Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Rückzug in Panama

Iberoamerikanische Treffen immer bedeutungsloser. Zahlreiche Staatschefs fehlten bei 23. Zusammenkunft

Von Volker Hermsdorf *

Soziale Proteste, die Krise in Europa und die Abwesenheit zahlreicher Staats- und Regierungs­chefs aus Lateinamerika charakterisierten das 23. Iberoamerikanische Gipfeltreffen am Wochenende in Panama und markierten zugleich den Bedeutungsverlust des Forums. Zur Eröffnung der seit 1991 jährlich stattfindenden Zusammenkunft von Vertretern der europäischen Länder Spanien, Portugal und Andorra sowie 19 lateinamerikanischer Staaten waren am Freitag nur sechs Staats- und Regierungschefs angereist. Auch zur Abschlußveranstaltung am Samstag (Ortszeit) hatten die wichtigsten Politiker des Kontinents ihre Teilnahme abgesagt. So fehlten unter anderem die Präsidenten von Brasilien (Dilma Rousseff), Argentinien (Cristina Fernández), Venezuela (Nicolás Maduro), Chile (Sebastián Piñera) und Ecuador (Rafael Correa).

In der Hauptstadt des zentralamerikanischen Landes demonstrierten am Freitag Tausende Mitglieder indigener Gruppen gegen den Mißbrauch ihrer Ressourcen und die Mißachtung ihrer Rechte. Auch Ärzte und Krankenschwestern nutzten den Gipfel zum Protest gegen Pläne der konservativen Regierung zur Privatisierung des Gesundheitswesens. Trotzdem standen Geschäfte und der freie Markt im Zentrum des Gipfels. Die von der Wirtschafts- und Finanzkrise schwer getroffene frühere Kolonialmacht Spanien warb um weitere Großaufträge, nachdem etliche Firmen des Landes bereits an der Konstruktion der ersten U-Bahn-Linie in Panama sowie an der Erweiterung des Panamakanals beteiligt sind. Das vier Milliarden Euro teure Bauvorhaben gilt als größtes Projekt in Lateinamerika. Auf einem von der spanischen Regierung und dem führendem mexikanischen Privatsender Televisa während des Gipfels organisierten »Forum zur Kommunikation« hatten Vertreter der umsatzstärksten Medienkonzerne ihre Geschäftsperspektiven im spanischsprachigen Raum ausgeleuchtet. Es gehe dabei um einen Markt mit über 450 Millionen Menschen, der von den iberoamerikanischen Unternehmen gemeinsam erschlossen werden müsse, erklärte der Chef der spanischen Nachrichtenagentur EFE, José Antonio Vera. Er forderte, die Gipfeltreffen künftig stärker für neue Initiativen zur Zusammenarbeit im Kommunikationsmarkt zu nutzen. Der rechtskonservative spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy sekundierte mit einer Rede, in der er die »Vielfalt der Information« und die »Unabhängigkeit der Medien« als »unantastbare Werte« bezeichnete. Zugleich ermutigte er die anwesenden Repräsentanten der Medienkonzerne zu mächtigen »Allianzen«.

Auch die Vertreter der im Juni 2012 von Kolumbien, Mexiko, Chile und Peru gegründeten Pazifik-Allianz (Alianza del Pacífico) nutzten den Gipfel zur Darstellung ihrer Ziele. Mit dem im Mai dieses Jahres als fünftes Vollmitglied hinzugekommenen Costa Rica versteht sich die Allianz als Gegenpol zum linken Regionalbündnis ALBA und verfolgt das Ziel einer Freihandelszone mit Zollunion und gemeinsamem Börsenplatz. Außer den fünf Mitgliedern gehören der neoliberalen Allianz derzeit 16 weitere Staaten mit Beobachterstatus an, von denen sechs (Australien, Japan, Frankreich, Neuseeland, Portugal und Spanien) nicht auf dem amerikanischen Kontinent liegen. Mit ihrem Hauptverbündeten USA wollen die Mitglieder vor allem den »freien Handel« in Lateinamerika stärken und positionieren sich gegen die mittlerweile bedeutenderen regionalen Zusammenschlüsse wie ALBA, CELAC, Mercosur und Unasur.

Trotz starker neoliberaler Töne in den Reden und Foren weisen die tatsächlichen Ergebnisse der zweitägigen Konferenz in Panama darauf hin, daß die Ära der iberoamerikanischen Gipfeltreffen nach 23 Jahren ausläuft. Die zuvor wortgewaltig angekündigten »Reformen« fielen eher bescheiden aus. Die Zeichen stehen auf Rückzug. Spanien und Portugal wollen ihren Anteil zur Finanzierung auf längere Sicht von 70 auf 50 Prozent senken. Ab 2016 sollen die Zusammenkünfte zudem nur noch alle zwei Jahre stattfinden. Der letzte Iberoamerikanische Gipfel im bisherigen Rhythmus ist für das kommende Jahr im mexikanischen Veracruz vorgesehen. Boliviens Präsident Evo Morales kommentierte das glanzlose Treffen mit der Bemerkung: »Die Zeiten ändern sich. Ich weiß nicht, ob dieser Gipfel weiter bedeutend bleiben wird.«

* Aus: junge Welt, Montag, 21. Oktober 2013


Zurück zur Lateinamerika-Seite

Zurück zur Homepage