Test für den Mekong-Hauptstrom
Laos plant ersten riskanten Staudammbau am Unterlauf des Flusses
Von Alfred Michaelis, Vientiane *
In Laos gibt es zwar bereits eine Vielzahl von Staudammprojekten, aber
der Hauptfluss des Mekong wurde bislang verschont. Das soll sich ändern.
Dabei ist der Fluss noch wenig erforscht und niemand kann die Folgen für
mehr als eine Millionen Menschen und die Umwelt abschätzen.
Der Hubschrauberlandeplatz ist fast fertig. Auch Parkplätze wird es
reichlich geben. Ein Bus wird die Gäste von dort zum Festakt bringen.
Der findet am 9. Dezember statt, eine Woche, nachdem die Laotische
Demokratische Volksrepublik 35 Jahre alt geworden ist. Offiziell
eröffnet wird dann das größte Wasserkraftprojekt des Landes im Herzen
der indochinesischen Halbinsel - Nam Theun 2.
Wasserkraft ist einer der bedeutendsten Naturreichtümer des gebirgigen
Landes. Schon liefern zwölf Kraftwerke von jeweils mehr als ein Megawatt
Leistung ihre Energie vor allem ins benachbarte Thailand. Acht weitere
befinden sich in fortgeschrittenen Baustadien und sollen in den nächsten
zwei Jahren ans Netz. Die Zahl der geplanten Stauanlagen erreicht
mehrere Dutzend und liest sich wie eine Liste aller Nebenströme des
Mekong. Denn ist in Laos von Wasserkraft die Rede, ging es bisher um
Nebenflüsse des Stroms.
Doch nun geht es um den Hauptstrom. Bislang schreckten die
Kraftwerksentwickler zurück: zu groß die Aufmerksamkeit und die Risiken,
wenn Hand an den weitgehend in seinem natürlich Bett fließenden Mekong
gelegt wird. Anders als die Nebenflüsse, die oft in dünn besiedelten
Bergregionen gestaut werden, beeinflusst der Mekong das Leben
hunderttausender Menschen direkt. Zu wenig wissen selbst die Experten
über das biologische System des fischreichen Gewässers. So steht die
Volksrepublik China seit Jahren wegen mehrerer Großkraftwerke am
Oberlauf des Mekong in der Kritik. Wenigstens der Unterlauf, nahm man
bisher an, bliebe wegen der Absprachen unter den vier Anrainern Laos,
Thailand, Kambodscha und Vietnam im Rahmen der Mekong-Kommission (Mekong
River Commission - MRC) vor Eingriffen verschont.
Doch am 18. September reichte Laos die Pläne für den Bau eines
Wasserkraftwerks in der nördlichen Provinz Sayaboury bei der
Mekong-Kommission ein und löste erstmalig die »Prozeduren für
Notifizierung, Vorabkonsultationen und Übereinkommen« aus. Ein Damm quer
durch den Fluss soll Turbinen mit einer Gesamtleistung von 1280 MW
speisen. Der Strom, so ist schon vereinbart, geht zu 95 Prozent nach
Thailand, von dort soll auch das Geld für den Bau kommen. Hauptinvestor
ist der thailändische Baugigant Ch. Karnchang. Die Schweizer Firma
Colenco soll projektieren und vier große Thai-Banken stehen für die
Finanzierung bereit.
Bei den laotischen Offiziellen herrscht Fortschrittsglaube. Nicht
zuletzt deshalb brachte die Regierung in Vientiane wohl auch den Antrag
ein. Denn das geplante Wirtschaftswachstum von mehr als acht Prozent
jährlich soll unbedingt erreicht werden. Von Regierungsvertretern hört
man weitere Argumente, etwa dass der traditionelle Fischfang im Fluss
durch intensive Fischzucht im Stausee mehr als wettgemacht würde, durch
Fischzucht und Tourismus eine Vielzahl neuer Arbeitsplätze entstünden
und Wasserkraft gut für die Umwelt sei.
Die Mekong-Kommission hält sich noch bedeckt. Mindestens sechs Monate,
äußerte der Geschäftsführer der Organisation, benötige die Prüfung. Doch
es könnte wohl etwas länger dauern, denn kürzlich stellte die MRC die
vorläufigen Ergebnisse der bisher umfassendsten Studie zu Auswirkungen
von Dammbauten auf den Mekong vor.
In 14 Monaten trugen Experten alle Informationen zusammen, um das Für
von 12 Projekten mit 13 500 MW Leistung gegen das Wider von mehr als
einer Million betroffener Menschen und unabsehbaren Folgen für die Natur
abzuwägen. Als Resultat empfehlen sie, die Entwicklung von
Hauptstromprojekten am Unterlauf des Mekong bis zu zehn Jahre auszusetzen.
Umweltorganisationen und Bürgerinitiativen, die in Thailand und
Kambodscha schon begonnen hatten, gegen das Vorhaben zu mobilisieren,
sind erleichtert. Sie hoffen, dass der Antrag erst einmal vom Tisch ist.
So leicht dürfte es aber nicht sein, denn das Papier, das den
Konsultationsmechanismus auslöst, liegt eben vor. Das Projekt Sayaboury
wird also zum Test für den Mekong.
* Aus: Neues Deutschland, 26. Oktober 2010
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