Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

OAS öffnet die Tür für Kuba

Resolution von 1962 aufgehoben / Verhaltene Reaktion in Havanna

Von Harald Neuber *

47 Jahre nach dem Ausschluss Kubas aus der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) haben die Mitglieder der Regionalorganisation dem Karibikstaat erneut eine Mitgliedschaft angeboten.

Am Ende der 39. Generalversammlung der OAS-Außenminister in Honduras wurde am Mittwochabend eine Resolution aus dem Jahr 1962 aufgehoben, durch die Kuba aus der OAS ausgeschlossen worden war. Der Aufhebungsantrag wurde von dem Staatenbündnis Bolivarische Alternative für Amerika (ALBA) eingebracht, dem Kuba ebenso angehört wie Bolivien, Dominica, Honduras, Nicaragua und Venezuela. Unterstützt wurde er auch von Ecuador und Paraguay.

Kuba war die OAS-Mitgliedschaft im Januar 1962 auf Druck der USA aberkannt worden. Im August 1961 hatte der argentinisch-kubanische Revolutionär Ernesto Guevara als Industrieminister des Karibikstaates in Uruguay zum letzten Mal an einer OAS-Sitzung teilgenommen. Begründet wurde der Ausschluss wenige Monate später damit, dass die revolutionäre Regierung nicht mit den »demokratischen Zielen« der von Washington dominierten OAS übereinstimme. An den rechten Diktaturen, die in Südamerika in den folgenden Jahren an die Macht kamen, nahmen die USA keinen Anstoß.

Die Aufhebung der 47 Jahre alten Kuba-Resolution wurde von lateinamerikanischen Staaten gefeiert. »Hier und heute wurde der Kalte Krieg beendet«, sagte der honduranische Präsident Manuel Zelaya. Die Außenministerin des mittelamerikanischen Landes, Patricia Rodas, zeigte sich gegenüber Pressevertretern davon überzeugt, »dass so ein Entschluss während der Präsidentschaft von (USA-Präsident George W.) Bush nicht möglich gewesen wäre«.

Während der zweitägigen Versammlung hatten die OAS-Außenminister um den Text der Erklärung gerungen, mit der die historische Kuba-Resolution aufgehoben wurde. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters hatte die USA-Delegation unter Leitung der Washingtoner Chefdiplomatin Hillary Clinton bis zuletzt versucht, die Rückkehr Kubas in die OAS an Bedingungen zu knüpfen. Am Ende war nur noch von »Dialogen und Verhandlungen« die Rede. Doch Clinton machte vor ihrer Weiterreise nach Kairo deutlich, dass eine bedingungslose Wiedereingliederung Kubas auch mit der Regierung von Präsident Barack Obama nicht zu machen ist: »Kuba kann künftig in die Organisation zurückkehren, wenn die OAS entscheidet, dass seine Teilnahme ihren Zwecken und Prinzipien entspricht.«

In Havanna fielen die Reaktionen deswegen verhalten aus. Die Rücknahme der Resolution sei zwar ein »historischer Sieg« und ein »Akt der Rebellion« der lateinamerikanischen Staaten, hieß es in einer Erklärung, die im Fernsehen verlesen wurde. Doch habe man kein Interesse an einer Mitgliedschaft in einer Organisation »mit einer derart düsteren Geschichte«.

* Aus: Neues Deutschland, 5. Juni 2009


Die Fehler von gestern

Von Harald Neuber **

Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) kämpft gegen ihre eigene, düstere Vergangenheit. Mit ihrem Angebot zur Wiederaufnahme Kubas in die 1948 gegründete Regionalorganisation hat sie am Mittwoch einen historischen Fehler korrigiert, der nie zu begründen war. Selbst die Vertreter der Obama-Regierung stimmten gegen die Politik ihrer neun Vorgänger. Man wolle sich auf die Zukunft konzentrieren, nicht auf die Vergangenheit, sagte Außenministerin Hillary Clinton.

Daran tut Washington wahrlich gut. Denn während Kuba 1962 auf US-amerikanisches Betreiben wegen vermeintlicher Verstöße gegen demokratische Regeln der OAS verwiesen wurde, machte Paraguays damaliger Diktator Stroessner Jagd auf Linke und andere Demokraten, die seinen Interessen – oder denen Washingtons – im Weg standen. Als wenige Jahre später weitere Massenmörder Südamerika mit Terror überzogen, stand das offenbar im Einklang mit dem Demokratiemodell, das Washington für seinen »Hinterhof« bestimmt hatte.

Wenn sich Barack Obama nun eines Besseren besinnt, weist das weniger auf Einsicht denn auf Pragmatismus hin. Lateinamerika hat sich in den vergangenen Jahren tiefgreifend gewandelt. Die OAS steht als Relikt der Vergangenheit im Schatten neuer regionaler Bündnisse wie der Bolivarischen Alternative oder der Südamerikanischen Staatenunion. Die USA aber sind zunehmend isoliert. In Washington – dem Sitz der US-Regierung und der OAS – wird man sich dessen offenbar bewusst. Das bedeutet allerdings noch lange nicht, dass man heute aus den Fehlern von gestern lernt.

