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EU-Annäherung an Kuba

Brüssel will politisches Abkommen mit Havanna bis Ende des Jahres

Von Volker Hermsdorf *

Neben dem russischen Außenminister Sergej Lawrow war in dieser Woche auch hoher Besuch aus Brüssel in Havanna: Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini war am Montag zu zweitägigen Gesprächen über die Normalisierung der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der sozialistischen Karibikinsel in die kubanische Hauptstadt gekommen. Die bislang ranghöchste Vertreterin der EU hatte zunächst Blumen am Monument des Nationalhelden José Martí auf dem Platz der Revolution niedergelegt und war später unter anderem mit Präsident Raúl Castro, Außenminister Bruno Rodríguez, Parlamentspräsident Esteban Lazo, Wirtschaftsminister Marino Murillo und dem Minister für Außenhandel und Auslandsinvestitionen, Rodrigo Malmierca, zusammengetroffen. Nach den Treffen bekräftigte Mogherini die Ablehnung der US-Blockade durch die EU und sagte, Washington habe »keinen Grund, die Blockade aufrechtzuerhalten«.

Die nächste Verhandlungsrunde zwischen den Vertretern Kubas und der Europäischen Union kündigte die Spitzendiplomatin für April in Brüssel an. Sie hoffe, dass sich die Gesprächspartner bis Ende des Jahres auf ein neues politisches Abkommen einigen, sagte sie vor der Presse in Havanna. Beide Seiten hätten deshalb schnelleren Verhandlungen zugestimmt. Ziel der Gespräche ist eine »Vereinbarung für politischen Dialog und Zusammenarbeit«, die den »Gemeinsamen Standpunkt der EU« ablösen soll, der 1996 auf Initiative des rechtskonservativen spanischen Ministerpräsidenten José María Aznar beschlossen worden war und seitdem die Kubapolitik der Europäer blockiert. In diesem »Standpunkt« wurde ein Systemwechsel auf der sozialistischen Karibikinsel zur Bedingung für normale Beziehungen gemacht. Kuba ist seitdem das einzige Land in Lateinamerika, mit dem die EU kein Kooperationsabkommen abgeschlossen hat.

Trotzdem ist die Europäische Union mit einem Volumen von 3.600 Millionen Dollar im Jahr 2013 mittlerweile nach Venezuela zum zweitgrößten Handelspartner der Antilleninsel geworden. Da der Anteil Russlands und Chinas am Handel mit Kuba jedoch rasant zunimmt, schadet der bisherige Konfrontationskurs gegenüber der sozialistischen Karibikinsel den Interessen Europas mehr als denen Kubas. Zahlreiche EU-Mitgliedsländer haben deshalb bereits bilaterale Abkommen mit Havanna unterzeichnet. Nach dem Besuch zahlreicher europäischer Außenminister im letzten und in diesem Jahr macht demnächst auch ein Präsident aus der EU seine Aufwartung in Havanna. Am 11. Mai wird der französische Staatschef François Hollande in der kubanischen Hauptstadt erwartet.

Viele Außenminister der Union würden eine Vereinbarung mit Kuba gern noch vor dem zweiten Gipfeltreffen von Repräsentanten der EU und der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (CELAC), das am 10. und 11. Juni in Brüssel unter dem Motto »Gestaltung unserer gemeinsamen Zukunft« geplant ist, unter Dach und Fach haben. Auf dieser Konferenz, zu der 61 Staats- und Regierungschefs erwartet werden, geht es um eine »neue Qualität der Zusammenarbeit« zwischen Europa, Lateinamerika und der Karibik. Die bisherige Haltung der EU zu Kuba ist für den Ausbau der Beziehungen auf dem Kontinent allerdings nicht gerade hilfreich. Da aber alle 28 EU-Mitgliedsstaaten der angestrebten neuen Vereinbarung mit Kuba zustimmen müssen, ist eine Einigung bis zu diesem Zeitpunkt unwahrscheinlich.

Vor ihrer Abreise bedankte sich die EU-Außenbeauftragte Mogherini am Dienstag für die von der kubanischen Regierung und allen Gesprächspartnern zum Ausdruck gebrachten Anteilnahme mit den Opfern des Airbus-Absturzes in Südfrankreich und deren Angehörigen. Die kubanischen Medien hatten ausführlich über das Unglück berichtet.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 26. März 2015


Washington lockert Kuba-Blockade **

Die Regierung der USA hat am Dienstag Sanktionen gegen mehrere Dutzend kubanische Firmen sowie Schiffsbetreiber und Einzelpersonen, die Geschäftsbeziehungen mit der sozialistischen Karibikinsel pflegten, aufgehoben. Das zum US-Finanzministerium gehörende Amt zur Kontrolle von Auslandsvermögen (Office of Foreign Assets Control – OFAC) hatte sie wegen ihrer Verbindung zu Kuba auf eine Schwarze Liste gesetzt und ihnen Unterstützung von Terrorismus und Drogenhandel vorgeworfen. Die OFAC-Liste ist das Hauptinstrument der USA zur Durchsetzung der gegen Kuba verhängten Blockade in Drittländern. Laut einer Mitteilung des US-Außenministeriums wurden jetzt einige Handels- und Schifffahrtsunternehmen, die vorwiegend in den Bereichen Tourismus, Landwirtschaft und Fischerei tätig sind, von dieser Liste gestrichen.

Der Schritt erfolgte offenbar vor dem Hintergrund der aktuellen Gespräche zwischen Washington und Havanna. In der vergangenen Woche hatte in der kubanischen Hauptstadt die dritte Verhandlungsrunde über eine von beiden Ländern angestrebte Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen stattgefunden. Kuba verlangt unter anderem, von der US-Liste derjenigen Staaten, die den Terrorismus fördern, gestrichen zu werden und macht die Beendigung der seit 1962 gegen die sozialistische Karibikinsel verhängten Handels-, Wirtschafts- und Finanzblockade zur Bedingung für eine Normalisierung der Beziehungen. Trotz einiger Lockerungen erhalten die USA ihre Blockade allerdings weiterhin aufrecht. Zu deren endgültiger Abschaffung, die Jahr für Jahr von nahezu allen Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen gefordert wird, ist die Zustimmung des US-Kongresses erforderlich. Die extraterritorialen Auswirkungen behindern zunehmend Finanztransaktionen zwischen ausländischen Unternehmen und Banken im Kubageschäft. Das US-Finanzministerium hat in der Regierungszeit Barack Obamas mehr Repressionen als je zuvor ergriffen, um die Wirtschaftsbeziehungen mit Kuba zu unterbinden. Auch mehrere europäische Banken sind davon betroffen und müssen hohe Strafgelder an die USA zahlen.

Neben dem russischen Außenminister Sergej Lawrow hat sich Anfang dieser Woche auch die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini für die schnellstmögliche Aufhebung der US-Blockade gegen Kuba ausgesprochen. Für die USA, die in dieser Frage international isoliert sind, ist das vor über 50 Jahren zur Liquidierung der kubanischen Revolution geschaffene Instrument längst zum Bumerang geworden. Die jetzige – offenbar aus taktischen Überlegungen veranlasste – Lockerung einzelner Maßnahmen darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Blockade weiterhin besteht. (vh)

** Aus: junge Welt, Donnerstag, 26. März 2015


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