama habe einer »kubanischen Erpressung« nachgegeben, als er dem »Austausch« zwischen Alan Gross und den kubanischen »Spionen« zugestimmt habe. Eine solche »Erpressung« könne sich nun jederzeit wiederholen. Die Gruppe »Directorio Democrático« warf Obama vor, durch die Freilassung der drei Kubaner die »nationale Sicherheit« der USA gefährdet zu haben.

Groß ist der Jubel hingegen bei der internationalen Solidaritätsbewegung, die sich anderthalb Jahrzehnte lang für die Freiheit der fünf Kubaner eingesetzt hat. Auch junge Welt übermittelte der kubanischen Botschaft in Berlin Glückwünsche und bekräftigte die Einladung an alle fünf zur XX. Rosa-Luxemburg-Konferenz am 10. Januar in Berlin.

In den USA kritisierte das dort aktive »Nationale Komitee für die Freilassung der Cuban Five« auf Facebook die Berichterstattung der Massenmedien: »Es überrascht nicht, dass die amerikanischen Medien sich auf einen Amerikaner konzentrieren, der nach Hause kommt. Aber so etwas zu hören wie ›Heute ist ein Ereignis, das das Leben eines Mannes ändert‹, wie gerade auf CNN, ohne dass es auch nur EINE Erwähnung der fünf gibt, ist wirklich schwer hinzunehmen. ›Alan Gross hatte seit fünf Jahren keinen Drink mehr‹ – Tatsächlich, CNN? Gerardo Hernández HAT SEINE FRAU SEIT SECHZEHN JAHREN NICHT MEHR SEHEN DÜRFEN!«

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 18. Dezember 2014


Ansprache des kubanischen Präsidenten

Rede von Raúl Castro vom 17. Dezember 2014 über die Beziehungen zu den USA **

Seit meiner Wahl zum Präsidenten des Staats- und Ministerrats habe ich zu verschiedenen Anlässen unsere Bereitschaft bekundet, mit der Regierung der Vereinigten Staaten einen auf souveräner Gleichheit beruhenden respektvollen Dialog zu führen, um wechselseitig die verschiedensten Themen ohne Beeinträchtigung der nationalen Unabhängigkeit und der Selbstbestimmung unseres Volkes zu behandeln.

Diese Position wurde der Regierung der Vereinigten Staaten gegenüber sowohl in öffentlicher als auch privater Form durch den Compañero Fidel in verschiedenen Momenten unseres langen Kampfes zum Ausdruck gebracht mit der Empfehlung, die Meinungsverschiedenheiten zu diskutieren und durch Verhandlungen beizulegen, ohne dabei auch nur ein einziges unserer Prinzipien aufzugeben.

Das heldenhafte kubanische Volk hat im Angesicht großer Gefahren, Aggressionen, Widrigkeiten und Opfer bewiesen, dass es seinen Idealen von Unabhängigkeit und sozialer Gerechtigkeit treu ist und immer sein wird. Eng vereint haben wir in diesen 56 Jahren der Revolution tiefe Treue gegenüber jenen bewahrt, die seit dem Beginn unserer Unabhängigkeitskriege, von 1868 an, in Verteidigung dieser Prinzipien gefallen sind.

Zur Zeit bringen wir, ungeachtet der Schwierigkeiten, die Aktualisierung unseres Wirtschaftsmodells voran, um einen gedeihlichen und nachhaltigen Sozialismus aufzubauen.

Als Ergebnis eines Dialogs auf höchster Ebene, der ein Telefongespräch beinhaltete, das ich gestern mit Präsident Barack Obama führte, konnten bei der Behandlung einiger Themen, die im Interesse beider Nationen liegen, Fortschritte erzielt werden.

Wie Fidel im Juni 2001 versprach, als er sagte „Sie werden zurückkehren!“, trafen heute Gerardo, Ramón und Antonio in unserem Vaterland ein.

Die unermessliche Freude ihrer Familienangehörigen und unseres ganzen Volkes, das sich unermüdlich für dieses Ziel eingesetzt hat, erfasst jene Hunderte von Solidaritätskomitees und –gruppen, Regierungen, Parlamente, Organisationen, Institutionen und Persönlichkeiten, die während dieser 16 Jahre ihre Befreiung gefordert und unverzagt Anstrengungen hierzu unternommen hatten. Ihnen allen sprechen wir unsere tiefste Dankbarkeit und Wertschätzung aus.

Diese Entscheidung Präsident Obamas verdient den Respekt und die Anerkennung unseres Volkes.

Dank und Anerkennung möchte ich dem Vatikan aussprechen, insbesondere Papst Franziskus, für das Engagement zur Verbesserung der Beziehungen zwischen Kuba und den Vereinigten Staaten. Ebenso der Regierung Kanadas für die Schaffung der Möglichkeiten zur Durchführung eines Dialogs auf hoher Ebene zwischen den beiden Ländern.

Gleichzeitig haben wir beschlossen, einen Spion kubanischer Herkunft, der im Dienst jenes Landes gestanden hatte, aus der Haft zu entlassen und in die Vereinigten Staaten zu schicken.

Außerdem wurde heute aus humanitären Gründen auch der US-Bürger Alan Gross in sein Land zurückgeführt.

Ebenso haben wir die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen beschlossen.

Auf unilaterale Weise, so wie wir es in strikter Einhaltung unseres Gesetzessystems handhaben, erhielten die entsprechenden Gefangenen Hafterleichterungen, bis hin zur Freilassung von Personen, an denen die Regierung der Vereinigten Staaten Interesse gezeigt hatte.

Das will nicht heißen, dass das Wichtigste gelöst sei. Die Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade, die unserem Land enorme menschliche und ökonomische Schäden zufügt, muss enden.

Obwohl die Maßnahmen der Blockade zum Gesetz gemacht worden sind, kann der Präsident der Vereinigten Staaten in Ausübung seiner Befugnisse deren Anwendung abwandeln.

Wir schlagen der Regierung der Vereinigten Staaten vor, beiderseitig Maßnahmen zu ergreifen, um das bilaterale Klima zu verbessern und die Normalisierung der Beziehungen zwischen unseren Ländern voranzutreiben, die auf dem Völkerrecht und der Charta der Vereinten Nationen beruhen müssen.

Kuba wiederholt seine Bereitschaft, in den multilateralen Organismen, wie der Organisation der Vereinten Nationen, zusammen zu arbeiten.

Während wir anerkennen, dass wir tiefe Meinungsverschiedenheiten haben, hauptsächlich in den Bereichen nationale Souveränität, Demokratie, Menschenrechte und Außenpolitik, bestätige ich erneut unseren Willen, all diese Themen zu besprechen.

Ich fordere die Regierung der Vereinigten Staaten dazu auf, die Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die die Beziehungen zwischen unseren Völkern, den Familien und den Bürgern beider Länder unterbinden oder beschränken, insbesondere bezüglich der Reisen, des direkten Postverkehrs und der Telekommunikationen.

Die während der geführten Gespräche erreichten Fortschritte beweisen, dass es möglich ist, eine Lösung für viele Probleme zu finden.

Wie wir wiederholt ausgedrückt haben, müssen wir die Kunst erlernen, auf zivilisierte Art - mit unseren Meinungsverschiedenheiten - zusammen zu leben.

Auf diese wichtigen Themen kommen wir später zurück.

Vielen Dank.

Übersetzt von Granma Internacional

** Quelle: http://www.granma.cu/idiomas/aleman/kuba/17diciembre-alocucionraul.html




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