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Laos hinkt bei der Grundbildung hinterher

Die Alphabetisierungsrate ist zwar im Aufschwung, aber viele Schüler schaffen es nicht bis zum Abschluss der 6. Klasse

Von Alfred Michaelis, Vientiane *

Beim ersten der acht Millennium-Entwicklungsziele, der Halbierung der Armut bis 2015, liegt Laos gut im Plan. Es ist bereits erreicht. Beim Ziel zwei, Grundschulbildung für alle, besteht indes noch Nachholbedarf.

Dr. Phankam Viphavanh läuft die Zeit davon. Keine zwei Jahre bleiben, um das Millennium Entwicklungsziel zwei zur Grundbildung zu erreichen. Zu wenig, meinen viele Experten, um die anvisierten Zahlen zu erreichen: 98 Prozent aller Kinder im schulpflichtigen Alter sollen 2015 tatsächlich die Schule besuchen, 95 Prozent der eingeschulten Kinder die 6. Klasse abschließen und 99 Prozent der Einwohner des Landes sollen lesen und schreiben können.

Seit drei Jahren ist Dr. Phankham Viphavanh Minister für Bildung und Sport in Laos. Er war angetreten, die dringend nötige Bildungsreform in der Volksrepublik am Mekong mit aller Kraft voranzutreiben. Zusätzliche Macht dazu wurde ihm gegeben, als er ein Jahr später auf dem IX. Parteitag der seit 1975 herrschenden Laotischen Revolutionären Volkspartei in deren Politbüro aufstieg. Das erste Mal seit 20 Jahren, dass ein Bildungsminister diesem nun elfköpfigen innersten Führungszirkel angehört. Der Parteitag selbst räumte dem Thema Bildung als Grundlage der künftigen Entwicklung des dünn besiedelten Landes breiten Raum ein.

Der Minister, der zugleich Vorsitzender der laotisch-vietnamesischen Freundschaftsgesellschaft ist, hat nicht nur die Macht und den politischen Rückenhalt für seine Aufgabe, sondern auch das Geld. Als sich abzeichnete, dass die Bildungsziele nur schwer zu erreichen sein würden, schossen Global Partnership for Education, Australien und die Weltbank noch einmal 65,5 Millionen US-Dollar zu den ohnehin nicht spärlichen Bildungsprojekten in Laos zu. Doch Geld allein löst die Probleme nicht. Lehrermangel vor allem in den entlegenen Teilen des bergigen Landes, das noch dazu einem ethnischen Flickenteppich mit dutzenden verschiedenen Sprachen gleicht, und Arbeitskräftemangel auf dem Land lassen sich nicht auf einen Schlag überwinden. Die massive Erhöhung der Lehrergehälter, die noch dazu besondere Anreize für Lehrer in entlegenen Regionen vorsieht, wurde erst in diesem Schuljahr wirksam und konnte noch keine grundlegenden Änderungen bringen. Nicht selten fehlt aber auch bei den Eltern das Verständnis für den Nutzen von Bildung, gehören doch Fähigkeiten wie Lesen und Schreiben bei vielen Subsistenzbauern des Landes kaum zu den täglichen Anforderungen. Erschwerend kommt dazu, dass der Weg zur nächsten Schule oft weit und beschwerlich ist und vor allem die Ärmsten des Landes die mit dem Schulbesuch verbundenen Kosten nicht schultern können. Vor allem Mädchen haben dann eher im Haushalt zu helfen als die Schulbank zu drücken. So ist Laos auch noch einiges entfernt von der Parität von Jungen und Mädchen auf den verschiedenen Bildungsstufen. Unterschiede in der Bildungsqualität und die generelle Diskrepanz zwischen Stadt und Land nahmen weiter zu. Spricht man in der Hauptstadt Vientiane von iPads im Unterricht, fehlt es in den Bergregionen an Heften und Bleistiften.

Ohne Zweifel wurde bisher vieles erreicht. So sank zum Beispiel die Analphabetenrate von mehr als einem Drittel der über 15-jährigen im Jahr 2000 auf unter 20 Prozent (2012). Auch besuchen heute rund 90 Prozent der Kinder die Grundschule, so viele wie nie zuvor in der Geschichte des Landes. Aber statt der vorgesehenen 95 Prozent schaffen es nur drei Viertel der ABC-Schützen bis zum Abschluss der 6. Klasse. Das wird sich auch bis 2015 nicht mehr richten lassen. Kein Wunder, wenn sich selbst der Minister jüngst in der Presse »besorgt« zeigte, wobei dies eher tiefgestapelt sein dürfte.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 28. Mai 2013


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