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Laos’ neue Riege stellt sich vor

Nationalversammlung besetzte staatliche Positionen neu. Porträt des neuen Präsidenten

Von Alfred Michaelis, Vientiane*

Die Ende April neu gewählte Nationalversammlung von Laos war bei ihrer ersten Sitzung am Donnerstag vor allem mit Personalfragen befasst: Schwungvoll wurde das Kaderkarussel in Bewegung gesetzt.

Nicht unerwartet ersetzte der im März zum Generalsekretär der Laotischen Revolutionären Volkspartei gewählte Choummaly Sayasone (70) seinen Vorgänger Khamtay Siphandone (82) auch auf dem Stuhl des Staatspräsidenten. Da Parlamentspräsident Samane Vignakhet gleichfalls den Dienst quittierte, folgte ein umfassendes Stühlerücken. Doch selbst in Laos selbst ruft das nur ein

kurzes »Aha« hervor. Denn die Spitzenposten bleiben denen vorbehalten, die beim LRVP-Parteitag ins Politbüro gewählt wurden.

Allenfalls die Aufgabenverteilung gibt Eingeweihten Hinweise auf Verschiebungen im politischen Machtgefüge. So avancierte der bisherige Premier Bounnhang Vorachit zum Vizepräsidenten und Thongsing Thammavong, zuletzt Gouverneur der Hauptstadt Vientiane, fand sich auf dem Posten des Parlamentspräsidenten wieder.

Die Regierung umfasst 28 Mitglieder, allein sechs Minister sind in der Kanzlei des neuen Premiers Bouasone Bouphavanh (52) konzentriert. Bouasone, der zuletzt als Vizepremier und »Diensthabender der Regierung« schon das Gros der Tagesarbeit erledigte, bekräftigte in seiner Antrittsrede den Kurs auf beschleunigtes Wachstum des unterentwickelten Landes. Natürlich steht er in der Pflicht der Parteitagsbeschlüsse, die 7,5 Prozent als Untergrenze des jährlichen Wachstums festgelegt hatten. Das Pro-Kopf-Einkommen der weniger als sechs Millionen Laoten soll bis 2010 auf umgerechnet etwa 630 Euro steigen. Der Premier sagte Bürokratie und Korruption stärkeren Kampf an und versprach auch mehr Transparenz der staatlichen Verwaltung.

Außenpolitisch bleibt Laos auf dem Kurs des Friedens, der Unabhängigkeit, der Freundschaft und der Kooperation, wobei der Integration in den südostasiatischen Staatenbund ASEAN Vorrang gebührt. Thongloun Sisoulith, bisher Chef der Planungsbehörde, rückte auf den Stuhl des Außenministers, während der bisherige Außenminister Somsavath Lengsavath als Vizepremier die Tagesaufgaben der Regierung übernimmt.

Erstmals sind gleich zwei Frauen auf Ministerposten gelangt. Onechanh Thammavong, früher Präsidentin des Frauenverbandes, steht nun dem Ministerium für Arbeit und Sozialfürsorge vor und Bounpheng Mounphosay wurde als Ministerin in der Kanzlei des Premiers zur Personalchefin aller Staatsangestellten.

Die Schwerpunkte der wirtschaftlichen Entwicklung lassen sich auch aus der neuen Aufteilung der Ressorts ablesen. Während das Ministerium für Industrie und Handwerk mit dem Handelsressort verschmolz, entstand das Ministerium für Energie und Bergbau neu. Vor allem dies sind die Sektoren mit den größten Industrieprojekte des Landes. Laos will dank seines gewaltigen Wasserkraftpotenzials zur Batterie Asiens werden. Allein sechs größere Wasserkraftwerke sind derzeit im Bau. Und auch die Erzvorkommen ziehen immer stärkeres Interesse ausländischer Investoren auf sich. Innerhalb weniger Jahre erschien Laos als neuer Fleck auf der Karte der Gold- und Kupferexporteure.

Der Nachfolger

Choummaly Sayasone (70) / Der Parteichef wurde nun auch Staatspräsident in Laos

Als Choummaly Sayasone im März dieses Jahres zum Generalsekretär der Laotischen Revolutionären Volkspartei (LRVP) gewählt wurde, durfte man bereits sicher sein, dass er demnächst auch das höchste Staatsamt übernehmen würde – als fünfter in der Reihe der laotischen Präsidenten seit dem Sturz der Monarchie im Jahre 1975. Erster Amtsinhaber war der legendäre »Rote Prinz« Souphanouvong (1975-91), dem Kaysone Phomvihane (1991-92), Nouhak Phoumsavanh (1992-98) und Khamtay Siphandone (1998-2006) folgten.

Wie alle seine Vorgänger gehört Choummaly zur alten Garde der laotischen Revolutionäre, die sich spätestens in den 50er Jahren der antikolonialistischen Befreiungsbewegung Pathet Lao anschlossen. Der am 6. März 1936 in der Südprovinz Attopeu geborene Bauernsohn zog als 18-Jähriger nach Sam Neua im Nordosten des Landes, wo sich die Befreiungsstreitkräfte sammelten und sich ihrer in- und ausländischen Gegner erwehrten. Choummaly stieg vom Soldaten zum Regimentskommandeur und zum Stabschef einer Region auf, parallel dazu erklomm er die Stufen der Parteihierarchie.

Fünf Jahre nach Ausrufung der Volksdemokratischen Republik Laos 1975 wurde er stellvertretender Generalstabschef, zwei Jahre später Stellvertreter von Verteidigungsminister Khamtay Siphandone, dem er fortan in vielen Ämtern folgen sollte. 1991 übernahm er Khamtays Ministerposten – inzwischen als Generaloberst mit militärischer Ausbildung in der Sowjet-union und vietnamesischem Parteihochschulabschluss. 2001 wurde er Vizepräsident, seit 2003 führte er die Geschäfte des Politbüros der LRVP, in diesem Frühjahr beerbte er den mittlerweile 82-jährigen Khamtay als Generalsekretär und in dieser Woche auch als Staatspräsident, womit Choummaly endgültig aus dem Schatten seines Vorgängers trat.

Das ehrgeizige Ziel der LRVP besteht darin, die Armut zu beseitigen und Laos bis zum Jahre 2020 vom Makel eines der am wenigsten entwickelten Länder der Erde (LDC) zu befreien. Dazu wird es mehr als militärischer Erfahrung bedürfen. Vieles wird davon abhängen, inwieweit Choummaly die Ideen einiger gut ausgebildeter, relativ junger Mitglieder des 55-köpfigen Zentralkomitees der LRVP zu nutzen bereit ist.

Detlef D. Pries



* Aus: Neues Deutschland, 10. Juni 2006




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