** Aus: Neues Deutschland, 5. Juni 2009 (Kommentar)


Habana sí!

Ausschluß Kubas aus der OAS von 1962 bedingungslos aufgehoben. Ecuador will ALBA-Mitglied werden

Von André Scheer ***

Nach 47 Jahren haben die Außenminister der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) am Mittwoch in San Pedro de Sula (Honduras) den Ausschluß Kubas aus dem Bund aufgehoben. In der per Akklamation angenommenen Erklärung heißt es, der 1962 verabschiedete Ausschluß der kubanischen Regierung sei »unwirksam«. Der Beschluß enthält auch die Formulierung, daß vor einer aktiven Beteiligung der kubanischen Regierung in der OAS ein »auf Antrag der Regierung von Kuba begonnener Dialogprozeß in Übereinstimmung mit den Praktiken, den Zielen und Prinzipien der OAS« stehen solle. Damit wird vermieden, daß die kubanische Regierung vor das Dilemma gestellt werden würde, nun ihrerseits den Austritt aus der OAS erklären zu müssen, denn Havanna hat auch nach der Entscheidung noch einmal deutlich gemacht, daß es kein Interesse an einer Rückkehr in die Organisation habe. Trotzdem würdigte die kubanische Regierung die Aufhebung der Entscheidung von 1962 als »historisch« und hob hervor, daß der in Honduras beschlossene Text auf eine Initiative der Mitgliedsstaaten der Bolivarischen Alternative für die Völker Unseres Amerika (ALBA) zurückgehe. »Kuba konnte und will nicht in die OAS zurückkehren, die eine Institution voll finsterer Geschichte der Unterwerfung ist, aber es erkennt den politischen Wert, die Symbolik und die Rebellion an, die diese von den Volksregierungen Lateinamerikas durchgesetzte Entscheidung beinhaltet«, heißt es in einer von TeleSur verbreiteten Erklärung Havannas.

Bis zuletzt hatte US-Außenministerin Hillary Clinton offenbar versucht, Bedingungen für eine Aufhebung des Ausschlusses von Kuba durchzusetzen. Letztlich konnte Washington sein Ziel nicht erreichen, die Aufhebung der Resolution von 1962 erfolgte im Plenum und bedingungslos.

Zuvor hatte offenbar ganz konkret eine Spaltung der OAS im Raum gestanden. »Wir mußten sehr harte Positionen einnehmen, um diese Resolution zu erreichen«, sagte Venezuelas Präsident Hugo Chávez: »Wir haben gestern gesagt: Wenn das Thema nicht diskutiert wird, oder wir nicht zu der vorgeschlagenen Lösung kommen, dann steht Venezuela auf und geht. Und ich glaube, wir würden nicht die einzigen sein, auch wenn ich nicht für die anderen Länder sprechen kann.« Zum Glück habe Washington jedoch seine Haltung aufgeben müssen, so daß ein Konsens möglich wurde, freute sich der venezolanische Präsident: »Das ist ein Ergebnis der veränderten politischen Landkarte des Kontinents. Wir sind keine Kolonien, kein Hinterhof der USA mehr.«

Ecuadors Außenminister Fander Falconí nannte die Aufhebung des Ausschlusses einen »historischen Sieg Kubas, der Länder Lateinamerikas und der Karibik sowie der ALBA-Länder«. »Kuba hat bilaterale Beziehungen mit allen Ländern Lateinamerikas, und seine beispielhafte Revolution war für eine Generation von Lateinamerikanern ein Leuchtfeuer«, betonte Falconí. Gemeinsam mit den ALBA-Mitgliedsstaaten hatten auch Ecuador und Paraguay den entsprechenden Antrag an die OAS-Generalversammlung gestellt.

Beflügelt von diesem Erfolg will Ecuador nun offenbar Vollmitglied der ALBA werden, an deren Gipfeltreffen das Land bereits regelmäßig als »Beobachter« teilgenommen hatte. Wie Hugo Chávez erklärte, habe Ecuadors Präsident Rafael Correa ihm seine Entscheidung mitgeteilt, Mitglied der Bolivarischen Alternative zu werden. Um den Beitritt offiziell zu vollziehen, soll vermutlich am 24. Juni im venezolanischen Valencia ein außerordentliches Gipfeltreffen der ALBA-Staaten stattfinden. An diesem Tag begeht Venezuela den Jahrestag der Schlacht von Carabobo 1821, dem entscheidenden Sieg der Befreiungsarmee Simón Bolívars über die spanischen Kolonialtruppen. »Nach der Parade machen wir dann das Gipfeltreffen der Präsidenten. Wir haben noch nicht die Bestätigung aller Länder, aber ich glaube, es wird kein Problem geben«, sagte Chávez am Rande einer Tagung seines Regierungskabinetts.

ALBA war im Dezember 2004 zunächst nur von Kuba und Venezuela als Gegenmodell zur damals von den USA betriebenen Amerikanischen Freihandelszone (ALCA) gegründet worden. In den folgenden Jahren traten Bolivien, Nicaragua, Honduras und Dominica dem Bündnis bei.

*** Aus: junge Welt, 5. Juni 2009


Zurück zur Lateinamerika-Seite

Zur Kuba-Seite

Zurück zur Homepage