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Auf dem Schlachtfeld von Ban Dong

Auf einem kleinen Flecken laotischer Erde erfuhr die Nixon-Doktrin einst ihr erstes Fiasko

Von Alfred Michaelis, Vientiane *

40 Jahre sind vergangen, seit die USA ihre Kriegstruppen aus Indochina zurückzogen. Ihre Hinterlassenschaften sind auch in Laos bis heute sichtbar. Zum Beispiel im kleinen Ban Dong.

Die Straße Nummer 9 macht einen sanften Bogen nach links und führt leicht bergab, als auf einem Hügel rechts eine olivgrüne Riesenheuschrecke auftaucht: ein Huey-Hubschrauber. Das Lasttier des Truppentransports im Indochinakrieg der USA steht einträchtig neben einem Panzer M 41, einem sowjetischen SIL und weiterem Gerät. Gefährlich sind sie nur noch, weil man sich an den von der Sonne aufgeheizten Metallplatten die Finger verbrennen könnte. Das Kriegsgerät ist Teil eines Museums, das seit Kurzem in Ban Dong an den vor 40 Jahren beendeten Indochinakrieg erinnert.

Das laotische Ban Dong liegt keine 20 Kilometer von der vietnamesischen Grenze entfernt. Im Februar 1971 hatten die USA und ihre südvietnamesischen Verbündeten versucht, den Ho-Chi-Minh-Pfad an dieser Stelle zu durchtrennen und die nach dem damaligen Präsidenten benannte Nixon-Doktrin durchzusetzen. Über das Netzwerk von Straßen und Wegen, das als Ho-Chi-Minh-Pfad bekannt wurde, versorgten die Vietnamesen ihre Kämpfer im Süden über laotisches Gebiet mit Nachschub. Dies zu unterbinden, hatten die USA seit 1964 laotisches Territorium bombardiert, ohne offiziell Krieg gegen das Land zu führen. Es hatte indes nichts genützt, nun sollte eine Bodenoffensive unter dem Namen »Lam Son 719« den Vormarsch der Befreiungskämpfer in Südvietnam stoppen.

Der Indochinakrieg hatte weite Teile der Welt gegen die USA aufgebracht und inzwischen selbst die amerikanische Gesellschaft gespalten. Richard Nixon wollte daher künftig Asiaten gegen Asiaten kämpfen lassen und die eigenen Truppen allmählich vom Kriegsschauplatz zurückziehen. Um den südvietnamesischen Verbündeten beste Voraussetzungen zu schaffen, sollte der Gegner empfindlich geschwächt werden, solange noch ausreichend US-Truppen im Einsatz waren.

Am 8. Februar 1971 begann die Operation Lam Son 719. Fast 20 000 südvietnamesische Soldaten, unterstützt von US-Artillerie, massiven B 52-Bombardements und einer Hubschrauber-Armada, bewegten sich auf die laotische Distriktstadt Sepone zu. Vietnamesische Truppen und laotische Befreiungskämpfer stoppten den Vormarsch jedoch auf halber Strecke bei Ban Dong. Dieser Abschnitt der Straße Nr. 9 erlebte die erste Panzerschlacht des Indochinakrieges.

Um Sepone dennoch einzunehmen, änderten die Angreifer ihre Taktik: Durch die größte Helikopter-Luftlandeaktion des Krieges brachten 276 Huey-Hubschrauber, unterstützt von Kampfflugzeugen, zwei südvietnamesische Bataillone in die längst verlassene Stadt. Doch auch dort kamen sie unter Beschuss.

Am 9. März begann der Rückzug der südvietnamesischen Verbände, der zur heillosen Flucht wurde. Am 25. März hatten die Bodentruppen Laos wieder verlassen. Doch die erfolgreichen Nordvietnamesen machten nicht halt, sondern eroberten am 8. April auch die 20 Kilometer jenseits der Grenze gelegene US-Basis Khe Sanh, den Ausgangspunkt der Operation. Die Wirkung auf die Moral der südvietnamesischen Truppen war verheerend, für die von den USA erhoffte »Vietnamisierung« blieben wenig Chancen. Noch zwei weitere Jahre vergingen, bis im Januar 1973 mit den Pariser Verträgen und im Februar gleichen Jahres mit den Vientianer Vereinbarungen Voraussetzungen für Frieden geschaffen wurden.

Auf einem kleinen Flecken laotischer Erde hatten innerhalb von zwei Monaten etwa 40 000 Menschen ihr Leben verloren. Heute hat der ganze Distrikt Sepone, zu dem Ban Dong gehört, knapp 50 000 Einwohner. Die kaum 1000 Bewohner Ban Dongs haben bis heute mit den Folgen der Schlacht von damals zu kämpfen. Einerseits verkauft sich der reichlich vorhandene Kriegsschrott recht gut, doch Blindgänger bergen noch immer große Gefahren.

Ban Dong macht heute den Eindruck eines Ortes im Aufbruch. Geschäfte säumen die Straße, eine Reihe neuer Häuser zeugt von wachsendem Wohlstand. Und vom Kriegsmuseum fällt der Blick über die Straße Nummer 9 auf ein weiteres, größeres Gebäude. Wie das Museum ist es ein vietnamesisches Projekt: eine neue Oberschule.

* Aus: neues deutschland, Montag, 18. März 2013


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