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Wildwest in Laos

Geschäft mit dem Kasino und sein abruptes Ende

Von Michael Senberg, Vientiane *

Es ist wie in »High Noon«. Strahlende Sonne, die Straßen still und menschenleer. Doch statt eines Cowboys kommt ein schwarzer Porsche um einen Häuserblock und hält vor dem Kasino. Die Häuser sind auch nicht aus Holz und nicht auf zwei Etagen beschränkt. Den Eingang zur Spielhalle flankieren marmorne Löwen. Solide Hochhäuser stehen im Karree, Palmen säumen die Straßen, deren Schilder dreisprachig beschriftet sind – chinesisch, laotisch, englisch. Luang Namtha Road steht da zu lesen.

Luang Namtha ist die Hauptstadt der Provinz, zu der dieser bizarre Ort gehört. Er nennt sich Boten und liegt auf laotischer Seite direkt an der Grenze zur Volksrepublik China, keinen Steinwurf entfernt vom pompösen Eingangstor nach Laos, das von einer Nachbildung des Vientianer That Luang, des nationalen Symbols des Landes, gekrönt wird. Es ist wohl die modernste Stadt von Laos. Oder war. Denn der Ort ist weitgehend menschenleer.

In einer riesigen Karaokebar finden sich dennoch zwei Männer, die nur immer wiederholen: »Zu. Alles dicht.« Ob jemals wieder aufgemacht wird, wissen sie nicht. Immerhin öffnen sie die Türen zu einigen plüschig eingerichteten Karaoke-Suiten. Kein Problem, sich vorzustellen, daß hier nur das Vorspiel zum eigentlichen nächtlichen Geschäft stattfand. Nebenan vor dem Jinland Hotel, dem neben der Kundschaft auch das »Royal« im Namen abhanden gekommen ist, macht sich eine Herde Ziegen ungestört über die akkurat geschnittenen Sträucher und Hecken her. Im geräumigen Foyer steht eine junge Frau im smarten schwarzen Kostüm. Sie spricht nur chinesisch. Immerhin ist zu erfahren, daß eines der mehr als 250 Zimmer 100 Yuan kostet, knapp zwölf Euro. Der Laden ist offen.

Boten war einst gefeiert worden als Zeichen des Wirtschaftsbooms, als die laotische Führung dem chinesischen Vorbild folgend mit Wirtschaftssonderzonen den großen Reibach machen wollte. Auch die chinesischen Investoren hatten das schnelle Geld im Blick, als sie sich für ein Geschäft entschieden, das in beiden Volksrepubliken per Gesetz verboten ist: Glücksspiel. Schon 2003 hatten sich chinesische Investoren insgesamt 21 Quadratkilometer gesichert. Die komplette Glückseligkeit in der »modernsten internationalen Stadt von Laos« (Werbebroschüre der ursprünglichen Investoren) mit Golfplatz, Konferenzzentrum und eigenem Flugplatz. Doch nicht lange nach Eröffnung des Kasinos machten die ersten Gerüchte die Runde. Von Wucherkrediten war die Rede, von Selbstmord, Erpressung, Mord, Folter, Menschenhandel, Prostitution, kurz von nahezu allem, was man mit zwielichtigem Geschäft in Verbindung bringen kann. 2009, chinesische Investoren hatten inzwischen in der Nachbarprovinz Bokeo eine zweite Kasinostadt erbaut, erließ schließlich die laotische Regierung eigens ein Gesetz zum Management solch spezieller Sonderzonen. Offenbar hatten die Pächter bis dahin völlig freie Hand im fremden Land.

Doch der Ärger nahm kein Ende, im Gegenteil. Neben verschiedenen westlichen Medien berichtete selbst das chinesische Fernsehen über »die Hölle auf Erden«, und Pekings Außenamt warnte im Mai 2010 offiziell vor Kasinobesuchen im Nachbarland. Ohne großen Erfolg. Selbst nachdem China die befreundete kleine Volksrepublik um Schließung der Kasinostadt gebeten hatte, lief das Geschäft weiter. Erst nachdem die chinesische Seite die Stromzufuhr und die Kommunikationslinien gekappt hatte, kam das Treiben zu einem Ende.

Seitdem dümpelt die Sonderzone vor sich hin. Im großen Verwaltungsgebäude herrscht zwar Betrieb, doch wie es weitergehen soll, weiß auch dort niemand. Schon im Mai 2012 hatten laotische Medien von einem neuen Deal berichtet. Von einem kasinofreien Vorhaben war nun die Rede, auf dessen 1 640 Hektar nun auch die laotischen Behörden für Sicherheit verantwortlich sein sollten. Wieder mit von der Partie ist der alte Investor – Hong Kong Fuk Hing Travel Entertainment Group Ltd.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 12. Dezember 2013


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