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Jubiläum am laotischen Ufer des Mekong

Vor 35 Jahren wurde die Volksdemokratische Republik gegründet

Von Alfred Michaelis, Vientiane *

35 Jahre sind vergangen, seit am 2. Dezember 1975 ein Kongress der Volksvertreter in Vientiane die Gründung der Volksdemokratischen Republik Laos beschloss.

Seitdem ist einiges Wasser den Mekong hinab geflossen. Doch Laos wird gemeinhin noch immer zu den verbliebenen »kommunistischen« Staaten gerechnet. Tatsächlich hat die Laotische Revolutionäre Volkspartei (LRVP) die Macht im Lande bis heute fest in den Händen. Noch immer sitzen einige der Männer, die schon 1975 damals den Ton angaben, in Schlüsselpositionen. Und dennoch hat sich einiges geändert.

Da ist vor allem der Wirtschaftsboom. Als 2009 die ganze Welt unter Finanz- und Wirtschaftskrise litt, fuhr das Land am Mekong mit 7,1 Prozent das zweithöchste Wachstum in Asien ein, überboten einzig vom großen Nachbarn China. Nur noch 69 der mehr als 120 000 Unternehmen im Lande sind in der Hand des Staates. Investoren aus aller Welt – voran die aus Thailand, China, Vietnam, Frankreich und Südkorea – haben in den vergangenen zehn Jahren 12,2 Milliarden US-Dollar im Land angelegt. Auch das Bruttosozialprodukt pro Kopf der inzwischen 6,5 Millionen Einwohner ist kräftig gestiegen – von weniger als 300 auf 906 US-Dollar. Die Zahl der Armen wurde im vergangenen Jahrfünft um mehr als 30 Prozent vermindert. Die Zahl der Autos auf den Straßen Vientianes nimmt Größenordnungen an, die den Berufsverkehr zum Albtraum werden lassen.

Eine beeindruckende Bilanz. Doch Experten verschiedener Sparten heben warnend den Finger. Die Entwicklungsexperten bestätigen gute Fortschritte auf dem Weg zu den Millenniumszielen, vor allem im wirtschaftlichen Bereich. Sie sehen jedoch große Probleme bei den sozialen Zielen, darunter Mütter- und Kindersterblichkeit oder Unterernährung von Kindern und Jugendlichen. Wirtschaftsfachleute sehen selbst das Wachstum mit gemischten Gefühlen: Mehr als die Hälfte des Zuwachses stammt aus den Sektoren Bergbau und Energiegewinnung. Dank hoher Gold- und Kupferpreise und des Verfalls des US-Dollars steht Laos heute auf den ersten Blick gut da. Der Export von Energie, die in Wasserkraftwerken erzeugt wird, bringt zwar viel Geld und steht im Ruf der Klimafreundlichkeit, doch Arbeitsplätze schafft er kaum. Der Bergbau braucht zwar mehr Menschen, doch ist der Export von Rohstoffen starken Preisschwankungen unterworfen und die Wertschöpfung in der verarbeitenden Industrie ist um ein Vielfaches höher. Nicht zu reden davon, dass Rohstoffreserven nicht unerschöpflich sind.

Sozialforscher wiederum fragen, wofür die Einnahmen verwendet werden. Ganz gewiss gibt es Fortschritte im Bildungs- und Gesundheitswesen. Doch Bildung und Gesundheit sind in Laos mehr denn je Sache des Geldbeutels. Ärzte nehmen das Stethoskop nur gegen Bares zur Hand und seit dem Beginn des neuen Schuljahres sind Studiengebühren an den laotischen Hochschulen nun auch offiziell. Aber selbst die Verbeugung vor der Marktwirtschaft fällt nicht sonderlich tief aus. Im Geschäftsklimaindex der Weltbank ist Laos 2010 gegenüber dem Vorjahr zwei Plätze abgerutscht und belegt unter 183 Staaten den 171. Rang. In der Rubrik »Schutz für Investoren« wird das Land Vorletzter (vor Afghanistan). Unter diesen Umständen wird auch verständlich, warum Laos unter den 178 Ländern im Korruptionsindex von Transparency International Rang 154 einnimmt. Dies übrigens vor den zentralasiatischen Republiken.

Ohne Zweifel sind die jüngsten fünf Jahre dennoch die erfolgreichsten in der Geschichte des Landes. Die Regierung bemüht sich beispielsweise auch intensiv, weit entlegene Landesteile zu entwickeln. Leider lässt sich aber zu fast jedem Punkt der Erfolgsstatistik das berühmte »aber« finden. So listet die Erfolgsbilanz auch 88 Gesetze auf, die heute in Kraft sind. Das Problem ist ihre Umsetzung in die Praxis, die entweder an fehlenden Durchführungsbestimmungen oder an unzureichenden Umsetzungs- und Sanktionsmechanismen krankt.

Davon lässt sich die laotische Führung die Laune indes nicht verderben. Das große Fest fand allerdings schon vor dem Jahrestag statt, als 3000 Teilnehmer einer Massenshow vor 11 000 geladenen Gästen aus dem ganzen Land anlässlich des 450-Jahr-Feier der Hauptstadt Vientiane die Volksrepublik als Krönung der laotischen Geschichte würdigten. Staat und Partei werden stärker denn je als unerschütterliche Einheit dargestellt, symbolisiert durch die stets Seite an Seite wehende Banner des Landes und der LRVP. Die strebt nun dem nächsten Höhepunkt zu, denn im März 2011 steht der nächste Parteitag bevor, der neunte. Die Tendenz: Unser Kurs ist richtig!

* Aus: Neues Deutschland, 2. Dezember 2010


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