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Koks ohne Fair-Trade

Nur ein Bruchteil des weltweiten Kokain-Profits landet bei den Produzenten

Von Benjamin Beutler *

Eine neue UN-Studie stellt die Verteilung der Gewinne beim Drogenhandel vor. Gesetze gegen Geldwäsche fehlen

Auch das Milliardengeschäft globaler Kokain-Wirtschaft arbeitet nach den Weltmarktregeln unfairen Handels. Glaubt man jüngsten Zahlen des Büros für Drogen und Verbrechen der Vereinten Nationen (UNODC), so streicht die internationale Drogenmafia aus Handel und Verkauf der verbotenen Substanz jedes Jahr rund 85 Milliarden US-Dollar ein. Dem Koka-Bauern in Bolivien geht es in Sachen Gewinnbeteiligung dabei wie dem Kaffee-Bauern aus Kolumbien. Nur 1,1 Prozent des zu verteilenden Kuchens verbleiben in den Produktionsländern in Südamerika, so eine kürzlich in Wien vorgestellte UNODC-Studie zu den Finanz-Strömen des illegalen Drogen-Business.

»Der Großteil der Gewinne wird in Nordamerika (35 Milliarden US-Dollar) und in West- und Mitteleuropa (26 Milliarden US-Dollar) erzielt«, rechnet UNODC-Direktor Yuri Fedotov im Vorwort des 138-Seiten-Berichts vor. Nur eine Milliarde US-Dollar seien »Produktionskosten, die hauptsächlich an die Bauern der Andenregion gehen«, benennt die Analyse klar die Gewinner des Schwarzmarktes.

Diese Erkenntnis ist nicht neu. Doch die anhaltende Kriminalisierung tausender Koka-Bauern in Bolivien, Peru und Kolumbien und derer Regierungen durch Anti-Drogen-Behörden der Vereinigten Staaten und Europäischen Union macht es unverzichtbar, auf die ökonomischen Hintergründe der Drogenwirtschaft zu verweisen. Die Verbraucher sitzen in den Industriestaaten, ihre Nachfrage bestimmt das Angebot. Das UNODC-Papier untermauert auch diesen altbekannten Fakt - die großen Umsätze werden von den Mafias im reichen Norden eingefahren. »Während der Kokain-Markt in Südamerika samt Karibik und Mittelamerika mit 3,5 Milliarden US-Dollar relativ klein ist, sind die Gewinne des in Südamerika arbeitenden organisierten Verbrechens nach Übersee auf 18 Milliarden US-Dollar gestiegen«, so das aktuelle Lagebild.

Warum die Konsumenten-Länder lieber Druck auf Bauern und Politiker in Lateinamerika ausüben, statt die Geldströme in den Finanzzentren trocken zu legen, ist - wie im Spekulationsgeschäft - der mangelnden Regulierung des Kapitalsektors geschuldet. Zwar gehen die UN-Experten von einem jährlichen 2,1 Billionen Dollar Gesamtvolumen der Drogenwirtschaft (Marihuana, Kokain, Amphetamine, Heroin) aus, immerhin zwei bis fünf Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. Doch müssen die Autoren eingestehen, dass die »Unterbrechungsrate für Geldwäsche auf weltweitem Level gering bleibt«. Das heißt, die Möglichkeiten, das Geld in den regulären Finanzkreislauf zu transferieren, sind groß. Weniger als ein Prozent, »wahrscheinlich« sogar nur 0,2 Prozent der reingewaschenen Drogengelder »werden festgestellt und eingefroren«, dokumentiert die Studie die Machtlosigkeit gegenüber dem schmutzigen Kapital. Bestehende Geldwäsche-Gesetze würden »mangelhaft implementiert«, es fehlt »allgemeine und stärkere Teilnahme« auf internationaler Ebene, sprich der politische Wille.

Zudem verdrängen die Drogen-Unternehmen Firmen und Händler vor Ort. Das organisierte Verbrechen könne weite Teile der Wirtschaft durch unfairen Wettbewerb »infiltrieren oder die Kontrolle erlangen«, so die Wissenschaftler. Die Geldschwemme sorge für »kurz- und mittelfristigen Wohlstand«. Doch auf lange Sicht nehme die Volkswirtschaft Schaden. Die mit Drogengeld gefütterten Unternehmen sind in der Lage, Güter und Dienstleistungen unter Marktpreisen anzubieten. Am Ende stehe der »Bankrott des Wettbewerbs«, so die Warnung.

Das Fazit der Studie ist klar: Das Risiko im Drogengeschäft haben Bauern, kleine Schmuggler und Dealer. Das Big Business im Nadelstreifen-Anzug hat wenig zu fürchten.

* Aus: neues deutschland, 8. November 2011

UNODC estimates that criminals may have laundered US$ 1.6 trillion in 2009

Marrakech/Vienna. 25 October 2011. Criminals, especially drug traffickers, may have laundered around US$ 1.6 trillion, or 2.7 per cent of global GDP, in 2009, according to a new report by the United Nations Office on Drugs and Crime (UNODC). This figure is consistent with the 2 to 5 per cent range previously established by the International Monetary Fund to estimate the scale of money-laundering.

Less than 1 per cent of global illicit financial flows is currently being seized and frozen, says the report 'Estimating illicit financial flows resulting from drug trafficking and other transnational organized crime.' "Tracking the flows of illicit funds generated by drug trafficking and organized crime and analysing how they are laundered through the world's financial systems remain daunting tasks," acknowledged Yury Fedotov, Executive Director of UNODC.

Launching the report in Marrakech during the Fourth Session of the Conference of the States Parties to the United Nations Convention on Corruption, Mr. Fedotov said that the Conference served as an apt reminder that corruption could play a major role in facilitating illicit transfers into the legitimate global financial flows. Investments of 'dirty money' can distort the economy, and hamper investment and economic growth, he said. The aim of the study was to shed light on the total amounts probably laundered across the globe and to advance research on the topic. "But as with all such reports, we will continue to refine the figures to provide the truest possible estimates."

The UNODC report suggests that all criminal proceeds, excluding tax evasion, would amount to some US$ 2.1 trillion or 3.6 per cent of GDP in 2009 (2.3 to 5.5 per cent). Out of this total, the proceeds of transnational organized crime - such as drug trafficking, counterfeiting, human trafficking and small arms smuggling - would amount to 1.5 per cent of global GDP, 70 per cent of which would likely have been laundered through the financial system.

The illicit drugs trade - accounting for half of all transnational organized crime proceeds and a fifth of all crime proceeds - is the most profitable sector. The study paid particular attention to the market for cocaine, probably the most lucrative illicit drug for transborder crime. Traffickers' gross profits from the cocaine trade stood at around US$ 84 billion in 2009. While Andean coca farmers earned about US$ 1 billion, the bulk of income generated from cocaine was in North America (US$ 35 billion), followed by West and Central Europe (US$ 26 billion). Close to two-thirds of that total may have been laundered in 2009. The findings suggest that most profits from the cocaine trade are laundered in North America and in Europe, whereas illicit income from other sub-regions is probably laundered in the Caribbean.

Once illegal money has entered the global and financial markets, it becomes much harder to trace its origins, and the laundering of ill-gotten gains may perpetuate a cycle of crime and drug trafficking. "UNODC's challenge is to work within the UN system and with Member States to help build the capacity to track and prevent money-laundering, strengthen the rule of law and prevent these funds from creating further suffering," said Mr. Fedotov.

Source: United Nations Office on Drugs and Crime (UNODC), Press Release, 25 October 2011; http://www.unodc.org




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